Schöffengericht

Cannabistöpfe in Ketsch geduldet – aber nicht gegossen

Bei einem Ketscher Ehepaar sind im April Cannabispflanzen entdeckt worden. Es will sich von den Drogen lösen und bekommt Bewährungsstrafen.

Von 
Volker Widdrat
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Cannabispflanze in einer Zuchtanlage. (Symbolbild) © David Pichler/DPA

Ketsch/Schwetzingen. Bei einer Wohnungsdurchsuchung im April 2022 in Ketsch entdeckte die Polizei bei einem Ehepaar zwei Cannabispflanzen ohne Blüten und vier Fläschchen mit dem psychoaktiv wirksamen Arzneistoff Diazepam. Der 30-Jährige und seine 23-jährige Frau mussten sich deshalb nun wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Anbau ohne behördliche Genehmigung vor dem Schöffengericht Schwetzingen verantworten.

Die gemeinsam angeklagten Eheleute, die zum Prozess aus der Gegend von Stuttgart anreisten, äußerten sich zum Vorwurf: Der 30-Jährige leidet nach eigenen Angaben am Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom und hat Entzündungen in den Händen. Deshalb habe er immer nur kurz bei Zeitarbeitsfirmen unterkommen können. Er habe seine Schmerzen und Depressionen selbst mit Cannabis therapieren wollen, so der Amgeklagte. Dabei sei er „in die Sucht reingerutscht“.

Die Idee zum Cannabisanbau sei von ihm gekommen, ebenso habe nur er die Benzodiazepine, umgangssprachlich „Benzos“ genannt, für sich besorgt. Seine Frau habe nur beim Marihuana „mitkonsumiert“. Benzodiazepine können von Ärzten auch als Beruhigungsmittel bei Angst- oder Schlafstörungen verschrieben werden. Sie machen schon nach kurzer Zeit abhängig. Man schläft wieder schlechter, wird unruhig oder ängstlich. Der Körper verlangt nach immer höherer Dosierung. Der 30-Jährige schilderte dem Gericht diese Symptome. Jetzt wolle er damit aufhören, er sei mit seiner Frau „in der Familienplanung“.

Ständiger Streit in der Familie

Die 23-Jährige hat nach ihrer Aussage verschiedene Ausbildungen angefangen, aber immer wieder abgebrochen. Dem Hauptschulabschluss folgten Depressionen, Angstzustände, Schlafstörungen, Suizidgedanken und ständiger Streit innerhalb der Familie, erzählte sie dem Gericht. Sie habe die Cannabispflanzen „geduldet, aber nicht gegossen“. Jetzt möchte sie gerne Hilfe in Anspruch nehmen und einen Job erlangen, sagte sie noch.

Ein Polizeibeamter des Reviers Schwetzingen berichtete von der Durchsuchung der Wohnung, in der es stark nach Marihuana gerochen habe. Die Frau sei sichtlich krank gewesen, der Mann habe nervös gewirkt. Man habe auch noch eine Schreckschusspistole sowie Feinwaagen und Handys gefunden. Hinweise auf Drogenhandel habe es aber aus seiner Sicht nicht gegeben.

Staatsanwalt Manuel Knobloch wertete die geständigen Einlassungen des Paares als strafmildernd. Beide Angeklagte seien abhängig von Betäubungsmitteln. Er forderte ein Jahr und zwei Monate Gefängnis für den 30-Jährigen und acht Monate im minderschweren Fall für die 23-Jährige – beides zur Bewährung.

Verteidigerin Sandra Göke sah ihren Mandanten „von Krankheiten gebeutelt und von Schmerzen gezeichnet“. Er habe sich selbst behandeln wollen. Dritte seien nicht zu Schaden gekommen. Es läge nur eine minimale Überschreitung der nicht geringen Menge vor. Ein Jahr Freiheitsstrafe sei doch genug.

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Volker Widdrat
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Verteidigerin Julia Hinderer wollte für ihre Mandantin nicht mehr als vier Monate auf Bewährung akzeptieren. Die 23-Jährige habe aus Suchtdruck gehandelt und wünsche sich einen Bewährungshelfer. Beide Angeklagten werden für die Dauer von zwei Jahren Bewährungshelfern unterstellt. Das Schöffengericht urteilte auf ein Jahr für ihn und sechs Monate für sie. Beide hätten schlimme Schicksale, die sich über die Sucht noch verschlechtert hätten, sagte Richterin Sarah Neuschl: „Jetzt sind Sie in der Rückabwicklung und haben viel aufzuarbeiten.“

Beide erlangen hoffentlich eine stabile Ausgangsposition und die Chance, wieder ein Teil der Gesellschaft zu werden: „Das Gericht will Ihnen keine Steine in den Weg legen.“ Regelmäßige Besuche der Drogenberatung und ambulante psychologische Gespräche müssten aber sein. Das Urteil ist rechtskräftig.

Freier Autor Volker Widdrat ist freier Mitarbeiter.

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