Im Interview

Turnskandal: Mannheims Stützpunktleiter Fichtner äußert sich

Der Leiter des Bundesstützpunkts Turnen in Mannheim, Joachim Fichtner aus Ketsch, nimmt im Gespräch mit unserer Zeitung Stellung zu den aktuellen Entwicklungen.

Von 
Andreas Lin
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Joachim Fichtner äußerst sich zur aktuellen Entwicklung. © Fichtner

Die Veröffentlichungen von Deutschlands Ausnahmeturnerin Elisabeth Seitz über die Missstände während ihrer Zeit am Bundesstützpunkt Mannheim sorgten in den vergangenen Tagen bundesweit für Schlagzeilen. Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht Bundesnachwuchstrainerin Claudia Schunk, die bis 2017 Cheftrainerin in Mannheim war und auch heute immer noch gelegentlich dort trainiert. Am Mittwochabend äußerte sich der Leiter des Stützpunkts, Joachim Fichtner (Ketsch) auf Anfrage unserer Zeitung.

Was sagen Sie zu den Vorwürfen von Elisabeth Seitz über die Missstände am Mannheimer Stützpunkt?

Joachim Fichtner: Natürlich war ich persönlich erstmal total entsetzt und musste das sacken lassen. Wenn du so etwas in einer ARD-Sportschau siehst, ist das wie eine schallende Ohrfeige, als Verantwortlicher an unserem Stützpunkt. Nach einer schlaflosen Nacht musst du ja aber versuchen, solche Vorwürfe sachlich zu bewerten.

Hatten Sie von ihren Schilderungen Kenntnis?

Fichtner: Nein - ganz klar nicht. Aber natürlich werden wir sämtlichen Vorwürfen im Detail nachgehen. Auch wenn diese über zehn Jahre zurückliegen.

Haben diese Veröffentlichungen Auswirkungen auf Ihre Zusammenarbeit mit Claudia Schunk?

Fichtner: Der Deutsche Turner-Bund hat eine Aufarbeitung angekündigt, auch von möglichen Missständen, die mehrere Jahre zurückliegen. Claudia Schunk hatte mit uns ein langes Gespräch, in dem sie uns mitteilte, dass ihr der Mannheimer Stützpunkt sehr am Herzen liegt und es ihr wichtig ist, diesen zu schützen. Vor allem jetzt, nachdem es hier so viele positive Veränderungen gegeben hat. Daher möchte sie erstmal nicht weiter nach Mannheim in die Trainingshalle kommen, bis die Vorwürfe gegen sie aufgeklärt sind. Das komplette Trainerteam als auch unsere Athletinnen bedauern diese Entscheidung sehr, wir haben zugleich aber auch größte Hochachtung. Als Stützpunktleiter kann ich meine bisherige Aussage nur wiederholen: Gerade Claudia Schunk ist das beste Beispiel, dass man sich auch als erfahrene Trainerin neu erfinden kann und Werte umsetzt, die früher nebensächlich waren.

Das ist Ihr Eindruck?

Fichtner: Da ich fast täglich in der Trainingshalle bin und auch von meinem Arbeitsplatz direkt in die Trainingshalle schauen kann, erlaube ich mir da persönlich eine dementsprechend positive Einschätzung. Sie ist zwar streng, aber dafür auch extrem positiv motivierend und zeigt jederzeit viel Empathie im Umgang mit den Athletinnen. Gerade auch im Zusammenhang von Verletzungen. Zudem nehme ich Claudia vor allem in den letzten zwei, drei Jahren als sehr selbstkritisch war. Trotzdem sind wir häufig im Austausch und besprechen auch mal Situationen in der Halle, die es vermutlich in jeder Sporthalle gibt.

Am Mannheimer Stützpunkt wurden viele positive Veränderungen vorgenommen. Gibt es trotzdem Eltern und Athletinnen, die Kritik üben?

Fichtner: Ja selbstverständlich. Und das ist ja auch gut so. Konstruktive Kritik ist wichtig. Nur so kann man sich immer wieder hinterfragen. Wir haben hier unserer Sportpsychologin und zugleich Vertrauensperson für Athletinnen und Eltern. Aber auch ich spreche häufig mit allen. Problematisch sind dann nur die Dauernörgler. Da wird es halt schwierig herauszufiltern, was tatsächlich angegangen werden muss und was möglicherweise überzogene Kritik ist. Aber trotzdem nehmen wir grundsätzlich jede Kritik ernst und besprechen das im Team. Ich habe schon mehrfach betont, dass da noch viel Luft nach oben ist.

Erwarten Sie, dass Claudia Schunk als Nachwuchsbundestrainerin entlassen oder zumindest vorübergehend freigestellt wird?

Fichtner: Dazu erlaube ich mir keine Stellungnahme. Der Deutsche Turner-Bund ist der Arbeitgeber. Wie bereits gesagt, wird man dort auch die Dinge aus der Vergangenheit aufarbeiten und sicherlich auch genau hinschauen, was heute Sachstand ist. Für eine Einschätzung ist es daher noch zu früh.

Redaktion Stv. Redaktionsleiter + Lokalsportchef Schwetzinger Zeitung

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