Lokale Agenda - Beim Rundgang mit Förster Norbert Krotz tauchen die Teilnehmer in besondere Tier- und Pflanzenwelt ein / Stress für Bäume nicht so stark wie im Hardtwald

Auf Tour zu den vielen Schätzen der Rheininsel

Von 
Volker Widdrat
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Ketsch. Der geführte Rundgang der Lokalen Agenda über die Rheininsel begann an der Altrheinbrücke. Agendasprecher Gernot de Mür begrüßte rund 30 Teilnehmer am 1990 erbauten Wahrzeichen der Enderlegemeinde. Vor der Holzkonstruktion, dem einzigen Zugang zum Naturschutzgebiet, stand hier ab 1955 eine Eisenpfeilerbrücke, die oft vom Hochwasser des Rheins überspült wurde. Eine erste Holzbrücke mit eisernen Tragelementen war bereits 1890 fertiggestellt worden.

Der von der Gemeinde, dem Forstamt des Rhein-Neckar-Kreises und der Lokalen Agenda eingerichtete „Naturweg Ketscher Rheininsel“ erläutert anhand von 14 Tafeln Geschichte und Geographie sowie Tier- und Pflanzenwelt entlang der „Ketscher Allee“. Wolfgang Rohr erklärte am Försterhaus den einstigen Fährbetrieb. Ketsch lag vor der Rheinkorrektur an einer wichtigen Drehscheibe der Handelswege. Die Rheininsel entstand durch die Rheinbegradigung von Ingenieur Johann Gottfried Tulla. Von 1800 bis 1815 war das linke Rheinufer von den Franzosen besetzt, die hier ein Zollhäuschen errichteten. In Kriegszeiten war die Fährverbindung für das Übersetzen der Truppen von strategischer Bedeutung. Rohrs Schwiegervater, der Heimatforscher Robert Fuchs, hat das in seiner Chronik der Gemeinde ausführlich beschrieben.

Mehr als 200 Tage im Wasser

Gleich hinter der Brücke zeigt eine Pegelskala die historischen Hochwasserstände an. Das Hochwasser im Mai 2013 war etwa so hoch wie das im Jahr 1978. Den Höchststand hatte der Rhein hier 1882. „Die Rheininsel ist etwas Besonderes, weil sie regelmäßig überflutet wird“, sagte Revierförster Norbert Krotz.

Die gehölzfreie Aue steht an mehr als 200 Tagen im Jahr unter Wasser. Die Weichholzaue mit ihren Strauch- und Silberweiden wird ebenfalls oft überflutet. Die Hartholzaue beherbergt Stieleichen und Ulmen. Pappeln und Weiden kommen gut mit dem Wasser zurecht. Der Laubmischwald steht außerhalb der Aue.

Auf der Rheininsel sind viele Baumarten vertreten. Linden, Hainbuchen, Ahorn, Eschen und Buchen zählte Krotz auf. Die Ulmen machen Sorgen. Der Splintkäfer schädigt das Laubholz. Viele Tiere sind auf das Wasser angewiesen. Etwa Muscheln, Krebse, Amphibien und Fische. Der Eisvogel ist häufig anzutreffen, weil er in den steilen Uferwänden brütet. Der Kormoran ist weniger beliebt. Ein ausgewachsenes Exemplar frisst 400 Gramm Fisch pro Tag.

Agendasprecher Gernot de Mür informierte über Blutsauger. In den stehenden Gewässern entwickeln sich über die Sommermonate die Larven der Stechmücken. Die Eier können über viele Jahre im feuchten Waldboden liegen. Die Weibchen brauchen viel Eiweiß, deshalb holen sie sich Blut von Tieren und Menschen. Schnaken haben aber auch Fressfeinde wie Fische, Libellen und Molche, ging de Mür auf die Methoden der Bekämpfung ein. Manche Pflanzenarten seien sehr selten, andere kämen oft vor, stellte Norbert Krotz Hyazinthe, Bärlauch und Einbeere vor. Besonders im Frühjahr duftet es stark im Wald. „Die Brennnessel ist eine wichtige Pflanze für die Tierwelt“, sagte der Revierförster. Die Population an Schmetterlingen sei sehr hoch.

Wildschweine tolle Schwimmer

Es gebe Wildschweine auf der Rheininsel, bestätigte Krotz. Man sehe die „Allesfresser“ aber nie. Wildschweine sind hochintelligent und tolle Schwimmer, auch über längere Strecken. In den Sommermonaten ärgern sie die Landwirte, wenn sie sich auf den Maisäckern den Bauch vollschlagen. Rehe sind Feinschmecker und gehen an die Triebe junger Bäume. Auch der Rotfuchs kommt vor. Rotwild gibt es in dem Naturschutzgebiet nicht. Der Auwald hat auch viele Lebensnischen für Vögel. Dompfaff, Mönchsgrasmücke und Neuntöter sind zu hören. Der Schwarzspecht, die größte heimische Art des Spechts, haut Löcher in die Buchen. Der Buntspecht kommt am häufigsten vor. Der Grünspecht hat als Lieblingsspeise Ameisen.

Am und im Wasser tummeln sich Haubentaucher, Silberreiher und Blesshuhn. Fledermäuse finden ideale Jagdbedingungen vor, so Krotz. Er empfahl, im Februar mal in einer Vollmondnacht eine Wanderung zu machen: „Ein tolles Erlebnis.“ Der Habicht ist sehr oft zu sehen. Mit einem Affenzahn fegt er durch den Wald. Der Rote Milan brütet gerne in den Mischwäldern.

„Die Bäume haben auch hier Stress gehabt, nicht so stark wie im Hardtwald, aber sie haben doch gelitten“, führte der Revierförster aus. Die Forstwirtschaft nutzt Esche, Eiche, Hainbuche, Flatterulme und Ahorn. Es gebe wohl keinen Baum, in dem so viele Insekten leben und fressen wie in der Eiche, sagte Krotz über seinen Lieblingsbaum: „Die Eiche ist uns im Forst extrem wichtig.“ Man versuche den Bestand zu steigern.

Hirschkäfer häufiger geworden

Totes Holz bietet Raum für neues Leben. Viele Tiere und Pflanzen, die auf Totholz angewiesen sind, stehen auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. Hirschkäfer seien glücklicherweise häufiger geworden, so Krotz. Dafür lassen die Forstleute Äste und umgestürzte Bäume liegen. Das freut Asseln, Heldbock, Holzbienen, Schlupfwespen und Erdkröten.

Am Rhein endete die Tour. Dort gab es noch eine Besonderheit zu sehen. Auf der Rheininsel befindet sich das wichtigste Vorkommen der Wild-Rebe als Urform unserer Kulturreben. „Das Beste, was wir in ganz Deutschland haben“, schwärmte Norbert Krotz über die „Urmutter des Weins“ (wir berichteten).

Gernot de Mür stellte der Gruppe eine historische Flussmarkierung vor. Der Myriameterstein Nummer 24 wurde 1883 aufgestellt. Er steht 96 190 Meter über dem Amsterdamer Pegel. Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Vermessungssteine durch Kilometerangaben ersetzt.

Info: Mehr Bilder gibt es unter www.schwetzinger-zeitung.de

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Ketsch: Rundgang auf der Rheininsel mit Förster Norbert Krotz

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Freier Autor Volker Widdrat ist freier Mitarbeiter.

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