„20.000 Arten von Bienen“

Kirchenkino Ketsch zeigt Film über Identität und Selbstfindung – mit Ehrengast

Beim Kirchenkino wird der Film „20.000 Arten von Bienen“ gezeigt – Als besonderer Gast ist Valerie Schnitzer vor Ort. Sie lebt nach einer Transition als Frau.

Von 
Caroline Scholl
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Nach dem Film „20 000 Arten von Bienen“ steht Valerie Schnitzer (l. mit Charlotte D’Auria) den Besuchern im Central Kino für Fragen zur Verfügung und unterzeichnet auch gerne ihre Biografie, die als Buch erschienen ist. © Scholl

Ketsch. Den Sinn des eigenen Lebens entdecken und die eigene Identität zu finden – ein Thema, das Menschen beschäftigt. Doch was bedeutet es, wenn man sich nicht so fühlt, wie es die eigene Familie und der Rest der Welt erwartet? Wie reagiert das Umfeld? Was ist, wenn die Frage auftaucht: Macht es überhaupt Sinn weiterzuleben? Der Film „20 000 Arten von Bienen“, der im Format Kirchenkino im September auf dem Spielplan des Central Kinos Ketsch stand, beschäftigt sich mit diesem Thema – oder besser gesagt mit einer Facette dieses Themas.

Schließlich sei die Frage der eigenen Identität das Individuellste Thema überhaupt. Was bedeutet es, wenn das Geburtsgeschlecht einfach nicht passt? Aitor, der Protagonist des Filmes, kommt als Junge zu Welt, fühlt allerdings vollkommen anders, als das Umfeld es erwartet. Schnell wird deutlich: Aitor ist anders. Für den Achtjährigen wirft dies Fragen und Selbstzweifel auf: Darf dieses „anders sein“ überhaupt sein? Woher kommt es? Geht es weg oder ist es ein Teil von mir?

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Die engste Familie ist überfordert, manchmal an der Grenze und auch wenn Gespräche stattfinden, werfen diese meist nur noch mehr Fragen auf. Für die Erwachsenen ist die Spirale aus moralischen oder religiösen Grundlandschaften, verbunden mit eigenen Zweifeln und generationsübergreifenden Konstrukten oft schwer bis gar nicht zu durchbrechen. Und dann steht da ein Kind, dass zwar geliebt wird und meistens doch alles mit sich selbst ausmachen muss.

„20.000 Arten von Bienen“ im Kirchenkino Ketsch: Ein Schicksal

Im Film wir deutlich, Aitor, auch wenn er noch sehr jung ist, hat keine Wahl. Er muss sein Schicksal selbst in die Hand nehmen. Wohlwollend ist es schließlich die Großtante, die dem Kind zuhört und es ermutigt, seine Identität zu finden. Aitor, der sich im Verlauf des Filmes Lucia nennt, zeigt den Erwachsenen, was sie lernen sollten. Und das, obwohl tagtäglich weitere Fragen zur eigenen Person, der Welt und praktisch zu allem auftauchen.

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„Für mich ist es schwer, in Worte zu fassen, was dieser Film in mir auslöst. Ich habe Gedanken an meine eigene Vergangenheit, vieles tritt aus dem Unterbewusstsein wieder zu Tage und mir wird deutlich, wie sich Zeiten verändert haben, denn damals überhaupt mit jemandem über meine Fragen und Zweifel zu sprechen, dies war einfach nicht möglich“, berichtet Valerie Schnitzer, die im Anschluss an den Film aus ihrem Leben und von ihren persönlichen Erfahrungen berichtet.

„20.000 Arten von Bienen“ im Kirchenkino Ketsch: Eine Notwendigkeit

Sie wurde vor über 60 Jahren als Ralf Schnitzer geboren und beschreibt rückblickend den Weg, auf den sie sich machte, um bei sich und als Valerie Schnitzer anzukommen. Schon früh, so beschreibt sie, ging sie einen ähnlichen Weg wie das Kind im Film. Eine lange Zeit voller Fragen und Selbstzweifel. Ihre finale Entscheidung traf sie schließlich mit Mitte 50, die weniger eine Entscheidung als eine Notwendigkeit war, um überhaupt glücklich leben und weiterleben zu können.

„Für mich persönlich war genau diese Zeit notwendig, deshalb gibt es keine pauschale Antwort auf die Frage, wann ist der Zeitpunkt gekommen, um sich auf den Weg zu machen, dies ist ganz individuell“, so Valerie Schnitzer.

Dass dieser Weg kein Spaziergang in vielen Bereichen war, daran lässt sie keinen Zweifel. Und doch sind es auch berührende, oft unerwartete sehr mutmachende Reaktionen, die Valerie Schnitzer tief in den Gedanken hängengeblieben sind, über die sie gerne erzählt. „Ich beschreibe meinen Weg manchmal so: Stellen sie sich vor, sie stehen an einem Abgrund, der in die Tiefe führt und hinter ihnen rollt eine Feuerwalze auf sie zu. Springen Sie? Ich habe mich dazu entschieden, zu springen, es ging nicht anders, und dann merkte ich plötzlich, dass ich fliegen kann.“ Mit viel Applaus honorierte das Publikum des Kirchenkinos die Offenheit und auch den Mut der Referentin.

Valerie Schnitzer spricht in Ketsch über ihre Transition: „Ein Beispiel für die Menschen“

„Ich habe Hochachtung. Sie sind ein Beispiel für die Menschen, um den eigenen Weg zu gehen“, so Elfie Hemmerich aus Ketsch.

Das nächste Kirchenkino findet am Montag, 20. November, statt. Dann steht der Architekt Antoni Gaudí im Mittelpunkt.

Freie Autorin Freie Journalistin für die Region Rhein-Neckar

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