Im Gespräch - Petfluencer Joar Berge ist mit seiner Moustache-Farm auf Instagram der Hit / Seine beiden Kühe Dagi und Emma erobern das Internet

Vom Nutztier zum süßen Instagram-Star

Von 
Sandra Kettenmann
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Knapp 3500 Abonnenten hat der Petfluencer Joar Berge bereits auf Instagram. Nicht viel, werden Fachkundige jetzt sagen. Seine beiden Kühe Emma, gerade mal ein Jahr, und Dagi, ein und ein halbes Jahr, sind noch jung und kein ganzes Jahr in den sozialen Medien unterwegs. Die Sparte die Berge dabei bedient nennt sich Petfluencer. Also ein Influencer, der auf Instagram ausschließlich sich und seine Tiere postet – nur im kleineren Rahmen. „Ich hätte nie gedacht, dass es eine eigene Community für Farm-Bilder gibt und dass so viele Leute Kühe mögen“, erzählt der 37-Jährige im Gespräch mit unserer Zeitung.

Der Onlinedienst Instagram dient hauptsächlich der Verbreitung von Bildern und Videos. Andere Nutzer teilen, kommentieren oder liken diese („gefällt mir“). Abonniert man eine Seite oder einen Hashtag (mit der Raute gekennzeichnete Stichworte), werden im privaten Verlauf (Timeline) vermehrt Beiträge mit entsprechenden Worten oder Posts von der abonnierten Person angezeigt. Joar Berge nutzt also den tierischen Effekt, den man hauptsächlich von Katzenvideos im Internet kennt. Die Nutzer finden sie süß, also werden sie gelikt und geteilt.

Je mehr Abonnenten eine Person hat, desto beliebter ist sie und ab einer gewissen Abonnentenzahl werden auch Firmen aufmerksam und bieten Partnerschaften an. Joar Berge hat bereits die ersten Angebote erhalten, sie aber dankend abgelehnt. „Ich habe einen Job und den mache ich sehr gerne“, ist sich der Fachinformatiker und aktuelle Projektleiter sehr sicher und ergänzt, „Werbung ist zwar schön und gut aber ich bin Hobby-Farmer und ziehe hieraus keinen kommerziellen Nutzen. Was soll ich also bewerben?“

Der Esel und das Alpaka

Diese und andere Anfragen landen in seinem Mailfach. „Influencer wollen sich mit meinen Kühen fotografieren lassen oder andere wollen einfach vorbeikommen und sie streicheln. Das mag ich nicht. Zumal das hier auch nicht mein Hof ist. Und arbeiten muss ich ja auch noch.“ Für eine Freiburger Software-Firma ist er die meiste Zeit im Homeoffice und hat somit Zeit für die beiden tierischen Damen.

Emma ist ein Tiroler Grauvieh und Dagi ein schottisches White Galloway mit langen zotteligen Haaren. Rinder, die man in unserer Region eher selten zu sehen bekommt, was beim gemeinsamen Spaziergang ab und an für Verwechslungen sorgt. „Ich wurde schon gefragt, ob man den Esel denn streicheln könne“, lacht Berge und blickt auf die Kuh Emma. Die Redaktion postete nach dem Besuch auf der Moustache-Farm ein Bild auf Instagram und erhielt eine Anfrage, was Dagi denn für ein seltsames Alpaka sei. Warum aber Joar Berge seine Farm „Mous-tache“ genannt hat, ist ihm im wahrsten Sinne ins Gesicht geschrieben. Denn „Moustache“ ist das englische Wort für Schnurbart und der ist nun mal das Markenzeichen des Hobby-Farmers.

Aufgewachsen ist der in Norwegen verwurzelte Deutsche in der Fürther Region. „Wir hatten viele Bauernhöfe in der Nachbarschaft“, schwelgt er in Erinnerungen, „Als Kind war ich jeden Tag auf den Höfen und irgendwann bekam ich von einem der Bauern eine Kuh in Pflege. Ich nannte sie Rexi. Ich ging mit ihr spazieren, ritt auf ihr und wir übten Kunststücke ein. Aber nach gut vier Jahren musste sie den Hof verlassen. Ich war noch ein Kind und verstand nicht, warum sie gehen musste und wohin sie ging.“ Berge berichtet weiter, dass die Kuh zu wenig Milch lieferte und vom Bauern zum Schlachter gebracht wurde. Da sie seine Pensionskuh war, durfte sie etwas länger auf dem Hof bleiben, als es üblich war. Das änderte aber nichts an ihrer Bestimmung.

