Ketsch. Der weltweit tätige Landmaschinenhersteller John Deere ist in konkreten Verhandlungen mit Aldi Süd, um das in wenigen Monaten freiwerdende Firmengelände des Discounter-Riesen im Süden von Ketsch anzumieten. Das bestätigte ein Sprecher des deutschen Ablegers von John Deere unserer Zeitung auf Nachfrage. Gleichzeitig betonte er, dass noch keine endgültige Entscheidung getroffen sei, weshalb konkrete Aussagen zum Stand der Verhandlungen nicht möglich seien.
Angedacht sei aber, das rund 40 000 Quadratmeter Logistikzentrum von Aldi als Lager zu nutzen, um die Kapazität des eigenen europäischen Ersatzteildepots in Bruchsal zu erweitern. Dieses habe John Deere zwar gerade erst erweitert, der Bedarf an zusätzlichen Flächen sei für das erfolgreiche Unternehmen aber weiterhin groß. „Wir haben deshalb auch eine Bauanfrage an die Gemeinde Ketsch gestellt, um eine zusätzliche Nutzung des Gebäudekomplexes von Aldi für andere Zwecke zu prüfen“, so der Firmensprecher. Konkrete Details dazu könnten derzeit aber noch nicht genannt werden.
Allerdings finden sich in den öffentlichen Unterlagen für die nächste Sitzung des Gemeinderates einige weitere Angaben zum geplanten Projekt. Am kommenden Montag, 21. März, soll das oberste Gremium der Gemeinde nämlich über den „Bebauungsplan mit örtlichen Bauvorschriften ,Oftersheimer Heuweg-Erweiterung’“ beraten. In der Beschlussvorlage führt das Bauamt aus, dass die fragliche Fläche das bisherige Logistikzentrum von Aldi samt angrenzender Bereiche umfasst, nicht aber das neuere Verwaltungsgebäude am westlichen Rand, das ohne Planänderung weitergenutzt werden könne.
Das 1968 von Aldi errichtete und 2003 letztmals erweiterte Areal des Logistikzentrums solle künftig von einem „weltweit agierenden Landmaschinenhersteller“ genutzt werden, heißt es in der Beschlussvorlage. Für ein geplantes Ersatzteillager könnten die bisherigen Gebäude ohne größere bauliche Veränderungen übernommen werden. Der Betrieb solle mit einer überschaubaren Anzahl an Mitarbeitern und Anlieferungen ablaufen, heißt es in der öffentlichen Vorlage. Konkret schreibt die Verwaltung von fünf bis zehn Lkw pro Tag und zwölf bis 15 Mitarbeitern.
Showroom zur Präsentation
Zusätzlich sei geplant, ein Schulungs- und Trainingszentrum zu errichten, das durch einen Anbau an die Bestandsgebäude und auf bisherigen asphaltierten Freiflächen entstehen soll – und eben dies mache rechtlich einen neuen Bebauungsplan notwendig. Neben einem Showroom zur Präsentation von Produktneuheiten an der Nordfassade seien mehrere Schulungswerkstätten am nördlichen Rand der Ostfassade vorgesehen. Eine neue Kalthalle südlich des Showrooms an der Ostfassade solle die Lagerung und Unterstellung von witterungsempfindlichen Gerätschaften und Maschinen sowie Ersatzteilen ermöglichen, heißt es in der Beschlussvorlage für den Gemeinderat.
John Deere in Deutschland
- Der weltweit tätige Landmaschinenhersteller John Deere ist die Hauptmarke des US-amerikanischen Industrieunternehmens Deere & Company und wurde 1837 gegründet. Mit weltweit mehr als 73 000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 39,2 Milliarden US-Dollar (2019) ist er einer der führenden Hersteller von Landtechnik. Die deutsche Tochter heißt offiziell John Deere Walldorf GmbH & Co. KG. Weitere Standorte in der Region sind Mannheim und Bruchsal.
- Mit einem Umsatz von 4,9 Milliarden Euro (2020) ist John Deere nach eigenen Angaben der größte Landtechnikhersteller in Deutschland. Rund 6400 Menschen arbeiten in Deutschland für das Unternehmen, fast die Hälfte davon in Mannheim.
- 2020 fertigte John Deere in Deutschland nach eigenen Angaben rund 28 000 Traktoren, 2525 Mähdrescher und Feldhäcksler sowie 30 575 Kabinen.
Um diese neuen Nutzungen zu ermöglichen, soll die überbaubare Grundstücksfläche im neuen Bebauungsplan Richtung Norden um bis zu 25 Meter und Richtung Osten um 30 Meter ausgedehnt werden. In der Höhe soll es nur minimale Änderungen geben, so die Vorlage des Bauamtes. Bestehende Grünflächen sollen nicht bebaut werden dürfen, es gebe also keine neue Bodenversiegelung.
Dies gilt auch für die Schaffung zusätzlicher Stellplätze für Autos, die auf den bisher von Lkw genutzten Parkflächen im Süden entstehen sollen. Die Zufahrt von Besuchern würde also über den Oftersheimer Heuweg und nicht etwa über die Karlsruher Straße erfolgen.
Ob alle diese Pläne am Ende auch tatsächlich umgesetzt werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt allerdings unklar. Der amtliche Bebauungsplan zeigt lediglich die Maximalgrenzen künftiger Bebauungen auf und schafft damit eine Grundlage für die Verhandlungen zwischen John Deere und Aldi Süd – und eben diese sind bislang noch nicht abgeschlossen.
Der Discounter teilt auf Anfrage lediglich mit, dass es Gespräche zwischen beiden Unternehmen gebe. Gleichzeitig bleibe es beim geplanten Ende für den Standort Ketsch: Zum 30. April werde die Logistik aufgelöst, zum 30. Juni dann die Verwaltung. Für die rund 275 betroffenen Mitarbeiter – die sich auf etwa 180 Vollzeitstellen verteilen – endet dann die Ära von Aldi Ketsch, die vor mehr als 50 Jahren als eine der ersten Regionalgesellschaft des Unternehmens gegründet worden war.
„Aktuell sind noch mehr als die Hälfte unserer Mitarbeiter in Ketsch im Einsatz. Viele haben bereits neue Anstellungen gefunden und starten bei ihren neuen Arbeitgebern teilweise zeitnah oder direkt nach der Einstellung unseres Geschäftsbetriebes. Etwa 30 Mitarbeiter werden bei Aldi an anderen Standorten weiterarbeiten“, erklärt Martin Pfeifle, Leiter der Logistik bei Aldi Ketsch.
Auf Firmenwünsche eingehen
Im Rathaus werden alle diese Entwicklungen nicht weiter kommentiert – von den beteiligten Unternehmen sei um Stillschweigen gebeten worden. Bürgermeister Jürgen Kappenstein zeigt sich allerdings froh über die Pläne, über die der Gemeinderat am kommenden Montag abstimmen soll. „Wir als Gemeinde versuchen, auf die Wünsche der Firmen bestmöglich einzugehen, und hoffen, dass die Verhandlungen positiv verlaufen. Gerade die im Entwurf des Bebauungsplans genannten niedrigen Anlieferungszahlen und die Erschließung aus Süden über den Oftersheimer Heuweg wären für die Anwohner und unsere ganze Gemeinde natürlich ideal“, so Bürgermeister Jürgen Kappenstein.
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