Bilanz

So steht es um die Unterbringung von Flüchtlingen in Hockenheim

Hockenheim geht mit Zuweisungsdefizit von rund 70 Geflüchteten ins neue Jahr, erzielt aber Erfolge mit Mietverhältnissen. Hauptaugenmerk setzt die Stadt auf Integration.

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Matthias Mühleisen
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Die Stadt Hockenheim navigiert bei der Flüchtlingsunterbringung zwischen innovativen Integrationsansätzen und logistischen Herausforderungen, während sie sich bemüht, das Zitat 'Die Letzten werden die Ersten sein' in die Realität umzusetzen. © lenhardt

Hockenheim. Das Bibelzitat, wonach die Letzten die Ersten sein werden, könnte in Hockenheim auf den Umgang mit Geflüchteten Anwendung finden. Denn ist die Stadt auch zahlenmäßig bei der Erfüllung ihres Unterbringungskontingents Schlusslicht im Rhein-Neckar-Kreis, liegt sie doch mit ihrer Strategie, bei der Unterbringung das Hauptaugenmerk auf die Integration der Menschen zu legen, ganz vorn im Kreis. Darauf verweist Integrationsbeauftragter Konrad Sommer im Gespräch mit unserer Zeitung.

Sommer nennt das „Integration vom Ende her denken“ und sich nicht nur auf die reine Unterbringung zu fokussieren. Was die Zahlen angeht, habe Hockenheim einen Rückstand von 70 Menschen, die die Stadt aus dem Jahr 2023 noch vom Kreis zugewiesen bekommen sollte. Das entspreche ziemlich genau den Kapazitäten, die die Stadt im Dachgeschoss der Rathausstraße 8 hatte nutzen wollen.

Bei der Übergangslösung gab es keinen gemeinsamen Nenner

Wie mehrfach berichtet, hat die Stadt die ehemalige Geriatrische Rehaklinik des Rhein-Neckar-Kreises für rund 6,5 Millionen Euro gekauft, um sie für die Unterbringung Geflüchteter nutzen zu können. Das Dachgeschoss steht aktuell leer, der Rest der Immobilie wird vom Altenheim St. Elisabeth als Übergangslösung bis zur Fertigstellung des zweiten Neubauteils genutzt. Über die Zugänge zum Dachgeschoss hatten sich Stadt und Altenheim nicht einigen können, ein Gerichtsbeschluss untersagt nun bis zum Auszug des Altenheims sämtliche Vorbereitungen für die Unterbringung.

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Konrad Sommer geht davon aus, dass die rund 1000 Quadratmeter Fläche im Dachgeschoss binnen einer Woche funktionsfähig gemacht werden könnten. Es handelt sich um Apartments mit Bad und Küche, die grundsätzlich bezugsfertig sind, weil sie unter der Vormieterin bereits genutzt waren.

Die Bilanz der Stadt bei der Unterbringung sieht so aus: In den vergangenen 20 Monaten hat sie 248 Menschen untergebracht. Davon zogen rund 40 in vorhandene Unterkünfte, deren Belegung dafür verdichtet wurde, 210 wurden in private Mietverträge vermittelt.

Regressforderungen an die Kommune sind schon absehbar

Die Suche nach privaten Mietobjekten sei zeitraubender und mühsamer, als auf Sammelunterkünfte zu setzen, doch auf lange Sicht verbessere sie nicht nur die Aussicht auf Integration und Selbstständigkeit, sondern sie spare der Stadt auch Geld. Wenn Immobilien für Unterbringungszwecke angemietet und teilweise bis zur Zulässigkeitsgrenze belegt werden, sei schon absehbar, dass nach Ablauf der Mietzeit Regressforderungen für eine Renovierung auf die Kommune zukämen.

