Asylkreis

Asylkreis Oftersheim: „Es gibt viele Erfolgsgeschichten“

Das ehrenamtliche Team aus Oftersheim feiert 35-jähriges Bestehen. Die Hauptverantwortliche Heidi Joos lädt zu diesem Einlass zu einer Reise durch die Höhen und Tiefen der vergangenen Jahrzehnte ein.

Von 
Noah Eschwey
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Zu den zentralen Errungenschaften des Asylkreises zählt das Begegnungscafé. © Eschwey

Oftersheim. Als Angela Merkel in Folge der Flüchtlingswelle im Jahr 2015 den Satz „Wir schaffen das“ sagte, da war wohl den wenigsten bewusst, was alles geschafft werden müsse. Besonders für die Kommunen folgten Monate und Jahre der Herausforderung. Im vergangenen Jahr, fünf Jahre nach dieser berühmten Aussage, läuft die Debatte ungebrochen. Die Bürgermeister vieler Gemeinden gingen auf die Barrikaden, erklärten, dass sie sich im Stich gelassen fühlten. Politiker auf Bundesebene änderten ihren Kurs und passten die politischen Forderungen und Initiativen der Unzufriedenheit auf kommunaler Ebene an.

Auch Oftersheim stand im vergangenen Jahr – wie auch schon die Jahre zuvor – vor großen Aufgaben. Genauer genommen, vor der Unterbringung von rund 100 Geflüchteten. Bürgermeister Pascal Seidel weiß: „Das ging nur, weil wir ein hervorragendes Team haben, sowohl im hauptamtlichen Integrationsbereich als auch beim Asylkreis.“

Heidi Joos (v. l.) arbeitet eng mit der Integrationsbeauftragten der Gemeinde Britta Josupeit zusammen – auch aus Sicht von Bürgermeister Seidel mit beeindruckendem Ergebnis. © Rudeloff

Dank ebenjener Gruppe, die schon lange vor 2015 bestand und gut mit der Gemeinde vernetzt ist, kann Integration in weiten Teilen gelingen. Nun, neun Jahre später, feiern die Ehrenamtlichen Geburtstag – der Asylkreis Oftersheim wird 35 Jahre alt. Im Interview mit dieser Zeitung lädt Heidi Joos, eine der Hauptverantwortlichen des Asylkreises, zu einer Reise durch die vergangenen 35 Jahre ein.

Frau Joos, wie würden Sie die vergangenen 35 Jahre Asylkreis in Kürze beschreiben?

Heidi Joos: Sie waren aufregend, bereichernd, traurig, herausfordernd, überraschend und schön – wenn man gesehen hat, wie Fremde hier Fuß fassen und Heimat finden.

Wie hat sich der Asylkreis über die Jahre verändert, insbesondere mit der Flüchtlingswelle 2015 und dem Ukrainekrieg seit 2022?

Joos: In den 1980er und 1990er Jahren war es ein kleiner Kreis von ungefähr 15 Personen, die damals als Paten den Flüchtlingsfamilien zur Seite gestanden haben. Sie haben mit ihnen die bürokratischen Hürden bewältigt und sie mit unserem Leben hier in Deutschland bekannt gemacht. Aus diesen Kontakten sind oft Freundschaften entstanden, die bis heute fortbestehen – sofern die Menschen hierbleiben konnten. In den Jahren 1998 und 1999 kamen die Asylbewerber nicht mehr in die Gemeinden – es sei denn, sie waren anerkannt – sondern wurden zentral untergebracht. Das war in Schwetzingen im ehemaligen Ausbesserungswerk der Bahn, in der Werkstraße 10. Hier unterstützten dann einige Oftersheimer Asylkreismitglieder die „Flüchtlingsbetreuung Schwetzingen“. 2015 und 2016 war die Angst mancher Bevölkerungsgruppen groß, als sich die vielen Flüchtlinge aus den verschiedenen Kriegsgebieten auf den Weg machten, um in Europa, auch in Deutschland, eine neue Heimat zu finden. Auch in Oftersheim gab es diese Ängste, nachdem der Rhein-Neckar-Kreis im ehemaligen Hotel Hirsch 70 Flüchtlinge und in einer Gewerbehalle im Gewerbepark zusätzlich 260 geflüchtete junge Männer unterbringen wollte und sie dann auch untergebracht hat. Nach einer Bürgerversammlung, zu der Bürgermeister Jens Geiß und der Gemeinderat eingeladen hatten, kamen viele neue ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Asylkreis, zuerst 50, später 80 und zu Hochzeiten 120 Personen. Diese Zahlen wurden nach der Auflösung der Halle wieder kleiner. Dankenswerterweise haben viele Oftersheimer Familien Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Diese lernen wir meistens aber erst kennen, wenn wir von den aufnehmenden Familien auf sie aufmerksam gemacht werden oder wenn wir über das Rathaus von ihnen hören. Wir besuchen sie dann zu Hause, treffen uns mit ihnen beim Begegnungscafé, beim Nikolausabend, in unserem internationalen Garten oder – ganz wichtig – im Deutschkurs, den ehrenamtliche Asylkreismitarbeiter für sie gestalten.

