Oftersheim. Das Thema ist komplex: Die Ziele „kommunaler Wohnraum zur Sicherstellung der sozialen Wohnraumversorgung“ auf der einen Seite und „Haushaltskonsolidierung“ auf der anderen Seite stehen in einem beachtlichen Spannungsverhältnis. Natürlich, so Bürgermeister Pascal Seidel, fühle man sich dem sozialen Wohnungsbau verpflichtet. Genau so habe man aber auch die Verantwortung für eine nachhaltige Haushaltspolitik, die nachkommenden Generationen nicht jeden Gestaltungsspielraum nehme. Und so schlug die Verwaltung nun vor, die Gebäude „Am Waldfrieden 1/3“, „Hildastraße 26/28“ sowie „Gerhard-Hauptmann-Straße 6/8“ zu verkaufen. Damit würden von der derzeit 315 kommunalen Wohnungen 57 verloren gehen. Das sind etwas über 18 Prozent des bisherigen Bestands an sozialem Wohnraum.
Finanzielle Zwänge und politische Verantwortung
Seidel erinnerte zu Beginn an die von der Rechtsaufsicht auferlegte Pflicht zur Haushaltskonsolidierung. Und so gelte es schwierige Abwägungen zu treffen und die mit Augenmaß. Wichtig war dem Bürgermeister, dass der Verkauf dieser Häuser keinen Rückzug der Gemeinde aus der sozialen Wohnraumversorgung bedeute. Ganz im Gegenteil, so Seidel. Denn so könne mit dem Verkaufserlös doch der restliche kommunale Wohnbestand gesichert werden. Im Auge hat Seidel dabei vor allem die anstehenden Sanierungskosten. „Viele unserer Gebäude stammen aus den 1960er- und 70er-Jahren. Sie sind grundsätzlich solide, aber zunehmend sanierungsbedürftig.“ Von der energetischen Ertüchtigung über barrierefreie Zugänge bis zu zeitgemäßen Standards kämen auf die Gemeinde erhebliche Kosten zu. Und durch den Verkauf, so schätzt die Verwaltung, bleiben der Kommune Sanierungskosten in einer Größenordnung von fast 3,3 Millionen Euro erspart.
Der Plan sieht nun vor, den Erlös aus dem Verkauf der Häuser zweckgebunden für die sukzessive Sanierung und Modernisierung der verbleibenden gemeindeeigenen Wohnungen einzusetzen. So könne in den Augen des Bürgermeisters sichergestellt werden, „dass wir nicht nur heute, sondern auch morgen und übermorgen bezahlbaren und qualitativ guten Wohnraum anbieten können“. Seidel weiß, dass es ein schwieriges und emotionsgeladenes Thema ist. Er betonte aber, dass „der soziale Gedanke Leitlinie unseres Handelns“ bleibt. Denn nur durch den Verkauf könne sichergestellt werden, dass Oftersheim ein Ort bleibe, an dem bezahlbarer Wohnraum zu finden sei.
