Oftersheim/Plankstadt. Die Bilder der verheerenden Flut in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 im Ahrtal sind auch nach vier Jahren noch allgegenwärtig. Für Joe Herrmann und seine „Ahrschipper“ aus Plankstadt und Umgebung sind sie vor allem Motivation, weiterhin tatkräftig zu helfen. Anfang Juni stand bereits zum 52. Mal ein engagierter Hilfseinsatz auf dem Plan. Und das Team macht weiter, solange Hilfe gebraucht wird.
Viel Hilfsbereitschaft für Opfer der Ahrflut aus dem Rhein-Neckar-Kreis
Als Joe Herrmann nach der Katastrophennacht im Juli 2021 auf einen Spendenaufruf aufmerksam wurde, war für ihn schnell klar: Hier wird Hilfe gebraucht. Die Welle der Hilfsbereitschaft wuchs auch im Rhein-Neckar-Kreis schnell. Aus einem Impuls der Nächstenliebe hat sich eine gigantische Spendenaktion entwickelt - gemeinsam von Plankstadtern, Oftersheimern und weiteren Menschen aus unserer Region.
Entstanden ist die Sammelaktion für die Opfer der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz aus einer kleinen Idee. Nadine Hakel-Dietrich schrieb auf Facebook in die Single-Gruppe Mannheim, Heidelberg und Umgebung und fand durch das Teilen in anderen Gruppen schnell Unterstützung. Zuerst wollte die Truppe nur mit zwei Sprintern nach Rheinland-Pfalz fahren.
Daraus sind - unter anderem dank Joe und Sabine Herrmann, die den 40-Tonner mitgebracht hatten - sehr viel mehr geworden. Nur zwei Tage nach der Katastrophe machte sich Joe Herrmann nach Abstimmung mit seinem Arbeitgeber mit seinem 40-Tonner samt Konvoi auf den Weg, um Hilfsgüter in das Hilfszentrum am Nürburgring zu bringen.
Doch es blieb nicht beim einmaligen Transport. „Die ersten Nächte konnte ich nicht schlafen, weil das, was ich gesehen habe, so schlimm war“, erzählt Herrmann heute. Berührt von den Eindrücken vor Ort, organisierte Joe, unterstützt von seiner Frau Sabine, eine Busfahrt mit 50 freiwilligen Helfern – der Anfang einer jahrelangen Unterstützung. Seitdem sind die Ahrschipper regelmäßig im Krisengebiet, opfern viele Stunden ihrer Freizeit, um anzupacken, wo es fehlt. Sie tun das, ohne einen persönlichen Bezug zu der Region zu haben. „Ich wusste 2021 nicht einmal, wo das Ahrtal liegt“, sagt Herrmann und fügt an: „Wir wollten einfach helfen.“
1451 Tage nach der Ahrflut: Einzug ins eigene Haus
Besonders emotional war für alle Beteiligten der bislang letzte Hilfseinsatz vor wenigen Wochen: Die Ahrschipper halfen zum dritten Mal einer von der Flut betroffenen Familie im Swisttal. Nach fast vier Jahren Wartezeit war es endlich so weit: Die neue Küche konnte eingebaut und die ersten Möbel sowie persönliche Gegenstände aus der Notunterkunft ins eigene Haus geholt werden. Damit ist für die Familie mit dem Einzug ein bedeutender Schritt in die neue Normalität geglückt. „Niemand hätte sich vorstellen können, dass es so lange dauern würde, bis dieser Tag kommt“, sagt Herrmann, der sich sichtlich über den besonderen Moment freut.
Unterstützt wurden die Ahrschipper dabei erneut vom Team Dori und der Stiftung Ahrtal. „Es war Teamarbeit, so wie das bei uns Ehrenamtlern halt üblich ist“, sagt Herrmann stolz.
Ob Küchenaufbau, Entrümpeln oder das Errichten eines Kinderspielplatzes in Bad Neuenahr-Ahrweiler – die Ahrschipper stehen immer bereit, wo sie gebraucht werden. „Wenn wir am Samstagmorgen aufbrechen, wissen wir, dass wir mit unseren Helfern Großes erreichen können“, so Herrmann.
Auch in der Region legen die Ahrschipper Hand an
Vor Ort sind es oft viele kleine Arbeitsschritte: Fundamente für Spielgeräte ausheben, Beton anrühren, schwere Bauteile schleppen und montieren. Bei einem Einsatz trotzten sie sogar dem Regen, bauten kurzerhand ein Zelt auf und machten weiter. Jeder Helfer findet seine Aufgabe und bleibt mit Ausdauer bei der Sache. Auch wenn am Ende einmal nicht alles komplett aufgebaut werden kann – „die Menschen freuen sich, wenn wir helfen“, sagt Hermann.
Noch nicht alle Ahrtal-Spenden ausgegeben
- Auch vier Jahre nach der Flutkatastrophe im Ahrtal sind noch nicht alle Spendengelder aufgebraucht worden. So hat die Aktion Deutschland Hilft bis Juni dieses Jahres 82 Prozent der Hochwasserspenden umgesetzt, die sie erhalten hat, wie das Bündnis deutscher Hilfsorganisationen auf Anfrage mitteilte. Insgesamt betrage die Summe aller Spenden 284 Millionen Euro.
- Alle noch verfügbaren Gelder seien allerdings fest verplant. Im Fokus stehen demnach derzeit Hilfsprojekte für die psychologische Unterstützung von Eltern und Kindern : Für sie sei das Ende der Wiederaufbauphase oft besonders schwierig. Außerdem werden weiterhin soziale Treffpunkte, Begegnungsstätten und Wiederaufbauhilfen finanziert.
- Insgesamt 92 Millionen Euro an Hochwasserspenden sind bislang noch nicht ausgegeben worden, wie der Südwestrundfunk (SWR) nach einer Recherche bei rund 40 Hilfsorganisationen, Landkreisen und Kommunen berichtet. Das entspricht demnach fast 14 Prozent der Gesamtsumme von mehr als 671 Millionen Euro, die Menschen bundesweit gespendet haben.
- Oft sind die Restspenden demnach bereits fest verplant. Laut der SWR-Recherche gehen die meisten Organisationen davon aus, das übrige Geld bis 2030 ausgegeben zu haben.
- Bei der Flutkatastrophe im Juli 2021 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sind mehr als 180 Menschen ums Leben gekommen .
Für viele Menschen sind die Folgen der Flut, auch durch neue Hochwasser in Deutschland und Europa, immer wieder präsent. „Der Boden ist immer noch verdichtet, noch immer warten einige Flutopfer auf ausstehende Zahlungen oder kämpfen sich durch den Wiederaufbau“, berichtet Herrmann. Die Geschichten, die die Helfer hören, zeigen, wie lange nachhaltige Hilfe braucht.
Die Ahrschipper haben deshalb entschieden: Sie machen weiter – so lange, wie ihre Unterstützung gefragt ist. „Mittlerweile helfen wir auch außerhalb des Ahrtals“, sagt Herrmann und verweist auf die handwerkliche Hilfe im Kinderhospiz Sterntaler in Dudenhofen. „Wir lieben es einfach, anderen Menschen zu helfen“, sagt Herrmann und ergänzt: „Und Hilfe wird eigentlich immer irgendwo benötigt.“
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