Neulußheim. Samstagmorgen. Frühstück ist rum, Einkaufsliste geschrieben, schnell per App einen Pkw für die Fahrt in den Supermarkt reserviert und los gehts. In der Ortsmitte steht das Fahrzeug – vollgetankt, natürlich mit Ökostrom – mit der App wird es entriegelt und nach dem Einkauf und der Rückkehr an seinen Standort verriegelt, während zugleich die Nutzung ebenfalls per Smartphone verrechnet wird.
Was sich liest wie aus einem Science-Fiction – „Mein smartes Leben“ – ist in der Viersterne-Gemeinde seit Anfang der Woche Realität: Die Ladestation der Firma Deer vor dem Rathaus, dem Anbau in der Kirchenstraße, ist in Betrieb und vor ihren zwei Ladepunkten stehen zwei E-Fahrzeuge, ein Fiat und ein VW, und warten auf Nutzer.
Der eingangs geschilderte Blick in die Zukunft, der für die Gemeinde nun zur Gegenwart wird, muss jedoch gleich an zwei Punkten deutlich geschärft werden: Die zwei Fahrzeuge, der Fiat 500 und der VW Lupo, sind nur vorübergehend in der Gemeinde stationiert. Künftig werden hier zwei VW ID.3 ihren Standort haben – dann, merkt Bürgermeister Gunther Hoffmann bei der Übergabe der Ladestation an, mit dem Logo der Gemeinde versehen und damit auch bei Fahrten quer durch die Republik ein abgasfreier Werbeträger.
Einwegfahrten möglich
Die zweite Anmerkung betrifft wiederum die Fahrzeuge, die zwar künftig ihren Standort in der Gemeinde haben werden, die jedoch zwischenzeitlich unterwegs sein werden. Derweil Fahrzeuge aus anderen Standorten, vielleicht aus Altlußheim, dort hat man das von der Firma Deer angebotene E-Carsharing-Modell gleichfalls auf den Weg gebracht, oder aus Standorten querbeet im Land. Denn das Modell der Firma sieht auch Einwegfahrten vor. Wer beispielsweise nach Stuttgart zum Flughafen will, um den Urlaubsflieger zu erwischen, der kann sein Fahrzeug einfach an der Station am dortigen Airport stehenlassen.
Günstig und schonend
„Billiger geht es kaum“, kommentiert Hoffmann und hat dabei die gesparten Parkgebühren für das eigene Fahrzeug im Sinn, aber auch die fehlende Tankrechnung. Denn bei dem E-Carsharing wird nur die reine Nutzung bezahlt – pro Stunde werden 6,50 Euro in Rechnung gestellt. Der Tagestarif liegt bei 39.90 Euro und tritt automatisch in Kraft, wenn der vom Stundentarif überschritten wurde. Und wer das Wochenende über mobil sein will, für den steht ein Angebot von freitags, 17 Uhr, bis sonntags, 21 Uhr, zur Verfügung, für das 74,90 Euro zu zahlen sind.
Je enger das Netz der mit Fahrzeugen bestückten Deer-Ladestationen geknüpft wird, umso interessanter wird es für einfache Nutzungen und umso wahrscheinlicher die Chance, immer ein verfügbares Fahrzeug in der Nähe zu haben. Auch hierbei hilft wiederum die digitale Technik im Hintergrund.
Wenn der Nutzer sein Reiseziel angibt, weiß die Software, ob es sich um eine Rückkehr an den Standort handelt oder um eine einfache Fahrt an einen anderen Ort. Dann wird versucht, einzelne Fahrten so zu koordinieren, dass es möglichst keine „Leerfahrten“ gibt – wenn doch, muss das Deer-Helferteam ran und die Fahrzeuge zurück in die Startposition bringen. Überwiegend, so Pia Äpple von der Firma Deer bei der Premiere in Neulußheim, ein Job für Studenten oder Rentner. Damit soll erreicht werden, dass die Fahrzeuge spätestens nach vier Wochen wieder an ihrem Standort sind, fügt ihre Kollegin Angelina di Stefano hinzu.
So oder so – die Fahrzeuge der Firma Deer sind stets mit Ökostrom aus 100 Prozent Wasserkraft unterwegs. Dafür, dass nur Ökostrom in die Ladesäulen der Firma Deer kommt, sorgt deren Schwesterunternehmen die Schwarzwald-Energy.
Womit die Firma Deer in den Fokus rückt beziehungsweise deren Intention für die Installation des E-Carsharing-Angebots. „Aufgrund der Verkehrs- und Klimawende benötigen wir Mobilitätskonzepte für die Zukunft. Mehr Mobilität mit weniger Fahrzeugen ist die Herausforderung, damit die Kunden von A nach B kommen, ökologisch und ökonomisch optimiert“, heißt es in einer Selbstbeschreibung von Deer, in der das Teilen von Fahrzeugen als eine Lösung bezeichnet wird, um das Grundbedürfnis nach Mobilität auch im ländlichen Raum flexibel und vollends zu decken.
Tochter der Stadtwerke Calw
Aus diesem Gedanken heraus hat die Energie Calw GmbH (ENCW), dahinter stehen die Stadtwerke Calw und die EnBW, im Jahr 2019 mit der Firma Deer als hundertprozentige Tochterfirma ein dynamisches und innovatives Mobilitätsunternehmen mit Sitz in Calw neu gegründet. Deer widmet sich der Konzeption und Einführung ganzheitlicher, nachhaltiger und digitaler Mobilitätskonzepte. Eines davon ist das E-Carsharing-Modell im ländlichen Raum als Ergänzung zum ÖPNV.
Ein Hightech-Unternehmen, gestützt auf Hightech. Im Prinzip läuft die gesamte Nutzung des Angebots über das Smartphone. Kunden registrieren sich über eine App (deer ecarsharing) und wenn sie freigeschaltet werden, läuft auch die gesamte Bedienung der Fahrzeuge über die App. Von der Buchung bis zur Abrechnung – alles wird per Smartphone schnell und unkompliziert geregelt.
Ein Angebot, von dem nun auch Neulußheim als eine der ersten Gemeinden im Rhein-Neckar-Kreis profitiert. Karlsruhe, Mannheim und Heidelberg zählen schon zum Netz, die Nachbargemeinde Altlußheim hat die entsprechenden Schritte in die Wege geleitet und auch in Reilingen werden Überlegungen in diese Richtung angestellt.
Weshalb Bürgermeister Gunther Hoffmann und Kämmerer Andreas Emmerich nun auf eine möglichst große Akzeptanz hoffen, damit das Modell ein Erfolg wird – nicht zuletzt im Interesse der Natur, des Klimas. Und während sie noch an den Fahrzeugen über die Vorzüge der Elektromobilität fachsimpeln, steht schon der erste Interessent parat und will wissen, wann es denn los geht mit dem E-Carsharing – sofort, so die Antwort: ein verheißungsvoller Auftakt.
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