Das Wichtigste in Kürze
Im vergangenen Jahr starb der Architekt Wolfram Lorentz, der für zahlreiche Bauten in der Gemeinde verantwortlich zeichnete. Ein Blick auf sein Werk zeugt von seinem Schaffen.
Oftersheim. Zahlreiche Projekte im Wohnungs- und Gewerbebau im Rhein-Neckar-Raum und darüber hinaus, kulturelle „Leuchttürme“ wie die Villa Meixner in Brühl oder Einrichtungen im sozialen und administrativen Bereich: Die Liste der Bauprojekte des im August 2024 verstorbenen Architekten Wolfram Lorentz ist umfangreich. In Oftersheim, wo er den größten Teil seines Lebens verbracht hatte, künden gleich mehrere ortsbildprägende Bauten von seinem kreativen Schaffen. Einige von feiern in absehbarer Zeit runde Geburtstage.
In einem verlassenen Bauerngehöft mitten in der Hardtgemeinde sollte in Ergänzung an die 1977 eröffnete „Ausstellung heimatgeschichtlicher Gegenstände“ im Nachbaranwesen Mannheimer Straße 59 ein „richtiges“ Heimatmuseum mit mehreren Themenbereichen untergebracht werden. Das Ensemble aus Wohnhaus mit Scheune, Tabakschuppen und Stallgebäuden war komplett zu erhalten und ein entsprechendes Nutzungskonzept zu erstellen. So entstand dort 1983 der Heimat- und Kulturkreis und im gleichen Jahr begannen die Renovierungsmaßnahmen, für die Wolfram Lorentz von „maier-lorentz architekten“ verantwortlich zeichnete.
Einfühlsame Architektur trifft auf ländliche Tradition
Die Erneuerung der landwirtschaftlichen Gebäude bei größtmöglicher Wahrung ihrer Authentizität unter Einhaltung geltender Bauvorschriften waren für einen Architekten schon damals keine leichte Aufgabe. Lorentz setzte sie mit großem Einfühlungsvermögen und viel Liebe zum Detail um. Für die Beleuchtung des Innenhofs wählte er beispielsweise schlichte Blech-Lampenschirme, wie sie einst im ländlichen Umfeld üblich waren. Beim ersten Museumstag 1986 wurde deutlich, was aus dem Anwesen geworden war. Das erste Faltblatt des Gemeindemuseum von 1991 illustrierte er mit teils kolorierten Federzeichnungen – in seiner Freizeit malte er gerne mit Aquarellfarben.
Das „Siegwald-Kehder-Haus“ ist benannt nach einem Bürgermeister, unter dessen Leitung bedeutende Projekte nach Wolfram Lorentz’ Plänen umgesetzt wurden. Die „Altengerechte Wohnanlage“, ein Vierflügelkomplex, wurde zwischen 1990 und 1997 in zwei Bauabschnitten errichtet. Sie umfasst 49 Seniorenwohneinheiten, ein Pflegebad, zwei Gemeinschaftsräume, mehrere Gewerbeeinheiten und eine Zahnarztpraxis über einer Tiefgarage.
Für die Cafeteria, die seit 2005 als Seniorenbegegnungsstätte dient, entwarf er neben der Eingangstür auch Ausstattungselemente wie den Tresen. Es war noch die Zeit der sogenannten Postmoderne, die nach der kühlen Zweckarchitektur der Nachkriegsjahrzehnte wieder verstärkt die Anlehnung an überkommene klassische Architekturformen suchte und deren Elemente spielerisch umsetzte. Auch die Außenerscheinung der Anlage, die an Oftersheims neuralgischer Straßenecke „beim Kubbers Wendl“ entstand, benannt nach dem einst stattlichen Bauernhof von Wendelin Koppert, atmet den Geist dieser Strömung. Sie kam damit auch der Forderung entgegen, die neue Baumasse der umgebenden Bebauung am alten Ortsausgang anzupassen, was mit klassischen Satteldächern in roter Tonziegeldeckung und markanten Giebelplatzierungen geschah. An die bäuerliche Vergangenheit dieses Platzes erinnern noch die erhaltene Gartenmauer und die Schweinetröge im schmucken Innenhof.
Eine Herausforderung in mehrfacher Hinsicht stellte die Errichtung des Bauamtsgebäudes in der Eichendorffstraße 2 dar. Um den dringenden Raumbedarf der Verwaltung zu decken, sollte anstelle eines Stall- und Scheunengebäudes in der Nachbarschaft des Rathauses nach Teilabriss unter Einbeziehung eines ehemaligen Viehstalles ein Neubau entstehen. Das Besondere dabei: Der um 1870 errichtete Stall ist ähnlich einer romanischen Krypta mit einem Kreuzgratgewölbe ausgestattet, das von drei frei stehenden Sandsteinpfeilern getragen wird und nicht zusätzlich statisch belastet werden durfte.
