Katholische Kirchengemeinde - Pfarrer Erwin Bertsch rät dringend zur Bildung eines Gemeindeteams / Neuordnung „Pastoral 2030“ mit tiefgreifenden Veränderungen

Eine riesige Pfarrei – das ist „katastrophal“

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Marco Brückl
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Die Ketscher und Brühler sollen sich richtig auf die Neuordnung der Pfarreistrukturen vorbereiten – das liegt Pfarrer Erwin Bertsch am Herzen. © Montalbano

Ketsch/Brühl. Pfarrer Erwin Bertsch hat in der Pfarrgemeinderatssitzung nach eigenen Angaben sehr eindringlich darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Mitglieder dringend Gedanken über die kommende Neuordnung der Pfarreistrukturen machen müssen. Bis 2025/26 ist in der Erzdiözese Freiburg geplant, dass aus den 224 vorhandenen Seelsorgeeinheiten 36 werden (wir berichteten ausführlich). Das Projekt „Pastoral 2030“ mit dem Ziel der Pfarreientwicklung, gehört zum Gesamtprojekt „Kirchenentwicklung 2030“, das Erzbischof Stephan Burger Anfang 2019 angestoßen hat. Für die Seelsorgeeinheiten Schwetzingen, Hockenheim und Brühl-Ketsch bedeutet das, dass alle sich zu einer Pfarrei zusammenfinden sollen.

Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt Erwin Bertsch, dass die Pfarrei als kirchenrechtliche Größe mit der Kirchengemeinde als Körperschaft übereinstimmen müsse – so wolle es das Kirchenrecht. Angesichts der künftigen Raumzuschnitte, die den früheren Dekanaten Wiesloch und Schwetzingen, die 1976 zum Dekanat Wiesloch zusammengeführt worden waren, entsprechen, bedeutet dies, dass die acht Pfarreien der Seelsorgeeinheiten Hockenheim (mit Reilingen, Alt- und Neulußheim), Schwetzingen (mit Oftersheim und Plankstadt) und Brühl-Ketsch zu einer Großpfarrei verschmelzen sollen. Das Dekanat als solches werde es dann voraussichtlich nicht mehr geben.

Wer entscheidet im Konfliktfall

„Eine Pfarrei muss laut Kirchenrecht von einem Priester geleitet werden“, sagt Erwin Bertsch. Es laufe also darauf hinaus, dass es bei heute drei Pfarrern einen leitenden Pfarrer geben werde. Wer das sein wird, sei noch nicht entschieden. Ein Geschäftsführer, so wolle es Erzbischof Burger – werde dann die gesamte Haushalts- und Vermögensverwaltung übernehmen.

Trotzdem bestehe die Gefahr, dass dabei kaum noch Zeit für die Schäfchen bleibe, es überwiege vielmehr die Verwaltungsarbeit. Außerdem sei ja die Frage spannend, mit welchen Kompetenzen der Geschäftsführer ausgestattet werde. Wichtig sei auch das Verhältnis von leitendem Pfarrer und Geschäftsführer: Wer entscheidet im Konfliktfall? Und Letzterer müsse natürlich Kirche verstehen und statt Gewinnmaximierung sei die Frage vorherrschend, was braucht die Seelsorge?

Pfarrer Erwin Bertsch macht kein Hehl daraus, dass er die jetzt geplanten Veränderungen „katastrophal“ findet. Dabei könnte es ihm ja eigentlich egal sein. Wenn man so will, ist er fein raus. Denn im September wird der Pfarrer 65 Jahre alt und wird so im Zielzeitraum 2025/26 nicht mehr aktiv sein. Aber er sagt auch: „Als Priester bist du nie richtig weg.“ Nur wird er sich dann eben aussuchen können, was er noch übernehmen wolle.

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kaba
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Nichtsdestotrotz ist ihm wichtig, dass sich die Brühler und Ketscher Katholiken gut auf die neue Struktur vorbereiten können. Die Seelsorgeeinheiten Schwetzingen (12 455), Hockenheim (11 335) und Brühl-Ketsch (9286) haben Stand heute zusammen 33 076 Gläubige. Und in Zukunft auch einen gemeinsamen Pfarrgemeinderat. Der werde sich nicht um jedes Detail kümmern können. Sofern sich die Größe des neuen Pfarrgemeinderates an der Größe seiner Einheiten bemesse, werde wohl Brühl-Ketsch im Vergleich zu Schwetzingen und Hockenheim weniger stark vertreten sein. Umso wichtiger sei es dann künftig, so Bertsch, ein Gemeindeteam vor Ort zu haben, das sich um die hiesigen Belange kümmere. Bislang sehe der Pfarrgemeinderat diese Notwendigkeit nicht – und noch ist ja mit Bertsch auch ein eigener Pfarrer vor Ort.

