Ketsch. Ein Ketscher Ehepaar hat im schönen und schattigen Hof von Buch- und Manufakturwaren Michelfelders auf bequemen Gartenstühlen Platz genommen: „Wir freuen uns auf einen Abend, bei dem die Sorgen der Zeit in den Hintergrund rücken. Uns hat das Motto des Abends ‚Die Leute sagen immer, die Zeiten werden schlimmer. Die Zeiten bleiben immer, die Leute werden schlimmer‘ angesprochen – und so sind wir heute zum ersten Mal hier“, versichern sie auf Nachfrage unserer Zeitung.
Auch Birgit Bierth aus Brühl ist unter den rund 40 Gästen, die der Einladung zur dritten Veranstaltung des Formats „Heute Abend bei Michelfelders“ in diesem Jahr folgen: „Ich komme immer sehr gezielt zu den Veranstaltungen, denn ich mag es humorvoll und musikalisch“, lässt sie wissen.
Wie im letzten Sommer wählte Inhaberin und Initiatorin Gabriele Hönig die Freiluftvariante, was allgemein sehr begrüßt wird. Unter dem großen Nussbaum ist die kleine Bühne für die Schauspielerin, Sängerin und freie Malerin Barbara Kosariszuk und den Akkordeonspieler Werner Ziegler aus Heidelberg aufgebaut. In einem etwa anderthalbstündigen Programm präsentiert das kongeniale Duo, welches schon seit zehn Jahren gemeinsam auftritt, Verse, Lieder und Aphorismen des 1883 in Wurzen geborenen deutschen Schriftstellers, Kabarettisten und Malers Joachim Ringelnatz.
Beinahe zeitlos und mit viel Esprit, teils skurril und witzig muten die Texte des 1934 verstorbenen Ringelnatz an, der gebürtig Hans Gustav Bötticher hieß und sich selbst später Ringelnatz – in Anklang des Wortes Ringelnass, einer Bezeichnung für Seepferdchen – nannte.
Als Matrose 22 Länder bereist
Bevor er Dichter wurde, war Ringelnatz Matrose, was sich in vielen seiner Verse wiederfindet, denn nicht weniger als 22 Länder hat er bereist, und durch seine Gabe, auch Unscheinbares und vermeintlich nicht Wichtiges in den Blickpunkt zu rücken, gelingt es ihm, Eindrücke zu beschreiben, die auch heute noch von brisanter Aktualität sind. Humor sei, um Ringelnatz zu zitieren, dabei der Knopf, der verhindere, dass einem der Kragen platzt.
Die Zusammenstellung des Programms ist kurzweilig, immer wieder gibt es Zwischenapplaus und Kosariszuk überzeugt mit ihren stimmlichen und mimischen Qualitäten, setzt Pausen gekonnt ein und präsentiert in professioneller Leichtigkeit. Ihr kabarettistisches Können reißt mit und sie schöpft dabei, zur Freude des Publikums, aus den Vollen. Ziegler nutzt sein umfangreiches Repertoire und schafft mit seinen Akkordeonklängen Stimmungen und Atmosphären, welche die Handlung der Texte passend unterstreichen.
In der Pause verwöhnen Gabriele Hönig und ihr eingespieltes Team die Gäste wie gewohnt mit kleinen Köstlichkeiten, diesmal süßes und salziges Gebäck in „Ringel“-Form, denn hier legt Hönig wert aufs Detail: Vortrag und Gaumenfreude wünscht sie sich bei ihren Veranstaltungen im Einklang.
Der zweite Teil des Programms vergeht wie im Flug. Unisono ist das Publikum, welches diesmal nicht mehrheitlich aus Frauen besteht, begeistert, und fordert am Ende Zugaben, die von den Künstlern gerne erfüllt werden. Für Barbara Kosariszuk und Werner Ziegler war es das dritte Gastspiel in Ketsch und am Ende des Abends versichern die beiden: „Wir kommen wieder!“
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