Bedingt durch den unregelmäßigen Grundriss musste die Satteldachkonstruktion außerdem als sogenanntes „fliegendes Dach“ ausgeführt werden. Die so entstehenden Flächen sind in sich verzogen, und als sei das nicht genug gewesen, sollten sie zusätzlich breite Schleppgauben zur Belichtung des dort einzurichtenden Bürgersaales erhalten. Der Architekt löste auch diese anspruchsvolle Aufgabe und schuf ein beeindruckendes Beispiel für die Erhaltung und Umnutzung historischer in Kombination mit neuer Bausubstanz mit deutlichem Bezug auf die Altbebauung.
Der Gewölberaum sollte ursprünglich durch Unterteilung mittels Glas- und Schrankwände ebenfalls als Bürofläche genutzt werden, doch schon bald wurde das Potenzial dieses außergewöhnlichen Ambientes erkannt. Lorentz selbst bezeichnete ihn damals als „heilige Kuh“, der besonders respektvoll zu begegnen sei, und diese Wertschätzung zeigt sich auch in seiner großzügigen arkadenähnlichen Öffnung mit durchgehender Glasfront zum Straßenraum, was den dort regelmäßig stattfindenden Ausstellungen sehr entgegenkommt. Der Autor dieser Zeilen durfte 1993 als Praktikant nach dem Aufmaß selbst die Bestandspläne der Altbauten als Planungsgrundlage erstellen. Die Anregung, den Torsturzbalken der 1777 teils in Fachwerk ausgeführten Scheune mit dieser Jahreszahl in den Neubau zu integrieren, griff sein Chef gerne auf. Nach seiner Fertigstellung Ende 1995 bezogen Bauamt und Polizeiposten hier ihre neuen Räumlichkeiten, letzterer wurde allerdings schon 2004 aufgelöst.
Modernisierung und neue Ästhetik im Rathausdesign
Im Rathaus sollte die Raumstruktur insgesamt den veränderten Anforderungen an eine moderne Dienstleistung angepasst werden, außerdem standen 2005/06 weitreichende Sanierungsarbeiten in energetischer Hinsicht an. Bei dieser Gelegenheit wollte man auch den Fassaden des nüchternen Zweckbaus ein ansprechenderes Outfit verleihen. Auch hier zeigt sich die Handschrift des Architekten in klarer Linienführung und zeitlosem Design, etwa in der Gestaltung der Fensterzonen mit der Hervorhebung des Sitzungssaals und dem auskragenden „Flugdach“. Der Haupteingang wurde zum Vorplatz verlegt, auf dem er sich in einer schwungvollen, einladenden Geste öffnet.
Auch der evangelische Gemeindesaal bei der Christuskirche ist im gewissen Sinn mit dem Namen Wolfram Lorentz verbunden, auch wenn dessen Entwürfe gar nicht von seiner Hand stammen, sondern von dem Architekturbüro Hübner und Erhard aus Heidelberg. Als 1996 ein Planungswettbewerb durchgeführt wurde, sah der Auslobungstext die Platzierung für den neuen Baukörper entweder auf der Nordseite des Kirchenschiffes vor (wo er dann dessen Wabenfensterfront und den bestehenden Saal verstellt hätte) oder auf der Südseite zur Friedrich-Ebert-Schule hin. In diesem Fall hätte die Sakristei abgerissen und ein Verbindungstrakt hinter dem Chor der Kirche zum vorhandenen Gemeindehaus errichtet werden müssen.
An diese Vorgaben hatten sich dann auch die eingereichten Entwürfe gehalten - bis auf zwei: Neben dem genannten Heidelberger Büro, das den Wettbewerb für sich entscheiden konnte, hatte auch Wolfram Lorentz schon früh erkannt, dass eine zwar unpopuläre, aber zweckmäßige und architektonisch überzeugende Lösung, auch im städtebaulichen Zusammenspiel von Bestand und Neubau, nur auf der Westseite und damit in den Grünraum des alten Kirchhofes hinein zu verwirklichen sei. Dass diese Erkenntnis auch visionäre Züge trug, zeigt die Tatsache, dass 2004 im Vorfeld der anstehenden Renovierungsarbeiten die Christuskirche mit Gemeindehaus von 1957 als Kulturdenkmal eingestuft wurde, weil sie in ihrer Gesamterscheinung ein bedeutendes Beispiel der Nachkriegsmoderne darstellt. Die Platzierung des 1999/2000 ausgeführten Saalbaus trug wesentlich zu dieser Beurteilung bei.
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Wolfram Lorentz war es zeitlebens ein Anliegen, neben der Schaffung von Neuem auch nach Möglichkeit das Alte zu bewahren und zu respektieren. Nicht nur in Oftersheim konnte er diese Maxime unter Beweis stellen, auch zahlreiche Objekte wie in Schwetzingen und anderswo bezeugen dies. In diesem Sinne hatte er auch verfügt, bei seiner Beisetzung solle statt Blumen eine Spende an die Deutsche Stiftung Denkmalschutz übermittelt werden, als letzte Handlung nach einem erfüllten Leben für die Architektur.
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