Erwin Bertsch macht noch eine andere Rechnung auf. Derzeit hat die Seelsorgeeinheit Brühl-Ketsch 4,1 Stellen besetzt. Das werde auf jeden Fall weniger. Nach dem diözesanen Stellenschlüssel werde für rund 3000 Gläubige mit einem hauptamtlichen Mitarbeiter gerechnet. Das mache für die neue Großpfarrei dann insgesamt elf Hauptamtliche aus. Die Frage sei am Ende, ob Gemeinde- und Pastoralreferenten territorial verteilt werden oder bestimmte Aufgaben in der Großpfarrei insgesamt beackern.

Gebäudekonzeption wichtig

Neben der Wichtigkeit, ein Gemeindeteam zu formieren, weist der katholische Pfarrer Erwin Bertsch darauf hin, dass sich der Pfarrgemeinderat auch um die Gebäudekonzeption kümmern müsse. Brühl-Ketsch verfüge über zwei Gemeindehäuser, die eigentlich um zwei Drittel zu groß seien. Das Pfarrzentrum in Brühl und das Pfarrheim in Ketsch müssten zukunftsfähig aufgestellt werden. Daneben sei die Orgel in der Kirche St. Sebastian marode. Eine Generalsanierung könne mit 300 000 Euro veranschlagt werden.

Bei der Schutzengelkirche in Brühl gebe es schon konkrete Pläne. In drei Abschnitten solle der Chorraum vorgezogen werden, eine neue Heizung installiert und unter der Empore ein Glaskasten eingebaut werden, der Raum für anderweitige Nutzung biete. Sofern die Kirche St. Sebastian eine neue Orgel erhalte, sei es denkbar, dass sie als Konzertkirche genutzt werden könnte. Für einen Gottesdienst in der Woche, wovon in der neuen Großpfarrei auszugehen ist, sei sie ohnehin zu groß. Vielleicht müsse das viel zu große Pfarrheim daneben in die Kirche integriert werden – kein abwegiges Szenario.

Im Pfarrzentrum in Brühl sei ein relativ großer Teil im Kellergeschoss und im Erdgeschoss der Saal der Bläserakademie zur Verfügung gestellt worden. Und eine Vermietung der Kirche St. Sebastian beispielsweise an die Musikhochschule Heidelberg wäre dann denkbar, wenn sie die Bedingungen als Konzertkirche erfülle.

Viele Priester gehen in Pension

Der Druck für Veränderungen sei da, das weiß Erwin Bertsch. Es komme eine Pensionierungswelle auf die Diözese zu. Die Jahrgänge, die alsbald bis 2025/26 in Pension gingen, waren zahlenmäßig noch stark. „Wir waren 1983 bei der Weihe über 20 Priester – die scheiden bald alle aus dem aktiven Dienst aus.“ Es sei für den Bischof die Frage zu beantworten, ob er in den nächsten zehn Jahren noch genügend Priester finden könne, die fähig und gewillt seien, eine solch große Pfarrei zu leiten. Das, so glaubt man, ist bei 36 Pfarreien wahrscheinlicher als bei über 200.

Starke Austrittswelle

Daneben: „Es gibt eine starke Austrittswelle. 2020 sind bei uns in Brühl und Ketsch 125 Menschen aus der Kirche ausgetreten. Nach den ersten Monaten in 2021 sind es bereits weitere 54.“ Pfarrer Erwin Bertsch weiß, dass sich die Kirche an vielen Stellen von gesellschaftlichen Gegebenheiten entfernt hat. „Manche gesellschaftliche Errungenschaften und Werte – beispielsweise Gleichberechtigung und Demokratie – sind bei der Kirche nicht zu finden“, sagt Bertsch – und er bedauert das.

Auf Reformen warte man aber vergeblich. Stattdessen würden an der Spitze der katholischen Kirche ein paar alte Männer wahrgenommen, die Entscheidungen träfen, die für normale Leute nur schwer oder gar nicht nachzuvollziehen seien.

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