Ketsch. Wer behauptet, das Kino im Allgemeinen sowie Lichtspielhäuser im ländlichen Raum im Speziellen wären tot, der war mit Sicherheit noch nie im Ketscher Central. Hier finden neben einem mit viel Empathie ausgewählten Kinoprogramm das ganze Jahr über auch Sonder- und Kleinkunstveranstaltungen statt. Dass das so gut läuft, ist das Verdienst des Ketscher Kinovereins, der mit großem Engagement seit nunmehr zwölf Jahren das Kino betreibt.
Am vergangenen Wochenende hatte der Verein zu einer Sonntagsmatinee geladen. Anlass war die Wiedereröffnung nach mehrwöchiger Schließung, die für die Erneuerung der Vorführtechnik notwendig war. Bei der Übernahme des Kinos 2013 wurde noch mit einem 35-Millimeter-Projektor gearbeitet.
Der musste innerhalb weniger Wochen gegen digitale Vorführtechnik ausgetauscht werden. Angesichts der rasanten technischen Entwicklung sowie der Tatsache, dass Hersteller Sony sich aus dem Segment der Kinovorführtechnik zurückgezogen hat, war nun der nächste Schritt notwendig.
Jetzt zaubert ein 4K-Laser-Projektor die bewegten Bilder in modernster Qualität auf die Leinwand. Nachdem das 170 Kilogramm schwere Gerät durch zwei starke Männer die schmale Treppe hinauf bugsiert worden war, hatten Veranstaltungstechniker Sascha Welter und Uwe Dittes, seines Zeichens IT-affin, alle Hände voll zu tun.
„Die Herausforderung bestand darin, ältere vorhandene Haustechnik mit der neuen Digitaltechnik zu kombinieren und zum Laufen zu bekommen“, erklärte Welter bei einer kleinen Führung. Jetzt laufe alles mehr oder weniger vollautomatisch, vom Licht im Saal bis hin zum Abspann des Filmes.
Die ehemaligen Filmrollen sind längst durch Dateilösungen ersetzt, wobei aktuelle Filme bis zu einem Terabyte groß sein können. Gut, dass es einen Glasfaseranschluss gibt, der ein einigermaßen zügiges Downloaden möglich macht. Übrigens sei es nicht möglich, die Filme daheim auf dem Laptop zu schauen, denn die Kinos bekommen vom Verleiher zum Abspielen und Vorführen einen digitalen zeitlich begrenzten Schlüssel, der dafür notwendig und nur am Projektor abrufbar ist.
Auch die alten Projektoren haben noch ein neues Zuhause bekommen. Für den historischen 35-Millimeter-Projektor gab es gleich mehrere Interessenten, wobei der Brühler Heimatverein da das Rennen gemacht hat. Und der ausrangierte Sony-Projektor dient jetzt als möglicher Ersatzteilspender im Mannheimer Cinema Quadrat.
Doris Steinbeißer und Gabriele Hönig freuten sich, dass etliche Kinofans der sonntäglichen Einladung gefolgt waren. Selbstverständlich gab es auch einen Vorgeschmack auf das geplante Kinoprogramm im September und Oktober. Die gezeigten Trailer machten auf Abenteuer-, Dokumentar- und Actionfilme ebenso neugierig wie auf Kino für die ganze Familie. Da flog Antoine de Saint-Exupery durch die Anden, Leonora Carrington malte surreale Bilder, es wurden Drachen gezähmt und die Schlümpfe tauchten die Leinwand in quirliges Blau.
Zu jedem guten Kinofilm gehört natürlich auch die passende Musik. Bei der Matinee sorgte Pianist und Tontechniker des SWR Matthias Müller mit Evergreens und bekannten Soundtracks wie „The Pink Panther“, „The Entertainer“, „Der Pate“ oder „Moon River“ für die passende Stimmung. Der leidenschaftliche Musiker, der auch in zahlreichen Bands engagiert war und ist, hat in Ketsch schon die musikalische Begleitung zu Stummfilmen geliefert und ist seit neuestem vorwiegend in Landau als Straßenmusiker unterwegs.
Bemerkenswert ist das Engagement der Kinobetreiber für das sonst so vernachlässigte Genre des Kurzfilms. „Kurzfilme kommen im Kino in der Regel zu kurz“, konstatiert Steinbeißer. Bei den drei gezeigten Filmen „Das grüne Schaf“, „The Beauty“ und „Skateboarden“ wird deutlich, was sich alles in Kurzfilmen ausdrücken und umsetzen lässt.
Mit viel Kreativität und einer gehörigen Portion hintergründigem Humor wurden in diesen zum Teil mehrfach ausgezeichneten Beiträgen die Themen der aktuellen Zeit auf ganz eigene Weise umgesetzt. Das macht Lust auf einen voraussichtlich am kürzesten Tag des Jahres im Dezember geplanten Abend der Kurzfilme.
Der umtriebige Verein hat für die kommende Spielzeit allerdings noch einiges mehr im Köcher. Im September gehen sie mit „Ketsch History“ auf lokale Spurensuche. Zum ersten Mal wird es als Ergänzung zur Geschichte des Münchner Giesinger Bräu ein Weißwurstfrühstück im Kino geben. Auch verrückten Entwicklungen in der Kinolandschaft stehen die Ketscher offen gegenüber – und so startet im Oktober das erste Strickkino-Event.
Die seit 2004 laufende Reihe Kirchenkino erfährt mit „Gott“ von Ferdinand von Schirach und anschließender Diskussion genauso eine Fortsetzung wie der beliebte Mädelsabend, bei dem es ein „Freakier Friday“ wird. Halloween hat mit „The Rocky Horror Picture Show“ (Reis werfen ist allerdings verboten) genauso einen Platz im Terminkalender wie der 100. Geburtstag von Filmlegende Marilyn Monroe, an die von Jutta Werbelow erinnert wird. Dank des vielfältigen Einsatzes der zirka 240 Vereinsmitglieder bleiben die 170 Kinositze wohl auch in den kommenden Monaten und Jahren nicht leer.
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