Schwetzingen. Etwa 15 junge Männer standen am Dienstagmorgen in der Zeyherstraße in Schwetzingen herum. Per Handschlag und Umarmung gaben sie moralische Unterstützung für einen Freund, der vor das Schöffengericht des Amtsgerichts musste. Mit hinein gingen sie nicht. Der ganze Tross machte sich noch vor Prozessbeginn wieder von dannen.
Angeklagt war ein 26-jähriger Heidelberger, der am 1. Oktober vergangenen Jahres den Discounter Aldi in der Schubertstraße in Schwetzingen überfallen haben soll. Mit einer ungeladenen Schreckschusspistole hatte er an dem Samstagabend kurz vor 20 Uhr eine Kassiererin bedroht und die Herausgabe von Bargeld gefordert. Die Frau hatte ihm daraufhin 740 Euro gegeben. Zusammen mit der Beute in einer weißen Plastiktüte war er in Richtung der Bundesstraße 535 geflüchtet. Umfangreiche Fahndungsmaßnahmen der Polizei sowie mit einem Hubschrauber hatten zu keinem Erfolg geführt. Die Pistole, eine FFP2-Maske und ein Teil des Geldes waren unweit des Tatorts gefunden worden. Anfang Dezember fahndete die Kripo öffentlich und mit Bildern nach dem Tatverdächtigen. Doch ohne Ergebnis. Am 28. Dezember schließlich stellte sich der 26-Jährige, einen Tag später wurde er der Haftrichterin am Amtsgericht Mannheim vorgeführt und anschließend in eine Justizvollzugsanstalt eingeliefert.
Der Beschuldigte machte vor dem Schöffengericht Angaben zu seiner Person. Er sei in den vergangenen Jahren bei verschiedenen Zeitarbeitsfirmen tätig, aber öfters auch arbeitslos gewesen. Der Tod seiner Oma habe ihn arg getroffen. Zurzeit habe er wieder eine Arbeitsstelle.
Verteidiger Patrick Welke gab eine abschließende Erklärung zum Tatvorwurf der schweren räuberischen Erpressung ab. Sein Mandant sei in Heidelberg zwangsgeräumt worden, weil er seine Miete nicht mehr zahlen konnte. Dann sei er auf die „dumme Idee“ mit dem Überfall gekommen. Das sei ein „Riesenfehler“ gewesen, er bereue die ganze Sache.
„Ich will alles, Geld her, beeil dich“, ob sie denn ihre Familie wiedersehen wolle, soll der 26-Jährige, der Mitte März aus der Untersuchungshaft entlassen worden war, zu der Kassiererin gesagt haben. Die Frau leidet bis heute an den Folgen, hat Schlafstörungen und Herzprobleme und musste sich in psychologische Beratung begeben. Sie geht vor allem abends nicht mehr raus und hat in ihrer Arbeitsstelle mit finanziellen Einbußen zu kämpfen. Die alleinerziehende Mutter hatte auch Angst gehabt, dass der 26-Jährige an ihre Daten kommen und sich an ihr rächen könnte. So stand es im Bericht des Opfers, der vor Gericht verlesen wurde. Die Nebenklägerin musste nicht zur Aussage erscheinen.
Angeklagter bereits wegen kleinkrimineller Vergehen vorbestraft
Ein 55-jähriger Kriminalbeamter berichtete von der Vernehmung des Angeklagten. Er sei der Täter, habe der 26-Jährige im Beisein seines Anwalts zugegeben. Der Überfall sei eine spontane Idee gewesen. Seine Mutter habe ihn gefragt, ob er die Tat begangen habe.
Ein 57-jähriger Beamter des Raubdezernats hatte die Videoauswertung vorgenommen. Die Öffentlichkeitsfahndung hatte allerdings keine Resonanz gehabt. Eine molekulargenetische Untersuchung des Landeskriminalamts hatte dann DNA-Spuren des Verdächtigen an Einweghandschuhen, Maske und Tatwaffe ergeben.
Der 26-Jährige ist wegen kleinkrimineller Vergehen wie Beleidigung, Sachbeschädigung, Körperverletzung und Erschleichen von Leistungen vorbestraft. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft sah den Sachverhalt bestätigt. Die Geschädigte leide noch immer unter den Folgen. Die Frau habe nicht sehen können, dass die Pistole nicht geladen war. Dass er aufgrund der Fahndungsbilder der Täter sein könnte, sei wohl nach und nach im Familien- und Freundeskreis rumgegangen. Erst als der Druck zu groß geworden sei, habe er sich gestellt. Die Anklagevertreterin forderte für die Tat „an der Grenze zum minderschweren Fall“ eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten.
Verteidiger Patrick Welke plädierte auf einen minderschweren Fall. Wegen seines Geständnisses habe die Geschädigte nicht als Zeugin gehört werden müssen. Der Beutewert sei auch nicht sehr hoch gewesen. Sein Mandant habe sich in einer „Ausnahmesituation“ befunden. Ohne sein frühzeitiges Geständnis hätte ihn die Polizei gar nicht im Visier gehabt. Die Untersuchungshaft habe einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Sein Mandant habe eine Chance verdient, forderte der Verteidiger zwei Jahre auf Bewährung, außerdem eine Zahlungsauflage an das Opfer und einen Bewährungshelfer.
Überfall auf den Schwetzinger Aldi hat sich angebahnt
Das Gericht verhängte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Der Tatbestand des Raubes sei eine „hochkriminelle Tat“, das Geständnis spiele dabei keine Rolle. Eigentlich hätte er vor dem Landgericht landen können, die Mindeststrafe dort hätte drei Jahre betragen. Die Bilder aus der Öffentlichkeitsfahndung seien gut gewesen, erklärte die Vorsitzende Richterin Sarah Neuschl. Sein Umfeld habe ihn wohl darauf erkannt. Es gebe eben nicht nur Freunde, sondern auch „einige, die nicht so gut auf Sie zu sprechen sind“. Als der Druck zu groß geworden sei, habe er sich gestellt. Daher habe das Gericht einen minderschweren Fall angenommen. Es habe wenig Beute gegeben, aber er habe eine Person mit einer Waffe bedroht. Die Tat habe sich von langer Hand angebahnt. Kurz vorher habe er noch einen Strafbefehl erhalten, „aber nichts daraus gelernt“. Der Haftbefehl blieb außer Vollzug. Sollte der 26-Jährige das Urteil nicht annehmen, wird vor dem Landgericht gegen ihn verhandelt.
Etwa ein halbes Dutzend Freunde nahm den Verurteilten vor dem Amtsgericht wieder in Empfang.
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