Ketsch. Oberflächlich betrachtet waren es ein paar Tische in der Rheinhallengaststätte, knapp 100 Gäste und Berge aus feinsten Spezialitäten. Doch darüber wölbte sich ein viel größeres Gebäude, das der katholische Diakon Kurt Gredel als die große Ökumene beschrieb. Meist würde darunter ja lediglich der Prozess der Annäherung der beiden christlichen Konfessionen verstanden. Doch in den Augen Gredels und auch seines evangelischen Kollegen, Pfarrer Christian Noeske, sei mit dem Wort Ökumene auch der Islam gemeint. Und, wenn man den Begriff der Abrahamitische Ökumene ernst nehme, auch das Judentum. Hätten die drei monotheistischen Religionen in Gott, der mit Abraham den Bund beschloss, doch ihre gemeinsame Wurzel. Und genau diese sollten hier in der Rheinhallengaststätte beim gemeinsamen Fastenbrechen zelebriert werden.
„Das gemeinsame Fastenbrechen ist ein schönes Signal“, so Bürgermeister Timo Wangler. Würden die Gläubigen den Nichtmuslimen mit dieser Geste doch die Tür öffnen und „uns Einblicke in ihre Religion, ihre Kultur und ihre Traditionen gewähren“.
Keine ganz unwichtige Haltung in Zeiten, in denen kleinste Missverständnisse schnell zu tiefen Gräben würden. Wichtig ist der Integrationsbeauftragte Nicole Verclas das Wissen, das sagte sie kurz vor Beginn der kleinen Veranstaltung im Gespräch mit unserer Zeitung, dass der Islam so friedlich oder so unfriedlich sein könne wie jede andere Religion.
Mit der jüdischen Thora wie der der christlichen Bibel oder dem muslimischen Koran könne man Aggression und Gewalt gegen andere sowohl legitimieren als auch delegitimieren. Und die wichtigste Brücke zu diesem Verständnis sei die Begegnung, das Gespräch und das gemeinsame Essen.
Weswegen das gemeinsame Fastenbrechen weit mehr als nur gemeinsame Nahrungsaufnahme sei. Man könne es gerne als Symbol für das Zusammenstehen und den Zusammenhalt über alle Religionsgrenzen hinweg verstehen. So sagte der verstorben Theologe Hans Küng, am Ende seien die Menschen vor Gott alle zusammen nur Sterbliche mit einem Leben.
Nachdem Verclas die gut 100 Gäste begrüßte, beleuchtete Emine Erkoc, Lehrerin am Karl-von-Drais-Gymnasium in Mannheim den Fastenmonat Ramadan, dessen Bedeutung weit über das hungern hinausgehe. Im Grunde gehe es um eine Besinnung, ein Heraustreten aus dem Alltag, um die eigentlich wichtigen Dinge des Lebens, wie Gemeinschaft oder Ungerechtigkeit, besser in den Blick bekommen zu können. Allzu oft würde diese beim alltäglichen Tun aus dem Fokus geraten. Das Fasten ist eine der fünf Säulen des Islam.
Der Ökonom und Sozialphilosoph Wilhelm Röbke, einer der Väter der sozialen Marktwirtschaft, betonte schon den 1950er Jahren, „die Zentren des Lebens finden sich an den Rändern des Marktes“. Und genau auf diese Ränder soll der Blick gerichtet werden. Ein Gedanke, der in den Augen Erkoc in allen Religionen anzutreffen sei.
Der Verzicht sei dabei eine Art Katalysator, um die Sinne zu schärfen und den Wert des Lebens wahrhaftig ermessen zu können. Derjenige, der den Wert des Lebens erkenne, da waren sie sich sicher, empfinde Dankbarkeit und erkenne auch die Notwendigkeit, sich gegen Ungerechtigkeit und Armut zu erheben. Der Ramadan als Wette darauf, dass der Mensch sich bessern kann und damit am Ende alles besser werde. Es ist ein Ansatz, so Gredel, der sich auch im christlichen Fastengebot für die 40 Tage vor Ostern wiederfände. Auch hier gehe es um das Bewusstsein für das Zuviel, den anderen und sogar die Natur. Die Gemeinsamkeiten, so Ersan Dalkilic, seien wirklich offensichtlich.
Nach dem Gebetsruf mit dem Sonnenuntergang um eine Minute nach acht wurde das Buffet eröffnet, das einer kulinarisch Traumreise rund um die Türkei, Kurdistan, Syrien, Afghanistan, Eritrea und Somalia glich. Die Frauen zauberten hier Leckereien auf den Tisch, die zumindest die kleine Welt hier in der Rheinhallengaststätte für ein paar Stunden zu einem fröhlich, freundlichen und wahrscheinlich auch zu einem besseren Ort machten. ske
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