Heuweg (mit Fotostrecke)

Wunsch nach Haubenlerchenplage in Ketsch

Staatssekretär Dr. Andre Baumann und Experte Andreas Ness führen Exkursion zu Haubenlerchen. In Ketsch wünscht man sich noch deutlich mehr von den Vögeln.

Von 
Volker Widdrat
Lesedauer: 
Achtung: Gerade hat die Brutzeit für die Haubenlerche begonnen. © Widdrat

Ketsch. Eigentlich war es schon recht spät, als die zweistündige Exkursion zu den Haubenlerchen um 9 Uhr startete, denn Ornithologen sind meistens bereits im Morgengrauen auf Beobachtungstour. Grünen-Landtagsabgeordneter Dr. Andre Baumann begrüßte am Oftersheimer Heuweg in Ketsch 25 Teilnehmer zum Ausflug zu den „Punks“ der Vogelwelt. Viel Lob gab es für Bürgermeister Timo Wangler als „Eigentümer“ der Haubenlerchen. Die Enderlegemeinde sei Vorbild beim Schutz der Vögel, meinte Baumann.

Der Vogel mit dem markanten und namensgebenden Kennzeichen einer Federhaube auf dem Kopf und dem dunkelgrau gestreiften Gefieder ist vom Aussterben bedroht und wird auf der „Roten Liste“ geführt. „Artenschutz richtig gemacht, das ist kein Problem“, führte der Staatssekretär aus. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte die Haubenlerche auch bei der Buga-Eröffnung in Mannheim erwähnt.

Haubenlerche in Ketsch: Abwechslungsreicher Gesang

Der störungsempfindliche Bodenbrüter mag es ruhig und trocken. Die Haubenlerche ist sehr stimmfreudig und ihr melancholisch klingender Gesang abwechslungsreich. Haubenlerchen waren die „Trümmervögel“ nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Sie bewohnten die zerstörten Stadtteile. Andreas Ness führte die Gruppe und erläuterte Lebensweise und Lebensraum des seltenen Vogels. Ness ist Geschäftsführer des Planungsbüros IUS Weibel & Ness mit Sitz in Heidelberg und betreut seit einigen Jahren auch die Population auf den Feldern bei Ketsch.

Durch Schutzmaßnahmen soll der Bestand im Landtagswahlkreis als einem Verbreitungsschwerpunkt der Haubenlerche im Ländle vergrößert werden. In Baden-Württemberg gibt es nur 63 Brutpaare. Der Schutz der Haubenlerche sei „Verpflichtung für uns“, stellte Timo Wangler die auf 25 Jahre angesetzte und vom Land geförderte Maßnahme vor, die wissenschaftlich begleitet wird. „Monitorings“ dokumentieren die Bruterfolge der bedrohten Vögel, erläuterte Ness dazu.

Auf dem Areal unweit des Gewerbegebiets Süd waren an diesem Tag immer wieder Exemplare zu entdecken – auf dem Sandboden oder im Flug über die Spargeläcker. Die eingezäunten Flächen für die Haubenlerche umfassen 1,4 Hektar. Die Brutzeit hat erst begonnen, das Nest wird in einer Bodenmulde gebaut. Haubenlerchen bewohnen gerne Felder und Industriegebiete. Im Winter bleiben sie. Dem Menschen gegenüber sind sie gar nicht so scheu. „Nach einiger Zeit sind sie satt und faul“, zeigte Ness verschiedene Reviere im Untersuchungsgebiet.

Das Management des Projekts folgt den Methoden des Artenschutzprogramms der Höheren Naturschutzbehörde beim Regierungspräsidium Karlsruhe. Ness‘ Büro war 2020 mit der Umsetzung beauftragt worden. In den Teilpopulationen erholen sich die Bestände langsam. Start war 2018 mit einem erfolgreichen Brutpaar, das blieb auch 2019 noch so. 2020 waren es dann schon zwei Paare, beide mit Fortpflanzungserfolg, im vergangenen Jahr bereits fünf, die Nachwuchs bekamen. Ziel sei es, die Teilpopulationen wieder auf einem selbsttragenden Niveau zu stabilisieren: „Sechs Brutpaare könnten realistisch sein.“

Haubenlerche in Ketsch: Beim Füttern nicht stören

„Wir haben als Kurpfälzer besondere Verantwortung für die Haubenlerche“, verwies Baumann auf die Maßnahme. Man müsse nur „frühzeitig bei Planungen daran denken“.

Die Haubenlerche kommt mit der Landwirtschaft in Sandgebieten, wie etwa Spargelanbau, gut zurecht. Auch die Nähe des Menschen scheint nicht zu stören. Aber: Spaziergänger und Hunde müssen wegbleiben, vor allem wenn gefüttert wird. Eine unbedachte Reaktion und die Brut sei kaputt, so Ness.

Im Gewann Biblis in Hockenheim kommen auf landwirtschaftlichen Produktionsflächen mehrere Brutpaare vor. Die Stadt Hockenheim beabsichtigt allerdings, dort in Zukunft ein Wohngebiet zu entwickeln und im Dänischen Lager in der Nähe der Hockenheimer Grillhütte funktioniert die Co-Existenz von Landwirtschaft und Haubenlerchen bereits sehr erfolgreich.

Im Ketscher „Epizentrum“ bauen die Vögel ihre Nester auf Spargelböden und in Kartoffeläckern. Man sollte zu Gelegen 50 Meter Abstand halten, empfahl Ness, der die Vögel den acht Revieren zuordnen kann: „Wir wollen sie auf dieser Fläche zur ,Plage‘ machen.“ Baumann sprach über den vermeintlichen Konflikt zwischen Landwirtschaft und Naturschutz: „Es gibt genügend Möglichkeiten. Die Haubenlerche benötigt die Landwirtschaft. Artenschutz behindert nicht, wenn man es richtig macht. Und die Vogelschutzrichtlinien lassen Flexibilität zu.“

Die Gruppe beobachtete ein Haubenlerchen-Männchen, das von der Brut ablenken wollte und nahe der Straße war Reviergesang zu hören. Baumann abschließend: „Ein Standort von allergrößter Bedeutung in der Schwetzinger Hardt als Hotspot der Artenvielfalt.“ Die Haubenlerche sei beileibe kein „Geistervogel“ mehr: „Es gibt sie wirklich.“ Das war zu sehen – und zu hören.

Umweltschutz

So war der Ausflug in Ketscher Haubenlerchengebiete

Veröffentlicht
Bilder in Galerie
10
Mehr erfahren

Freier Autor Volker Widdrat ist freier Mitarbeiter.

Copyright © 2025 Schwetzinger Zeitung