Langfristige Perspektiven für sozialen Wohnraum in Oftersheim
Auch Dr. Tobias Ober (FW) sprach von einer angespannten finanziellen Lage. Wie in einem Schraubstock aus steigenden Kosten, sinkenden Einnahmen und wachsenden Aufgaben geriete die Gemeinde zunehmend in die Defensive, sodass ein Verkauf zwingend sei. Zugleich betonte er, dass Wohnen mehr als ein Dach über dem Kopf sei. „Es ist ein zentraler Bestandteil sozialer Sicherheit.“ Doch gerade durch den Verkauf könne der nach wie vor hohe Bestand gemeindeeigener Wohnungen erhalten werden. Darüber hinaus sagte er klar, dass die soziale Verantwortung den Gemeinderat auch beim Verkauf der Gebäude leiten werde. „Beim Verkauf wird nicht allein das Höchstgebot ausschlaggebend sein, sondern auch die Zusicherung, dass Mietverhältnisse fortgeführt und soziale Standards eingehalten werden.“
Eine Ansage, die Tillmann Hettinger (CDU) teilte. Für ihn stehte außer Frage, dass die Kommune damit überfordert wäre, alle kommunalen Gebäude allein in Schuss zu halten. Ihr obliegen von der Kinderbetreuung über den barrierefreien öffentlichen Raum bis zur Kanalsanierung so viele Aufgaben, dass die eigenen Ressourcen schlicht nicht mehr ausreichten. Auch Patrick Schönenberg (Grüne) sieht dieses Dilemma. Am Ende steht für ihn fest, dass Oftersheim sich den Erhalt der Wohngebäude so nicht mehr leisten kann. Neben dem sozialen Wohnungsbau habe man auch die Verantwortung für einen gesunden Haushalt. Der Entscheidung, die drei Gebäude zu verkaufen unter Berücksichtigung sozialer Standards sei daher eine vertretbare Lösung. Diese Berücksichtigung von sozialen Standards sei sogar essenziell. Ähnlich sah das auch Carmen Kurz-Ketterer (FDP). „In meiner Brust schlagen zwei Herzen.“ Aber der Sanierungsstau lasse sich anders kaum auflösen.
Debatte um das „Soziale Gewissen“ Oftersheims
Anders sah das Jens Rüttinger (SPD). Für ihn wird damit die Immobilienpolitik von Generationen in ihr Gegenteil verkehrt. Immobilien im Besitz der Gemeinde seien ein wichtiges Instrument zur Sicherstellung der nachhaltigen, sozialen Infrastruktur. Hier gehe es um bezahlbaren und verlässlichen Wohnraum für Hunderte Menschen in Oftersheim. Dieses Instrument gebe die Gemeinde für kurzfristige Haushaltseffekte aus der Hand und opfere damit langfristige Gestaltungskraft. Eigentum verpflichtet, und zwar zum Einsatz für die Bürger. Lieber wäre es der SPD daher, man würde über Alternativen, wie Erbpacht oder Kooperationen mit gemeinnützigen Trägern, nachdenken. Trotzdem wisse die SPD, dass es schnell wirkende Haushaltsentlastungen brauche, sodass Rüttinger grünes Licht lediglich für den Verkauf der Häuser in der Hardtwaldsiedlung signalisierte.
Worte, die am Ratstisch für Diskussionen sorgten. Professor Dr. Jens Wagenblast (CDU) kritisierte Rüttinger für sein Suggerieren, dass er das soziale Gewissen des Gemeinderates sei. Als Gemeinderat habe man auch die Verantwortung für das große Ganze. Für Wagenblast ist es aus sozialer Sicht geboten zu verkaufen. Auch Schönenberg (Grüne) erklärte, dass es die SPD sich zu leicht mache. Eine belastbare Lösung, die auch der finanziellen Verantwortung gerecht werde, könne er nicht erkennen. Eine Sicht, die Rüttinger zurückwies. Man habe einem Teilverkauf zugestimmt, und mit Erbpacht oder Kooperationen gebe es durchaus Alternativen. Nicht nachvollziehen könne er der Vorwurf mit dem sozialen Gewissen. „Jeder hier hat das Wohl aller Oftersheimer im Sinn. Wir haben nur unterschiedliche Vorstellungen zu diesem Wohl.“ Seidel erklärte abschließend, dass sich diese Entscheidung niemand leicht mache, es aber eine Entscheidung brauche.
Am Ende stimmte der Gemeinderat dem Grundsatzbeschluss zum Verkauf der Gebäude „Am Waldfrieden 1/3“ einstimmig zu. Dem Verkauf der Wohngebäude „Hildastraße 26/28“ und „Gerhart-Hauptmann-Straße 6/8“ wurde bei vier Gegenstimmen der SPD mit großer Mehrheit zugestimmt.
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