„Ich bin heute Vegetarier und auf gutem Wege Veganer zu werden“, ergänzt Berge. „Meine Kühe werden definitiv nicht geschlachtet und gegessen“, versichert er. Im jugendlichen Alter verlor er weitestgehend das Interesse für die Bauernhöfe und es zog ihn in die Stadt. Zuerst nach Mannheim, dann nach Köln, weiter nach Berlin und bis 2019 an die Côte d’Azur. Aber so sehr sein Leben im Wandel war, umso mehr fehlte ihm etwas. „Ich wollte schon immer Farmer sein“, lacht er, „und meine eigenen Kühe haben und je länger ich unterwegs war, desto stärker wurde dieses Gefühl in mir.“ Und so schaltete er eine Anzeige und suchte nach Stallungen für Pensionsrinder. Also Kühe, die auf dem Hof unterkommen und mitversorgt werden. „Ich hatte einige Angebote. Es hat aber nur einer zu meinen Voraussetzungen gepasst und so sind wir hier in Hockenheim auf dem Pferdehof gelandet.“

Emma und Dagi haben hier ihre eigene Stallung, artgerecht und leben nicht mit einer Herde Milchkühe auf engstem Raum. Das war dem Petfluencer wichtig und den meisten Bauern die ihn kontaktierten auch suspekt. Das Grauvieh und das White Galloway gelangten dann als kleine Kälber über Ebay Kleinanzeigen zu ihm. „Gesehen, besucht und verliebt“, nickt er zuversichtlich. Für ihn kommt die konventionelle Landwirtschaft nicht in Frage und daher ist er mit dem Pferdehof, auf dem die beiden Kühe sich befinden, auch sehr glücklich.

Die Umgangsformen eines Rindes

„Die Haltung der Tiere ist hier sehr artgerecht und auch die Trainingsmethoden nicht veraltet.“ Das bedeutet ohne Gewalt und Druck, sondern mit Bestätigung und Geduld. So trainiert Berge die beiden Teenager-Rinder auch – mit viel Leckerlis und je nach Laune und Tagesform folgen sie ihm, oder auch nicht. Denn Rinder haben mehr oder weniger ihren eigenen Kopf: „Manchmal geht es ganz gut“, lächelt er verschmitzt und blickt zu der frechen Dagi, die ihren Gegenüber gerne mal anstupst, wenn es nicht genügend Streicheleinheiten für sie gibt. Bei einem 300-Kilo-Rind kein zartes Unterfangen.

Aber Joar Berge nimmt es mit Humor und stoppt die energische Kuh meist rechtzeitig, bevor sie mit der SZ-Redakteurin den Kontakt aufnehmen kann. Gelingt es ihm nicht, setzt sich Dagi durch und drückt ihren massiven Kopf an Arme oder Beine. Mit Nachdruck und falls notwendig mit Körpereinsatz. „An den guten Umgangsformen müssen wir definitiv noch arbeiten“, lächelt er schulterzuckend.

Das Training übernimmt er selbst, aber andere Dinge wie Stall, Futter und Tierarzt kosten Geld. Und das nicht wenig. Auch muss er die Vorgaben der Seuchenkasse erfüllen und beide Kühe müssen versichert sein. „Ein teures Hobby“, ist er sich sicher, „Aber andere haben Pferde oder teure Autos und auch die kosten Geld.“

Die Versicherung allerdings hat er schon in Anspruch nehmen müssen. „Emma hat sich wohl vor einem parkenden Auto erschreckt und ist dagegengestoßen. Das gab dann eine große Delle im Blech. Ihr ist aber nichts passiert.“ Den Schaden übernahm die Versicherung, die Kuh blieb unverletzt.

Aber Berge investiert nicht nur Geld. Auch die Zeit ist ein Thema. Für die reine Pflege benötigt er rund zwei Stunden täglich, am Wochenende können es auch mal fünf Stunden sein. Hier lässt er sich dann gerne mehr Zeit. Die Trainings- und Kuschelstunden rechnet er hier nicht mit rein. Er ruft die beiden Damen, Emma kommt. Dagi steht und bewegt sich nicht. Ein Griff in die Leckerchentasche genügt und das Galloway-Rind setzt sich in Bewegung. „Man braucht nur das richtige Druckmittel.“

Danach spielen sie fangen. Ein Hindernisparcours auf Bodenhöhe ist aufgebaut, Berge springt darüber. Die Kühe nicht. „Ich glaube heute haben sie keinen gute Tag“, lacht er und nimmt die Verweigerung der Kühe mit Humor. „Morgen vielleicht“, gibt er lächelnd auf und meint weiter, „wenn’s klappt, poste ich es eh auf Instagram. Dann können es alle sehen.“

Info: Mehr Bilder und Videos unter www.schwetzinger-zeitung.de sowie auf Instagram unter @moustache_farmer

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