Neulußheim. Dass es Marco Rima – den selbst ernannten König der Arthrose und Miraculix des Entertainments – „in die Pampa“ verschlagen hat, wie es Jochen Straub, Präsident des Hockenheimer Lions Clubs gewandet in die Schweizer Nationalfarben wenig charmant ausdrückte, lag ausnahmsweise nicht an dem überregional guten Ruf der Vier-Sterne-Gemeinde. Der Schweizer Kabarettist, Comedian und Produzent Rima tat mit seinem Auftritt in der komplett ausverkauften Rolf-Heidemann-Halle vielmehr seinen langjährigen hiesigen Freunden Monica und Siegfried Bleul einen Gefallen.
Damit ermöglichte er Straubs Charity-Gemeinschaft einen sicherlich höchst einträglichen Abend, dessen kompletter Erlös an soziale Projekte fließt – vor allem an das seit 20 Jahren zur „Herzenssache“ der Horan-Wohltäter gewordene Programm „Klasse 2000“. Dieses finanziert Oliver Schmidt von den Lions zufolge Gesundheitsförderung, Sucht- und Gewaltprävention an Grundschulen. Zugleich ließ der Schweizer die Gäste in Neulußheim zweieinhalb Stunden Unterhaltung und Gelassenheit in schweren Zeiten erleben – wie beim Programmtitel „Don’t worry, be happy“ nicht anders zu erwarten.
Plötzlich wird der Tonfall schärfer
Der im Kanton Zug aufgewachsene Schweizer feierte seine ersten Erfolge in den frühen 1980er Jahren vor allem bei den Eidgenossen zusammen mit Marcello Weber im Duo „Marcocello“, mit dem er für das Programm „Juhubilé“ Platin abräumte, bevor er eigene Wege ging. Diese machten ihn 1996 für drei Jahre in der Stammcrew der „Wochenshow“ Ingolf Lücks auch in Deutschland bekannt. Bei seinem Auftritt in Neulußheim plauderte er sich in einer minimalistischen Bühnenshow, die auf Requisite weitgehend verzichtete, an Alltagsthemen zwischen dem durch sein „Feinkostgewölbe“ verursachten Leben als „gravitativ Herausgeforderter“, der Deutschen Bahn mit ihren als „Abfahrtsempfehlungen mit Gleisvorschlag“ enttarnten Fahrplänen nach dem Prinzip von Nena – „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ – und mit einigen eher fragwürdigen Arztwitzen an seinem Alter „zwischen gepflegt aussehen und gepflegt werden“ ab.
Dazwischen wurde der Klamaukkönig auf unbarmherzige Weise politisch und war dann gar nicht mehr der lustige Plauderer: „Nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht“ nahm er mit scharfen Worten die Regierung aufs Korn und traf in einer persiflierten Rede vor dem „hohlen Haus“ die „sehr verkehrten Damen und Herren“ unverhohlen. „Unser Land hat sich inzwischen in eine offene Psychiatrie verwandelt.“
Der plötzlich eintretenden Schärfe nahm er mit einigen Kalauern das Bittere. Wie zuvor schon bei seiner Absage an die gegenwärtige aus seiner Sicht übertriebene „Wokeness“: „Woke ist für einen alten weißen Mann wie mich eine asiatische Gemüsepfanne!“ Sagte es und erinnerte sich mit seinem Publikum, das die aufs Korn genommene absichtliche „political incorrectness“ mehrheitlich als erfrischend „unanstrengend“ empfand, an Zeiten, in denen man sich nicht überlegen musste, ob man „ein Mann ist oder eine nonbinäre Straßenlaterne“.
Ein kabarettistischer Balanceakt
Dem wortgewandten Blödelmeister gelang dabei ein nicht ganz ungefährliches Vabanquespiel zwischen einer zeitkritischen Verhohnepipelung überzogenen Genderwahns und einer aus der Zeit gefallenen Abwehr notwendiger Veränderungen erstaunlich gut, wenngleich sein Rundumschlag gegen „die da oben“ ein wenig zu eindimensional ausfiel und die vorgeschalteten „Warnhinweise“ durchaus berechtigt waren: „So bin ich aufgewachsen, Entschuldigung.“ Da wagt noch einer Blinden- und Altherrenwitze, die nicht alle zünden mögen, die aber eine Brücke schlagen zu einer Zeit, in der Unterhaltung noch der Unterhaltung diente und kein permanentes Statement sein musste – wobei seine Show durchaus ein solches war.
Sie war aber zugleich eine lose Mischung aus – punktuell etwas altbackenen – Gags nach dem Motto „Was soll ich mit einem blinden Hund?“ oder der Erinnerung an den verklemmten ersten Kondomkauf („Fünf Einwohner der Hauptstadt Frankreichs“), gekonnten Pointen wie „Ich werde das Wesen einer Frau verstehen, wenn ich durchschaut habe, warum man eine runde Pizza in eine quadratische Schachtel steckt und in Dreiecken isst“ und sehr viel Komik. Unausweichlich zwang Rimas überspannte Gestik und Mimik zum Lachen, wenn er bei einem Kurs „Phonetische Interpunktion“ die Satzzeichen eines seichten Liebesromans mit den urigsten Grimassen unterstrichen verbalisierte: „Nimm mich ernst! – Habe ich da ein Komma gehört?“ Köstlich waren seine nachgespielte Geschichte um einen – durchaus machohaften – Sprung vom Drei-Meter-Turm, sein Musikstück in Mandarin oder seine Einlage als „Mahatma Garnix“: „Glück ist wie ein Pupsen – wenn man es erzwingt, geht es in die Hose.“
Vor allem aber war Rimas Show der – bisweilen vom höchst erfolgreichen Musik-Produzenten, der 1992 mit seinem Comedy-Musical „Keep Cool“ 500.000 Zuhörer anlockte, musikalisch untermauerte – Aufruf zu mehr Gelassenheit: „Such Dein Zuhaus‘ nicht in der Ferne, alles, was Du brauchst, ist hier – das Paradies sitzt neben Dir“, sang er in einer herzergreifenden Ballade als versöhnliches, zärtliches Ende vor dem stürmischen Beifall und den Zugaberufen. „Vielen Dank für den Applaus – er ist gerechtfertigt!“
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/neulussheim_artikel,-neulussheim-rima-riskierts-in-neulussheim-so-bin-ich-aufgewachsen-entschuldigung-_arid,2338259.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/neulussheim.html