Ketsch/Neulußheim. Auch wenn Dirk Schulz seit einigen Jahren in Neulußheim lebt, ist Ketsch für ihn, so versichert er es gerne, seine Heimat und der Ort, an dem er nicht nur aufgewachsen ist, sondern in dem er sich sehr wohl fühlt. „Schließlich sind wir damals nur umgezogen, weil es in Ketsch keinen Bauplatz gab“, erkärt der 55-Jährige und seine Frau Marina stimmt ihm zu.
Der in Hockenheim geborene und heute in der Flugsicherung in Wiesbaden tätige Vater von zwei Töchtern pflegt seit vielen Jahren ein besonderes Hobby, denn seit jeher gilt sein Interesse der Geschichte und dem Militär und der dazugehörigen Technik. Wobei der Begriff Hobby in seinem Fall vielleicht nicht ganz ausreichend ist, denn Dirk Schulz ist seit zehn Jahren Leiter des Zeitgeschichtlichen Museums in Mannheim, einer in Eigenregie aufgebauten umfassenden Ausstellung über die Zeiten des Ersten und Zweiten Weltkriegs und der Amerikanischen Besatzung. „Schon als Kind habe ich mich sehr für alles Technische interessiert und das Militärwesen, besonders das der Amerikaner. Dass diese ganz in der Nähe von Ketsch auf dem Herrenteich mit Flugzeugen zugange waren, fand ich spannend. Natürlich wollte ich mit der Zeit immer mehr über unsere Geschichte wissen, merkte jedoch schnell, dass wenn man gerade über die Zeit des Zweiten Weltkriegs Fragen stellte, man Gefahr lief, schnell in eine politische Richtung gestellt zu werden. Dies ist bei mir überhaupt nicht die Gesinnung, denn mir ist es ausschließlich wichtig, umfassende Aufklärung über diese Zeitgeschichte zu betreiben und dazugehörige Stücke im Museum auszustellen, um nachfolgenden Generationen ein umfassendes Bild zu vermitteln. Viele Jüngere denken, dass sich alles vielleicht in Berlin oder größeren Städten abspielte, dass jedoch jedes Dorf ebenso Schauplatz der Ideologie des Dritten Reichs war, ist vielen nicht bewusst“, erklärt Schulz.
Dirk Schulz sprach mit Gail Halvorsen
Nur wer die Geschichte verstanden hat, der könne etwas verändern, so seine Meinung, und vielleicht auch auf aktuelle weltpolitische Entwicklungen einen aufmerksamen und achtsamen Blick bekommen.
Zeitgeschichtliches Museum Mannheim
- Das Zeitgeschichtliche Museum Mannheim ist eine Abteilung des Heimatmuseums Sandhofen.
- Die Dauerausstellung umfasst die Zeit der Luftschifffahrt, die Kaiserzeit und den Ersten Weltkrieg bis hin zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Ergänzend gibt es eine Ausstellung zur Bundeswehr und zur Militärgeschichte und Garnisonszeit der US Army in Mannheim von 1945 bis 2015.
- Museumsleiter Dirk Schulz (Jahrgang 1967) wohnt in Neulußheim und befasst sich schon seit über 20 Jahren mit der Militärhistorie im Raum Mannheim. Er hat viele Jahre als Fluglotse auf dem Coleman-Militärflugplatz in Sandhofen gearbeitet und mehrere Bücher – über den Nationalsozialismus oder den Coleman-Flugplatz – verfasst. Viele Exponate stammen aus seiner eigenen Sammlung, weitere sind Spenden, beispielsweise eine Flugabwehrkanone Flak 28, die Johann Graf von Zeppelin dem Museum 2015 stiftete.
- Die Öffnungszeiten sind jeden ersten und dritten Sonntag im Monat (14 bis 17 Uhr), während der Schulferien ist das Museum geschlossen. Führungen sind nach Absprache jederzeit möglich. Der Eintritt kostet fünf Euro, für Familien und Gruppen gelten gesonderte Tarife. Das Zeitgeschichtliche Museum ist im Bunker in der Birnbaumstraße 29-31 in Sandhofen zu finden.
- Hier geht es zur Internetseite des Museum.
Durch seine berufliche Laufbahn hat Dirk Schulz zu vielen Dingen, die er heute im Museum in Sandhofen ausstellen kann, Zugang bekommen und sehr viele interessante Gesprächspartner kennengelernt, die in seinen Büchern zu Wort kommen. Unter ihnen war beispielsweise Gail Halvorsen, der in der Luftbrücke Berlin im Jahr 1948 als Pilot Schokolade und Süßigkeiten an Taschentuchfallschirmen vor der Landung im Tempelhof für die wartenden Kinder abwarf und als „Candy bomber“ bekannt wurde.