Gibt es eine besondere Erfolgsgeschichte, also eine betreute Person, bei der die Integration perfekt gelungen ist oder Ähnliches?

Joos: Ja, es gibt viele Erfolgsgeschichten, bei denen die Integration gelungen ist. So haben sich verschiedene Familien, die in den 1990er Jahren ankamen, hier in Oftersheim niedergelassen, haben Arbeit gefunden, ein Haus gekauft oder gebaut und ihre Kinder sind hier zur Schule gegangen und haben eine Ausbildung gemacht. Flüchtlinge von 2016, die auch weiterhin in Oftersheim leben, haben auch Ausbildungen gemacht, beispielsweise zum Steuer- und Finanzgehilfen, zum Schreiner, zum Automechaniker, zum Schneider, zum Alten- und Krankenpfleger, zum Rettungssanitäter, zum Busfahrer, zum Friseur, wurden Hausmeister oder sie können hier ihren in der Heimat studierten Beruf wie Apothekerin, Zahntechnikerin oder Elektroingenieur ausüben.

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Veröffentlicht
Von
Lukas Heylmann
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Was ist das Schlimmste, das Sie über die Jahre erlebt haben?

Joos: Das Sterben eines leukämiekranken Flüchtlingskindes oder Familien, die sich hier durch die ganze Bürokratie durchgewurstelt hatten, die Sprache beherrschten und Arbeit gefunden hatten, abgeschoben wurden. Im Umkehrschluss auch, wenn Menschen, denen es hier gut geht, sich nicht um Arbeit bemühen und hier vom Sozialstaat leben. Zum Glück sind das in Oftersheim nur ganz wenige, keine Handvoll.

Was ist das schönste Ereignis, das Sie erlebt haben?

Joos: Schöne Ereignisse sind, wenn Menschen, die schon kurz vor der Abschiebung standen, als Flüchtlinge anerkannt wurden. Wenn Flüchtlinge Prüfungen bestanden haben, Kinder geboren und Wohnungen für sie gefunden wurden. Ein junger Mann hatte es besonders schwer, sich hier zurechtzufinden. Als ich ihn dann nach längerer Zeit zufällig beim Einkaufen traf und er mir erzählte, dass er eine Arbeit gefunden hatte und er sogar Teamleiter werden könnte, war bei uns die Freude groß.

Können Sie etwas zur Zusammenarbeit mit dem Integrationsmanagement der Gemeinde sagen?

Joos: Ja, die Zusammenarbeit mit dem Integrationsbüro ist sehr, sehr gut und wichtig. Britta Josupeit, die Integrationsbeauftragte und Elena Kuchuganova, die Integrationsmanagerin erledigen Dinge, die wir vormals lange Zeit als Ehrenamtliche für die Flüchtlinge alleine zu erledigen hatten. Je nach Bedarf treffen wir uns alle 14 Tage, manchmal auch wöchentlich, zum Austausch und Planen.

Was brauchen Sie für weitere 35 erfolgreiche Jahre?

Joos: Ich bräuchte mehr Lebensjahre! Aber es geht auch ohne mich weiter mit Menschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen.

Wie steht es momentan um den Asylkreis?

Joos: Der Asylkreis hat im Moment 35 Mitglieder. Wir würden uns über weitere Mitarbeiter freuen, die Patenschaften übernehmen oder andere, die sich ganz spontan bei der einen oder anderen Veranstaltung einbringen würden.

Wie kann ihre Arbeit weiter unterstützt werden?

Joos: Wie bisher, durch die Unterstützung der politischen Gemeinde und wenn uns Oftersheimer Möbel, Fahrräder, Kinderspielzeug und Schulsachen anbieten, Dinge, die oft gebraucht werden. Ganz wichtig wären Wohnungen, die man an die Flüchtlinge vermietet, und weitere ehrenamtliche Mitarbeiter.

Volontariat Noah Eschwey ist Volontär in der Lokalredaktion der Schwetzinger Zeitung/Hockenheimer Tageszeitung.

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