Oftersheim. Wann ist man glücklich? Muss erst alles stimmen im eigenen Leben oder kann es doch so viel einfacher sein? Diese Frage hat sich schon jeder einmal gestellt. Der Frankfurter Christof Jauernig ist aus dem Hamsterrad seines aufreibenden Alltags ausgestiegen und aufgebrochen in die weite Welt – auf seiner ganz persönlichen Suche nach Antworten auf diese Frage, wann man eigentlich wirklich glücklich ist. Der ehemalige Unternehmensberater zog nach einem Burnout die Reißleine, kündigte den Job und begab sich ein halbes Jahr lang auf eine Rucksackreise durch Südostasien.
In einem stimmungsvollen Vortrag lud er nun am Dienstagabend im Bürgersaal Oftersheim sein Publikum ein, die kleinen unscheinbaren Glücksmomente des Lebens nicht erklären, sondern spüren zu können. Und sich vor allem gemeinsam daran zu erinnern, was zählt. In sechzig Städten, von Worms, Rostock, Sylt, Schwetzingen bis zur Grenze nach Dänemark, befragte er eintausend Menschen nach deren persönlichen Glückserfahrungen. Daraus entsprangen ein stimmungsvolles Live-Programm sowie mittlerweile drei themenbezogene Bildbände. Als anschauliche Metapher bezog er sich auf die Lebensautobahn, auf der die meisten Menschen rasen. Viele davon getrieben vom Leben und viel zu schnell unterwegs, um den Blick auch mal zur Seite in die Landschaft richten zu können. Das anvisierte Ziel ist der weit entlegene Ort „Glück“, nur bekannt vom Hörensagen.
Erfüllung im Hier und Jetzt finden und bewahren
Jauernig nahm vor zwölf Jahren die Abfahrt von dieser Autobahn direkt zum Rasthof Klinik, wie er es nennt. Vor zehn Jahren gab er den Wagen und die Schlüssel ab und geht nun zu Fuß, wie er – um im Bilde zu bleiben – mit beruhigender Stimme seinen Klinikaufenthalt und die Kündigung beschreibt. „Mein Glück fand ich im Hier und Jetzt, nicht am Ende der Autobahn. Nachdem ich aufgehört hatte, das Leben zu führen, das nicht meins war“, reflektierte er seinen radikalen Lebensumbruch.
Eintausendmal Lebensglück ist der Name seiner multimedialen Lesung, die ein vielschichtiges Mosaik aus offenen Worten, lebensnahen Fotos und passend dazu eingespielter Musik bildet. „Alles, was wir brauchen, ist ein offenes Herz. Wenn der Großstadtdschungel einem den Boden unter den Füßen nimmt, reicht schon ein Blick in die Natur, um wieder die Wurzeln zu spüren und sich zu erden“, gab er als erlebbaren Glücksansatz. In dem gut einstündigen Vortrag projizierte er eindrucksvoll die neun Zutaten der Lebensglücksmomente, nämlich Natur, Beisammensein, Liebe, Leben sowie das Leben zu schätzen, die kleinen Momente, Gegenwart, Kinder, Tun, was man liebt und Mitgefühl.
In dem abgedunkelten Raum waren, musikalisch untermalt, stimmungsvolle Fotos mit Zitaten von Apothekerinnen, Lehrern, IT-Spezialisten, Ärztinnen, Reinigungskräften, Mechanikern, Buchhalterinnen, Podologen, Schülerinnen oder Zahntechnikern in einem Alter von elf bis über achtzig Jahren zu lesen.
Deren Antworten auf die Frage, was sie – bezogen auf das jeweilige Schlagwort – glücklich mache, waren vielfältig. Einige nannten einen Sonnenstrahl auf einem Berg oder den Blick in den funkelnden Sternenhimmel. Andere beschrieben das Genießen der Natur mit all ihren Einflüssen oder das Arbeiten mit den Händen in der Erde. Glück bedeutete für manche auch, mit Freunden tiefe Seelengespräche zu führen oder mit jemandem, den sie mögen, Arm in Arm zu sitzen – ganz ohne viele Worte. Auch das Lächeln des Partners wurde genannt, ebenso wie der Moment, in dem jemand von seinem verstorbenen Sohn träumt. Einige empfanden Glück darin, jeden Morgen aufzuwachen oder nach einem Koma wieder bewusst zu sein. Andere schätzten die Möglichkeit, jeden Tag neu anfangen zu können. Für manche war es der Duft und Geschmack von frisch gebackenem Brot. Ein Lächeln, das ihnen gilt, konnte ebenso Glück bedeuten wie die Lieblingskaffeetasse, die im Schrank steht und nicht in der Spülmaschine – bereit für den ersten Kaffee. Auch der einfache Gedanke, den Moment zu genießen, egal welchen, wurde genannt. Und schließlich beschrieben einige ihr Glück darin, in Ruhe und Frieden zu sein – ohne Angst.
Mit den Augen von Kindern sehen
Jauernig versetzte die Zuhörerinnen und Zuhörer in die Lage von Kindern, in deren Augen die Welt voller Wunder ist. Er beschrieb, dass er erlebte, wie Menschen glücklicher wurden, sobald sie den Kontakt zu ihrem inneren Kind wiederfanden. So folgten weitere, scheinbar banale Momente, in denen das kleine Glück für die Menschen fühlbar groß wurde: ein Kind zu sehen, das die Zunge herausstreckt, um den Regen zu schmecken; barfuß zu tanzen; wunderschöne Augenblicke fotografisch festzuhalten. Daneben wurden auch tiefgreifende Wünsche geäußert, die als Quelle des Glücksempfindens gelten könnten: Wenn es keine Kriege mehr gäbe, wenn die Welt wieder weicher wäre, wenn kein Tier mehr leiden müsste. Jauernig, der sich glücklich schätzt, das, was er liebt, zu seinem Beruf gemacht zu haben, trat nach den nahezu meditativen Bildvorträgen in einen offenen Austausch mit dem Publikum.
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Der Vorschlag einer Dame, damit auch in Schulen zu gehen, weil dort dringend das Fach „Glück“ fehle, komme beispielsweise regelmäßig. Jauernig fasste seine gesammelten Erfahrungen am Ende klar zusammen: „Was das Leben ausmacht, sind die Lebensmomente, die wie an einer Perlenkette aneinandergereiht sind. Glück ist vielfältig. Nur Sie kennen Ihre Glückszutaten. Ich wünsche Ihnen, dass Sie ihre Glücksmomente vor sich liegen sehen und sie aufheben können. Sei es in Form von Yoga oder einem Waldspaziergang. Finden Sie ihre Glücksmomente im Alltag und versuchen Sie im Jetzt zu bleiben. Das verhindert, in Angst zu geraten. Dennoch ist wichtig, ehrlich mit sich zu sein, wenn Dinge im Leben anfangen zu haken. Man sollte nie das eigene Bauchgefühl ignorieren und sich Dinge zugestehen, bevor der Organismus hineingrätscht. Ein Patentrezept für alle gibt es nicht, das darf jeder selbst für sich herausfinden.“
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