Dirk Schulz aus Ketsch war zuerst Elektriker
„Nach meiner Schulzeit in Ketsch beim unvergesslichen Lehrer Mitsch und der Zeit in der Realschule in Brühl habe ich eine Lehre als Elektriker absolviert, dies war meinen Eltern sehr wichtig. Danach war ich beim Grundwehrdienst und wollte allerdings von Anfang an zu den hier in Deutschland stationierten US-Streitkräften, einfach weil ihre Technik mich faszinierte. Damals gab es die Nato-intergrierte Verwendung, was bedeutete, dass man zwar bei der Bundeswehr war, aber dies bei den Stützpunkten der US-Army. So kam ich über Heidelberg nach Rammstein. In den nächsten neun Jahren kam ich durch verschiedene Ausbildungen und Lehrgänge in viele europäische Länder und viel später nach Kaufbeuren, wo ich meine Frau kennenlernte. In diesen Jahren war gerade für uns Jüngere alles aus den USA, also der sprichwörtliche ‚Amercian way of life’ faszinierend. Und ich erinnere mich wie besonders es war, wenn man beispielsweise in der PX bei den Amis einkaufen konnte. Meine ersten Nike-Schuhe vergesse ich nie, damals war ich einer der ersten, der solche hier hatte. Die Amerikanischen Süßigkeiten konnte man damals eben nicht einfach im Internet ordern, denn dieses gab es ja noch nicht“, lacht der 1967 geborene Geschichtsbewahrer.
Seine Freunde, hier aus Ketsch, haben damals alle studiert und fanden es jedoch immer klasse, dass er bei der Bundeswehr soviele zivilberufliche Ausbildungen machen konnte und seine Chancen nutzte. „Ein Wendepunkt war sicher damals der Mauerfall und das Ende des Kalten Kriegs. Viele Bereiche bei der Bundeswehr waren nicht mehr benötigt. Die Fliegerei fand ich immer spannend und so machte ich dann eine Flugsicherungsausbildung und wurde Fluglotse. Über Einsätze in Frankfurt, Karlsruhe Baden und Heidelberg-Pfaffengrund kam ich nach Wiesbaden, wo ich heute noch arbeite. Die Idee für das Museum hatte ich, nachdem der Militärflugplatz nach 09/11 von Heidelberg nach Coleman in Mannheim verlegt wurde. Viele Ausstellungsstücke über die US-Army habe ich dort sichern können und zudem einige Bücher verfasst“, führt Dirk Schulz weiter aus.
Führungen durch das Zeitgeschichtliche Museum in Mannheim
Zahlreiche Schulklassen, aber auch viele private Personen buchen eine Führung durchs Museum und gemeinsam mit Harald Emig, der über die Zeit des Ersten Weltkriegs sehr viel Wissen hat, gibt es dort jede Menge zu entdecken und zu erzählen. „Nach wie vor suchen wir natürlich noch Exponate aus diesen Zeiten und wir sind sicher, auf so manchem Dachboden liegen noch viele Dinge, die im Museum wertvoll sind. Zeitzeugen gibt es immer weniger, und daher plane ich aktuell nur noch eine Neuauflage des Buches über den Flugplatz Wiesbaden-Erbenheim - und dann wird man sehen. Meine Bücher leben von den Geschichten der Menschen und ohne Zeitzeugen ist dies schwierig“, so der Ur-Ketscher, der sich mit seinem Freundeskreis aus der Alten Schule Ketsch, den ‚Ketscher Buwe ‘ wie sie sich nennen, nach wie vor regelmäßig trifft.
Außerdem betreibt Schulz zusätzlich noch ein weiteres, außergewöhnliches Hobby: „Durch meine Töchter kam ich zum Cheerleading. Also nicht dieses mit den Stoffballen, mit denen gewunken wird, sondern dieses, bei dem man Pyramiden baut und Akrobatik im Vordergrund steht“, lacht Dirk Schulz.
Als Außenstehender fragt man sich, wie er alle Hobbys und den Beruf unter einen Hut bekommt. Es scheint zu funktionieren.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/ketsch_artikel,-ketsch-der-ketscher-dirk-schulz-leitet-das-zeitgeschichtliche-museum-in-mannheim-_arid,2049672.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/neulussheim.html
[2] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/ketsch.html
[3] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/hockenheim.html
[4] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/ketsch_artikel,-ketsch-seltene-exponate-erinnern-an-zeiten-der-us-armee-in-mannheim-_arid,1959612.html
[5] https://www.zgma.de/