Grillhütte - Familie beschwert sich über Belästigungen / Lärm kann krank machen / Verwaltung erkennt kein Problem

„Heute wird einem gleich gedroht“

Von 
Benjamin Jungbluth
Lesedauer: 
Eine stille Idylle, weil wegen Corona in diesem Jahr geschlossen: Die Grillhütte ist beliebt für ausgelassene Feste, was Anwohner mitunter stört. © Jungbluth

Ketsch. In diesem Sommer ist es ungewöhnlich ruhig rund um die Grillhütte der Gemeinde am südlichen Ortsrand: Wie berichtet, wird die Einrichtung mit Platz für rund 120 Besucher die komplette Saison über nicht vermietet. Grund sind Bedenken der Verwaltung, die Corona-Maßnahmen könnten nicht eingehalten werden. An den heißen Hochsommerabenden sollten derzeit also nur die Heuschrecken aus dem benachbarten Naturschutzgebiet „Karl-Ludwig-See“ zu hören sein und ansonsten Frieden herrschen. Und doch hat uns nach unserem Artikel über die Corona-Zwangspause eine Leserzuschrift erreicht, in der sich Anwohner über die Lärmbelastung in normalen Zeiten – also in den Jahren zuvor – beschweren.

Die Leser wollen nicht namentlich in der Zeitung genannt werden – sie berichten von Anfeindungen in der Vergangenheit, immer wenn sie sich über den Lärm öffentlich mokiert hätten. „Uns wurde schon der Autospiegel abgetreten und Hundekot vor die Tür gelegt. Wir wollen deshalb anonym bleiben“, erklären sie. Ihren Unmut über den aus ihrer Sicht unerträglichen Lärm wollen sie aber mitteilen.

„Wir wohnen seit Jahrzehnten im südlichen Wohngebiet, das etwa 600 Meter von der Grillhütte entfernt liegt. Früher gab es weniger Probleme, aber seit einigen Jahren werden dort regelmäßig große Musikanlagen aufgebaut und beschallen den Ort bis tief in die Nacht“, sagen sie. Lange Zeit habe man mit den Feiernden noch reden können, wenn es zu laut war. „Heute wird einem gleich mit Gewalt gedroht“, sagen die Betroffenen.

Aus ihrer Sicht müsste die Gemeinde härter durchgreifen. „Es gibt inzwischen strenge gesetzliche Regelungen, weil Lärm krank machen kann. Und ab 22 Uhr muss Nachtruhe herrschen. In Brühl steht das explizit in der Benutzungsordnung für die dortige Grillhütte“, sagen sie. Tatsächlich führt die Hufeisengemeinde das Thema dort in einem eigenen Absatz auf. Wörtlich heißt es in der Brühler Verordnung: „Musikdarbietungen aus Rundfunk- und Fernsehgeräten, Lautsprecher, Tonwiedergabegeräten und Musikinstrumenten dürfen nur in solcher Lautstärke betrieben oder gespielt werden, dass andere nicht erheblich belästigt werden. Dies gilt insbesondere, wenn die Geräte oder Instrumente bei offenen Fenstern oder Türen, im Freien, im Pavillon oder in Kraftfahrzeugen betrieben werden. Musikdarbietungen mit Verstärkern sind nach 22 Uhr nicht erlaubt. Anzeige wg. Ruhestörung droht!“

Die Polizei rufen

Bei der Ketscher Grillhütte wird auf das Thema nicht in dieser Deutlichkeit hingewiesen. Doch Bürgermeister Jürgen Kappenstein betont, dass die Lärmschutzvorgaben selbstverständlich trotzdem eingehalten werden müssten. „Da gibt es keinen Unterschied zu Brühl. Und wer sich spätabends von Lärm gestört fühlt, darf selbstverständlich die Polizei rufen“, erklärt Kappenstein.

Doch gleichzeitig betont der Bürgermeister, dass die Gemeindeverwaltung bei der Grillhütte kein Lärmproblem erkennen kann. Es habe in den vergangenen Jahren nicht nur keine Häufung von Beschwerden gegeben – es sei überhaupt nur eine Familie, die sich deswegen immer wieder melde.

„Deren Beschwerden richten sich gegen die Grillhütte, aber auch gegen die Hohwiese und andere Orte und Veranstaltungen im Ort. Und da muss ich als Bürgermeister dann auch irgendwann sagen: Natürlich wird es mal lauter, wenn andere Menschen feiern, das gehört eben dazu. Solange aber die Lärmwerte insgesamt eingehalten werden, kann man sich nicht bei jeder Gelegenheit darüber aufregen und den anderen Bürgern ihr Recht streitig machen, sich zu treffen und auch mal ausgelassen zu feiern“, macht Jürgen Kappenstein deutlich.

„Wenden uns an den Verursacher“

Die Verwaltung gehe grundsätzlich jeder Meldung nach – und wenn nach einer Feier mehrere Beschwerden von unterschiedlichen Bürgern eingehen würden, sei die Sache auch schnell zu klären. „Dann reagieren wir und wenden uns an den Verursacher. Aber wenn ansonsten keine einzige Beschwerde kommt, muss ich doch sehr daran zweifeln, dass das Lärmempfinden dieser Familie im normalen Bereich liegt.“

Die betroffene Familie sieht dies naturgemäß anders. „Es meldet sich nur deshalb niemand außer uns, weil alle wissen, dass sie mit ihrem Anliegen bei der Verwaltung auf taube Ohren stoßen. Da resignieren eben die meisten“, sagen sie. Außerdem gebe es nicht nur die Ketscher Polizeiverordnung, sondern auch eine Freizeitlärm-Richtlinie der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) und eine Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA) als „Allgemeine Verwaltungsvorschrift in der Bundesrepublik Deutschland“.

„Dort werden die zulässigen Grenzwerte in exakten Dezibel-Werten aufgeführt, je nach Tageszeit und Umständen. Aber offensichtlich besteht von Seiten der meisten Mitmenschen und der Gemeindeverwaltung kein Interesse, sich daran zu halten“, beklagen die Anwohner. Dass die Grillhütte in diesem Jahr geschlossen bleibt, ist für sie nur ein schwacher Trost. „Im nächsten Sommer wird es wohl weitergehen mit dem Lärm – wir stellen uns schon jetzt darauf ein.“

Freier Autor Freier Journalist für die Region Heidelberg, Mannheim und Rhein-Neckar. Zuvor Redakteur bei der Schwetzinger Zeitung, davor Volontariat beim Mannheimer Morgen. Neben dem Studium freie Mitarbeit und Praktika u.a. beim Mannheimer Morgen, der Süddeutschen Zeitung, dem SWR und der Heidelberger Studentenzeitung ruprecht.

Copyright © 2025 Schwetzinger Zeitung