Oftersheim. Vor der Garage von Axel Frerks in Oftersheim herrscht am frühen Donnerstagabend geschäftiges Treiben: Kisten wandern aus dem Kofferraum, Gemüse wird sortiert, Eier stapeln sich auf Holzbrettern – die Abholstelle der „Solawi MA-Süd“ (Solidarische Landwirtschaft Mannheim-Süd) wird beliefert. Wenig später kommen auch schon die ersten Mitglieder, um ihre Rationen abzuholen.
Für Frerks, engagierter Unterstützer, ist die Philosophie dahinter klar: „Bei uns haben die Produkte keinen Preis, sondern einen Wert.“ Denn hier geht es um mehr als um frische Lebensmittel. Es geht um Gemeinschaft, Verantwortung und nachhaltige Landwirtschaft.
Man weiß vorher nie so ganz genau, was man diese Woche bekommt – eine richtige Wundertüte
Das Prinzip der solidarischen Landwirtschaft gibt es weltweit: Eine Gemeinschaft von Verbraucherinnen und Verbrauchern trägt gemeinsam die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebs – und erhält dafür regelmäßig einen Anteil an der Ernte. „Der Betrieb bekommt durch die Solawi-Solidargemeinschaft Planungssicherheit, muss nicht jeden Tag auf den Großmarkt schielen und ist unabhängiger von Preisen und Schwankungen“, erklärt Frerks.
Der Betrieb hinter dem Oftersheimer Erntekorb heißt offiziell „Solawi Mannheim-Süd“ und sitzt in Mannheim-Rheinau. Dort produziert Michael Scherer mit seinem Team Obst, Gemüse, verschiedene Kräuter, Honig, Marmeladen und Freilandeier – alles im naturnahen, ökologischen Anbau, wenn auch derzeit ohne offizielle Bioland-Zertifizierung. Die Ernte wird saisonal zusammengestellt. „Man weiß vorher nie so ganz genau, was man diese Woche bekommt – eine richtige Wundertüte“, sagt Frerks.
Solidarische Landwirtschaft: Lebensmittel als Gemeinschaftsprojekt
Die Lieferung geht nicht einzeln an jede Türe, sondern an zentrale Abholpunkte: Zehn Familien aus Oftersheim und Schwetzingen holen sich derzeit ihren „Ernteanteil“ einmal pro Woche ab. Das Depot – hier eben eine Garage – stellt Axel Frerks zusammen mit seiner Frau zur Verfügung. Je nach Saison schwankt der Inhalt des Korbs: An diesem Donnerstag sind es Mangold, Radieschen, Koriander, Marmeladen und Eier. „Es ist auch ein bisschen Experimentieren: Ab und zu bekommt man Gemüse, das man vorher gar nicht kannte. Dann muss man eben in der Küche kreativ werden“, sagt Frerks und lacht.
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Mitmachen kann im Prinzip jeder. Ein Anteil kostet derzeit rund 110 Euro pro Monat. Damit werden Landpacht, Saatgut, Personal – auch Gärtnerinnen und Gärtner arbeiten inzwischen fest angestellt für den Hof – sowie die Betriebskosten gedeckt. Damit das Modell wirtschaftlich funktioniert, braucht die Solawi mindestens 80 Mitglieder, aktuell sind es etwa 60. Neue Interessierte sind jederzeit willkommen, auch im frisch eröffneten Depot in Ketsch.
„Die Grundidee ist eigentlich, die Landwirtschaft zurück in die Mitte der Gesellschaft zu holen – und Verantwortung gemeinsam zu tragen. Wer will, bringt sich auch praktisch ein – beim Unkrautjäten, bei der Ernte oder beim Einmachen von Marmelade und Sirup. Aber zwingend ist das nicht. Jeder hilft, wie er kann und möchte“, berichtet Frerks.
Nebenbei entstehen Netzwerke: Es gibt AGs fürs Brotbacken, gemeinsame Feste, Mitmach-Tage für Kinder und sogar ein paar Bienenstöcke.
Solidarische Landwirtschaft: Nachhaltig, ökologisch und sinnstiftend
Axel Frerks ist überzeugt von der Idee: „Für mich ist das auch eine Lebenseinstellung. Ich arbeite selbst im Bio-Sektor und finde es wichtig, solidarische, regionale Landwirtschaft zu unterstützen.“ Und gerade für junge Familien sei, so der 61-Jährige weiter, die Solawi ein Gewinn: „Viele Kinder erfahren hier erstmals ganz konkret, wie Tomaten wachsen, wie eine Himbeere reift und wie eine Ernte abläuft. Es ist ein wichtiger Schritt zu mehr Wertschätzung für Lebensmittel.“
Einmal jährlich können die Mitglieder in einer Umfrage Wünsche äußern oder Kritik einbringen – was angebaut wird, entscheiden am Ende die Gemeinschaft und das Gärtnerteam. Und funktioniert das? „Mal wächst Mangold wie verrückt, dann erntet man eben viel Mangold. Und wenn es mal zu viel ist, geben wir gerne an Nachbarn, Freunde oder die Familie ab. Es ist ein Miteinander, und man lernt, sich auf die Natur einzulassen“, sagt Frerks.
Solawi MA-Süd will in Zukunft weiter wachen
Der Erfolg des Modells hängt am Gemeinschaftssinn. Viel läuft über Vertrauen, Flexibilität und ehrenamtliches Engagement, räumt Frerks ein. „Manchmal ist es ein kleiner organisatorischer Aufwand – etwa dafür zu sorgen, dass bei Abwesenheit das Tor offen ist. Aber wir machen das gerne, weil wir die Idee wichtig finden.“
Wachsen möchte die Solawi weiterhin und lädt ausdrücklich neue Mitglieder aus der Region ein. Und eines ist für Frerks klar: „Solche Projekte sind eine große Chance – für die Menschen, für die Umwelt, für die Region. Für mich ist das Solidarität, die auch schmeckt.“
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