Oftersheim. Als vor 150 Jahren die Rheintalbahn in Betrieb genommen wurde, hatte dieser verkehrsplanerische Meilenstein auch große Auswirkungen auf Oftersheim: Wie bei vielen anderen Dörfern entlang der Strecke zwischen Mannheim und Karlsruhe eröffneten sich für die Bewohner ganz neue Möglichkeiten.
Die beiden großen Städte, die sich im aufstrebenden Kaiserreich immer mehr zu Wirtschaftszentren entwickelten, waren auf einmal schnell und bequem erreichbar. Das hatte Auswirkungen auf die Arbeits- und Sozialstruktur der Hardtgemeinde: Bislang mussten Arbeiter zu den Fabriken in Rheinau und Heidelberg zu Fuß laufen, was sich kaum rechnete. Entsprechend lebten die meisten Menschen lange Zeit von der Landwirtschaft.
Wie Heimatforscher Franz Volk in seinem Buch „Oftersheim – ein Dorf und seine Geschichte“ beschrieb, verwandelte sich der Ort dann durch die Rheintalbahn von einem rein bäuerlichen Dorf hin zu einer Siedlung für Arbeiter und Angestellte. Offizielle Zahlen von 1933 belegen das eindrucksvoll: Demnach gab es damals bei knapp 4000 Einwohnern nur noch 82 Voll-Landwirte – aber 783 Arbeiter, Angestellte und Beamte, die ihre Stellen größtenteils auswärts hatten.
Somit konnte die Rheintalbahn die kleine Hardtgemeinde mit der großen Welt – oder zumindest mit der weiteren Region – verbinden. Noch 1968 nannte Franz Volk die Bahnstrecke die „Hauptverkehrsader unseres Dorfes“, die Arbeiter und Studenten mit den badischen Zentren zusammenführe.
Bebauung zunächst überschaubar
Gleichzeitig bedeuteten die neu verlegten Schienenstränge aber auch von Anfang an eine Teilung: Fortan war Oftersheim räumlich zerschnitten. In den Anfangsjahren war das freilich kein größeres Problem, weil die Bebauung in Richtung Schwetzingen noch nicht sehr ausgeprägt und gleichzeitig der Verkehr auf der Rheintalbahnstrecke überschaubar war. Doch wie Alt-Bürgermeister Karl Frei in seinem Buch „Oftersheim – Streifzüge durch die Geschichte eines kurpfälzischen Dorfes“ zusammenfasste, änderte sich das schnell.
Bereits 1901 begann die fast unendliche Geschichte um die Bahnübergänge in Oftersheim. Damals ging die Initiative vom Betreiber aus: Die Generaldirektion der Badischen Eisenbahnen wollte die ebenerdige Überführung in der Mannheimer Straße durch eine Brücke ersetzen. Auch zahlreiche kleinere Bahnübergänge im Ortsgebiet, die insbesondere von Landwirten zum Erreichen ihrer Felder genutzt wurden, sollten ersetzt werden.
Doch es zeigte sich, dass langwierige Planungen, umfangreiche Einsprüche von Bürgern und selbst die Bildung von Bürgerinitiativen kein Phänomen der Gegenwart sind. Der Oftersheimer Gemeinderat tat sich in den Folgejahren immer wieder schwer mit den zahlreichen angepassten Plänen der Badischen Eisenbahnen, insbesondere weil die Bauern Einbußen und längere Wege befürchteten. So machten 1906 insgesamt 31 Bürger in einer offiziellen Eingebung für einen Übergang im Bereich Hildastraße geltend, dass „die Überführungsfragen keineswegs glücklich gelöst seien, die Projekte tief in die Verhältnisse des wirtschaftlichen Lebens, besonders des Bauernstandes eingreifen und nicht als endgültig erledigt zu betrachten seien“. Von jährlich 200 Wagen Heu und 100 Wagen Frucht war die Rede, die bei der nur sieben Meter breiten Anschlussstraße nicht ausreichend Platz hätten – und für das Zugvieh sei die geplante Überführung ohnehin zu beschwerlich.
Eigentümer sorgen sich
Andere Pläne der Bahndirektion wurden von den Oftersheimer Bürgern abgelehnt, weil dadurch Privatgrundstücke betroffen gewesen wären, Eigentümer um deren Werterhalt besorgt waren oder sich ein Zimmermeister ausgerechnet an dieser Stelle einen ruhigen Bauplatz gekauft hatte. Kurzum: Die Bürgerproteste verhinderten die Planungen der Behörden auf Jahrzehnte.
Das Problem des zentralen Bahnübergangs in der Mannheimer Straße wurde sogar erst in den 1980er Jahren gelöst. Zuvor gab es zahlreiche neue Planungsvarianten, beispielsweise bereits 1919 in einer angedachten Verlängerung der Beethovenstraße.
Doch erst die in den 1960er Jahren aufgenommenen Planungen für eine komplette Umgehungsstraße – der heutigen B 291 – ließen das Projekt langsam vorankommen. Während es auch diesmal lange Zeit Widerstände und Einsprüche gab, folgte 1976 immerhin die Fußgängerunterführung am Bahnhof.
1984 wurde schließlich die Umgehungsstraße fertig, so dass gleichzeitig der Bahnübergang in der Mannheimer Straße komplett aufgegeben werden konnte.
Das erklärt die heute zunächst etwas skurril anmutende Situation rund um den Bahnhof: Die Mannheimer Straße und das bebaute Ortsgebiet sind durch die Rheintalbahn und ihre hohen Lärmschutzwände zweigeteilt, ohne dass Autos im Ortskern kreuzen können. Jahrzehntelang hatte stattdessen der mit Schranken gesicherte Bahnübergang für immer stärkere Verkehrsprobleme gesorgt. Zu Spitzenzeiten fuhren rund 300 Personen- und Güterzüge über die Strecke, was zu langen Wartezeiten für die Autos und endlosen Staus im Ortsgebiet führte. Diese Probleme mögen heute behoben sein. Doch die ehemals verbindende Rheintalbahn hat sich gleichzeitig über die Jahrzehnte im Bewusstsein vieler Bürger zu einem trennenden Hindernis entwickelt.
Aber die Querelen rund um die 150 Jahre alte Bahnstrecke in Oftersheim dauern an. Für den Lärm entlang der Strecke – also auch durch Oftersheim – scheint keine Lösung in Sicht, ebenso wie für die steilen Rampen der Fußgängerunterführung, die für Rollstuhlfahrer und Eltern mit Kinderwagen nur mühsam zu nutzen sind.
Steter Quell des Ärgers
Auch die neuen Aufzüge zum Bahnsteig waren bis zur Inbetriebnahme ein steter Quell des Ärgers und der Verzögerungen: Schlappe eineinhalb Jahre benötigte die Deutsche Bahn, um nach dem Umbau des Bahnhofs zum modernen S-Bahn-Halt im Jahr 2018 die technischen Gerätschaften zum Laufen zu bringen. Doch was ist das schon – bei eineinhalb Jahrhunderten Rheintalbahn mitten in der Hardtgemeinde.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/oftersheim_artikel,-oftersheim-rheintalbahn-der-ewige-streit-um-uebergaenge-_arid,1672855.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.schwetzinger-zeitung.de/dossiers_dossier,-jubilaeum-alles-rund-um-150-jahre-rheintalbahn-_dossierid,191.html
[2] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/oftersheim.html
[3] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen.html