Ketsch. Eigentlich sollte es bereits im Juli losgehen mit dem Bau des großen Logistikzentrums samt neuer Firmenzentrale des Sportartikelhändlers "21sportsgroup". Doch auch Ende August liegt die große Wiesenfläche am Rand des Gewerbegebiets Süd noch völlig verlassen da, lediglich ein langer Bauzaun windet sich seit einigen Wochen um das gesamte Gelände. Die Sonne brennt auf das riesige rechteckige Areal, auf dem im März eine dreigliedrige Halle mit rund 30 475 Quadratmetern Grundfläche sowie rund 2400 Quadratmetern Büro- und Sozialflächen stehen soll. Der Grund dafür ist ein possierlicher kleiner Vogel, der im Schnitt nur etwa 18 Zentimeter groß wird: die Haubenlerche.
Auf Nachfrage bestätigen sowohl die "21sportsgroup" als auch der Projektentwickler Panattoni Europe und die Gemeindeverwaltung, dass es derzeit noch naturschutzrechtliche Probleme gibt. Der seltene Vogel, der auf der "Roten Liste" steht und nach dem Bundesnaturschutzgesetz zu den streng geschützten Arten zählt, soll in dem Gebiet gesichtet worden sein. Und damit ist der bisherige Zeitplan erst einmal hinfällig.
Baufreigabe bereits erteilt
Die Gemeinde erklärt auf Nachfrage, dass die Baugenehmigung für das Vorhaben der "21sportsgroup" bereits am 19. September vergangenen Jahres erteilt worden sei. Die daran anschließende Baufreigabe sei nach Erledigung der baurechtlichen Auflagen, insbesondere der Statikprüfung, am 9. August dieses Jahres erteilt worden, so Hauptamtsleiter Ulrich Knörzer. "Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens wurde eine umwelt- und artenschutzrechtliche Einschätzung verlangt und vom Bauherrn vorgelegt", erklärt Knörzer die genauen bürokratischen Abläufe. "Die sich hieraus ergebenden Forderungen sind in die Auflagen zur Baugenehmigung aufgenommen worden. Erst nach Erteilung der Baugenehmigung wurden Hinweise bekannt, nach denen in diesem Gebiet Brutgelege der Haubenlerche gesichtet worden sein sollen."
Da es sich bei der Vogelart um eine besonders geschützte Art handelt "könnte damit der Tatbestand des Paragrafen 44 des Bundesnaturschutzgesetzes gegeben sein", so der Hauptamtsleiter. Und weiter: "Sollte dies der Fall sein, wäre eine Ausnahme nach Paragraf 45 des Bundesnaturschutzgesetzes notwendig, die das Regierungspräsidium Karlsruhe erteilen müsste. Die diesbezügliche Entscheidungsfindung soll noch in dieser Woche abgeschlossen werden."
Mit einer baldigen Lösung rechnet auch die "21sportsgroup": "Wir gehen davon aus, dass wir in Kürze loslegen können", sagte gestern Geschäftsführer Dr. Henner Schwarz im Gespräch mit unserer Zeitung. Allerdings sei das die alleinige Entscheidung der Behörden. Die Verzögerungen seien immerhin noch im Rahmen. "Wir sind gerade noch so im Zeitplan", erklärte Schwarz. "Aber wir haben jetzt quasi keinen Puffer mehr."
Eine Ausnahme von den Umweltschutzrichtlinien wäre darüber hinaus nicht ohne Ausgleich für die Natur möglich. Die Bauherren müssten "adäquate Brutflächen" für die Haubenlerche in "unmittelbarer Umgebung" sicherstellen, heißt es dazu aus dem Rathaus.
Direkt an das zukünftige Gelände des Sportartikelhändlers angrenzend sind seit Mitte des Monats allerdings bereits Bagger im Einsatz. Doch die Arbeiter errichten hier keine Zufahrt für das Logistikzentrum, sondern erschließen im Auftrag der Gemeinde das (deutlich kleinere) Gebiet, in dem örtliche Gewerbetreibende Bauplätze erhalten können. Diese Ergänzung zum Projekt der "21sportsgroup" war von Anfang an Teil des Entwicklungskonzepts für das Gewerbegebiet Süd. Doch wieso dürfen hier die Bagger rollen, während sie direkt nebenan weiter ruhen müssen? "Die Erschließungsmaßnahme basiert auf den Bestimmungen des Bebauungsplans und bedarf keiner Baugenehmigung", erklärt Hauptamtsleiter Ulrich Knörzer. Der Baubeginn am 14. August dieses Jahres liege dabei deutlich nach der Brutzeit der Haubenlerche.
Fest für Anwohner und Mitarbeiter
"Auch wurde das Gelände unmittelbar vor Einrichtung der Baustelle begangen, um sicherzustellen, dass es zu keiner Störung oder Gefährdung dort lebender Tiere kommen kann", so Hauptamtsleiter Knörzer. Bis Ende Oktober sollen diese Arbeiten abgeschlossen sein.
Ganz so lange wollen die "21sportsgroup" und Panattoni Europe mit ihrem Baubeginn nach Möglichkeit nicht warten. Mitte September soll es auf jeden Fall schon einmal ein Baustellenfest mit Anwohnern und Mitarbeitern geben. "Wir hoffen jetzt einfach mal, dass wir dann auch schon mit dem Bauen unseres Logistikzentrums loslegen können", so Geschäftsführer Dr. Henner Schwarz.
Die Haubenlerche
Die Haubenlerche (Galerida cristata) gehört zu der Familie der Lerchen. Ihr markantes Kennzeichen ist die Federhaube auf ihrem Kopf.
Die Tiere werden im Schnitt rund 18 Zentimeter groß und rund 45 Gramm schwer. Ihr Gefieder ist dunkelgrau gestreift, ihre Unterseite weiß und im Bereich der Flügel rötlich.
Die Haubenlerche fällt auch Laien unter den Singvögeln durch ihren besonders melodiösen Gesang auf.
Die Vogelart ist in weiten Teilen der Welt beheimatet, vor allem zwischen West- und Südwesteuropa bis nach Korea und ans Gelbe Meer.
Als Lebensraum benötigt die Haubenlerche offenes trockenes Grasland, sie siedelt aber auch in Feld- und Randgebieten.
Da es immer weniger passende Brachflächen gibt - einerseits durch intensivere Landwirtschaft, andererseits aber auch durch verstärkte Begrünung und Renaturierung -ist ihr Lebensraum stark eingeschränkt.
Die europäische Gesamtpopulation ist seit 1980 um rund 98 Prozent geschrumpft. In Deutschland wird die Haubenlerche als "vom Aussterben bedroht" auf der "Roten Liste" geführt. beju
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