Hockenheim unterschreite in keinem Fall acht Quadratmeter Wohnfläche pro Person. Die Empfehlung des Justizministeriums von mindestens 4,5 Quadratmeter hält Sommer für nicht menschenwürdig: „So wird Integration nicht stattfinden, im besten Fall eine Rückkehr in die Heimat in der Hoffnung auf Frieden.“

Die Nachverdichtung in städtischen Immobilien sei schon ein harter Schritt gewesen, habe dazu geführt, dass es kaum noch Zimmer mit Einzelbelegung gebe. In einigen Fällen habe sie aber auch zu Bewegung in der Szene geführt und motiviert, doch noch privat eine Unterkunft zu suchen. „Aber angesichts der Zahlen, mit denen wir konfrontiert wurden, gab es keine Alternative.“

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Konrad Sommer schließt mit Vorliebe Mietverträge für nicht renovierte Immobilien ab. Das Material für die Renovierung zahlt dann die Stadt, die Arbeit übernehmen dir künftigen Bewohner selbst – „das funktioniert erstaunlich gut“, sagt der Integrationsbeauftragte. Es gehe schließlich langfristig darum, dass sich die Bewohner zu Hause fühlen und nicht nur untergebracht.

Sommer rechnet damit, dass die privaten Unterbringungsmöglichkeiten im Lauf des Jahres abebben werden, auch wenn er mit zunehmender Dauer seiner Tätigkeit von Mundpropaganda profitiere. Wenn Vermieter gute Erfahrungen machten beispielsweise bei der Vermittlung von Wohnraum, den bislang Großeltern genutzt hatten, die nun ins Altenheim ziehen mussten, spreche sich das herum. Als Integrationsbeauftragter habe er dabei größeren Spielraum als die Mitarbeiter der Liegenschaftsabteilung der Stadt, die viele Verordnungen und Gesetze berücksichtigen müssten.

Geflüchtete, die aus Afghanistan, Syrien oder Eritrea stammen, hätten größtenteils ihren Weg gefunden und seien berufstätig. Durch die Nachfrage, die beispielsweise von der Logistikbranche im Talhaus komme, können sie sich eigene kleine Wohnungen mieten.

Bei Ukrainern sollen schnellstmöglich Sprachkenntnisse vermittelt werden

Bei Ukrainern komme es vor allem darauf an, möglichst schnell die Sprachkenntnisse zu verbessern, um ihnen den Weg in die Arbeitswelt zu ebnen. Sie hätten in ihrer Heimat oft in Berufen gearbeitet, die hier sehr gesucht sind, etwa in Pflege, Erziehung oder Handwerk. Entscheidend sei, Lehrkräfte für die Sprachvermittlung zu finden.

Hoffnungsträger: Im leerstehenden Dachgeschoss der ehemaligen Geriatrischen Rehaklinik des Rhein-Neckar-Kreises kann die Stadt rund 70 Menschen unterbringen, wenn die Immobilie frei wird. © Lenhardt

Bei Integrationskursen arbeitet die Stadt vor allem mit Volkshochschule und Deutsche Roten Kreuz zusammen. Die Räume für den Unterricht und die Genehmigungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) steuert er bei. Für Kinder sei entscheidend, dass sie die Vorbereitungsklassen (VKL) in den Schulen besuchen, um sprachlich Anschluss zu finden.

Zu denken geben müssten Studien, nach denen in Dänemark 67 Prozent der aus der Ukraine Geflüchteten in Arbeit stehen, in Deutschland aber nur 17. Hier müsse der Behördenweg vereinfacht werden. Bürokratie erschwert Sommer auch die Arbeit, wenn plötzlich Zahlungen des Jobcenters gestoppt werden, weil Dokumente fehlen, die zwischen Behörden kursieren und Vermieter sich an ihn wenden.

Die Wiedereröffnung des Cafes Komm ein voller Erfolg in Hockenheim

Die Wiedereröffnung des Cafes Komm im Lutherhaus sei gut angekommen. Das Angebot soll beibehalten werden, auch wenn Ehrenamtliche für die Betreuung fehlen. Das Spendenlager werde im Lauf des Jahres umziehen, am neuen Standort soll die Infrastruktur besser sein.

Wie die Zahl der Zuweisungen sich 2024 entwickelt, lasse sich noch nicht prognostizieren, sagt Sommer. Welche Möglichkeiten zur Unterbringung in der Rathausstraße im Lauf des Jahres zu schaffen sind, werde sich erst zeigen, wenn die Stadt die Immobilien betreten kann. Beim Landratsamt ist jedenfalls bekannt, dass die Rückstände bei der Aufnahmeverpflichtung Gründe hat und 2024 abgebaut werden wird.

Redaktion Redakteur im Bereich Hockenheim und Umland sowie Speyer

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