Bauernregeln

Den Eisheiligen folgt oftmals die Schafskälte

Wetterphänomene im Mai und Juni bestimmten in der Vergangenheit Leben und Arbeit der Bauern. An diesen Tagen ist nach alter Erfahrung ein verspäteter polarer Kälteeinbruch mit Nordwinden und sogar Frost zu erwarten.

Von 
Ulrich Kobelke
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Die Eisheiligen machen auch vor Apfelblüten nicht halt. © picture alliance/Seeger/dpa

Plankstadt. Fester Bestandteil des Monats Mai sind die Eisheiligen, eine Bezeichnung für die – bis auf Pankratius durch die Liturgiereform geänderten – Gedächtnistage der Heiligen Pankratius am 12. Mai, Servatius an diesem 13. Mai und Bonifatius am 14. Mai. In Norddeutschland und den Niederlanden wird auch noch der 11. Mai, der Tag des heiligen Mamertus, dazugezählt.

An diesen Tagen ist nach alter Erfahrung ein verspäteter polarer Kälteeinbruch mit Nordwinden und sogar Frost zu erwarten. Dies hat zu der Bezeichnung „Eisheilige“ oder mancherorts auch „die gestrengen Herrn“ für den Zeitraum zwischen 12. und 14. Mai geführt. In Süddeutschland, Österreich und der Schweiz gehört auch der 15. Mai, der Gedächtnistag der heiligen Sophia, zu den Eisheiligen. Der 15. Mai heißt deshalb auch „kalte Sophie“.

Wenn es denn tatsächlich so kommt, wie es die alten Regeln vorhersagen, dann ist das für die einen ein Beweis für deren Gültigkeit bis heute, für die anderen, die damit nichts anfangen können, ein Zufall. Wenn es anders ist, dann wird das schnell dem allgegenwärtigen Thema „Klimawandel“ zugerechnet und dass man sich heute eben deshalb auf nichts mehr beim Wetter verlassen kann.

Zuletzt kommt die „kalte Sophie“

Aus den alten Erfahrungen heraus wurde vor dem Ende der Eisheiligen im Garten nicht gepflanzt und kein Vieh auf die Weide getrieben. Ein alter Bauernspruch lautet: „Pankrazi, Servazi, Bonifazi sind drei frostige Bazi, und am Schluss fehlt nie die kalte Sophie“. „Die Eisheiligen sieht kein Gärtner gern, denn sie sind allzu gestrenge Herrn.“

Langjährige Wetterbeobachtungen zeigen jedoch, dass ein Temperatursturz häufig erst um den 20. Mai auftritt. Stimmen etwa die „Eisheiligen“ nicht mehr? Des Rätsels Lösung findet sich in der Geschichte unseres Kalendersystems: 1582 hat Papst Gregor VIII. eine Kalenderreform veranlasst, wodurch die Unterschiede des Julianischen Kalenders zum Sonnenjahr weitgehend korrigiert werden konnten. Der Tag der „Kalten Sophie“ (15. Mai) lag vor der Reform auf dem Tag, der heute dem 22. Mai entspricht. Mit den Auswirkungen der „Eisheiligen“ ist deshalb in der Zeit vom 19. bis zum 22. Mai zu rechnen.

Schottischer Einfluss

Gehen die Eisheiligen ohne Kälteeinbruch vorüber, ist nach den alten Beobachtungen mit einem schönen Herbst zu rechnen. Bauernspruch: „Zogen die Eisheiligen ohne Frost vorbei, freuen sich Bauer und Winzer einerlei!“ Die meteorologische Ursache dieser von Wetterforschern Singularität genannte Wettererscheinung ist ein Hoch über Schottland, das in Mitteleuropa Kaltlufteinbrüche bedingt. Die trockene Luft verursacht insbesondere nachts durch Ausstrahlung tiefe Temperaturen.

Und im Juni geht’s gleich weiter: Ein Witterungsregelfall, der statistisch eine unglaublich hohe Eintreffwahrscheinlichkeit von 89 Prozent hat, ist die Schafskälte zwischen dem 8. und 15. Juni. Damit sind empfindlich kühle, wechselhafte und oft auch regenreiche Tage gemeint, die sich nach einer ersten sommerlichen Witterungsperiode Ende Mai meist noch vor Mitte Juni einstellen.

Da um diese Zeit in Europa meist die Schafe geschoren wurden, waren diese Tage bei den Schäfern gefürchtet. Die frisch geschorenen Tiere konnten sich beim plötzlichen Kälteeinbruch auf den Tod erkälten. Ein wichtiger Tag ist auch der 8. Juni, der Gedenktag des heiligen Medardus. „Regnet’s am Medarditag, so regnet’s 40 Tag danach!“

„Wenn kalt und nass der Juni war, verdirbt er fast das ganze Jahr!“ – „Juni kalt und nass, lässt leer Scheun’ und Fass!“ „Gibt’s im Juni Donnerwetter, wird auch das Getreide fetter, aber Juni viel Donner, verkündet trüben Sommer!“ Im Allgemeinen wünscht sich der Bauer den Juni warm und feucht, denn dann ist ihm eine gute Ernte sicher. Im Juni entscheidet sich, ob der Sommer trocken oder nass wird.

Die Wetterregeln zum Siebenschläfer am 27. Juni beziehen sich darauf. Allerdings ist der Siebenschläfertag seit der gregorianischen Kalenderreform meteorologisch auf den 7. Juli verschoben. Deshalb sind die Wetterregeln zu diesem Tag mit Vorsicht zu genießen: „Ist der Siebenschläfertag nass, regnet’s ohne Unterlass!“ Schöne Tage versprechen abends herumschwirrende Junikäfer sowie Glühwürmchen und Spinnen. Verkriechen sie sich, so ist mit Regen oder Unwetter zu rechnen.

Ein Auge fürs Detail

Überhaupt hatten die Bauern früherer Zeiten viel mehr Anzeichen wahrgenommen, die auf eine Wetteränderung hindeuteten. Das war natürlich auch nötig, weil es wissenschaftlich fundierte Wetterprognosen noch nicht gab. Zum Beispiel bemerkten sie, dass Steine und Äxte zu schwitzen begannen, wenn Regen kam. Sie bemerkten, dass sich Fichtenäste zur Erde neigten, wenn das Wetter trocken blieb, und sich bei nahendem Schlechtwetter nach oben richteten. Dies alles geschieht auch heute, aber wem fällt es noch auf oder wer vermag solche Phänomene zu deuten?

Ein letzter wichtiger Lostag im Monat Juni ist das Fest des heiligen Johannes des Täufers am 24. Juni – ein anderer Name „Spargelsilvester“ ist nicht schwer zu deuten. Am Ende der Schafskälte steht der Übergang zur Erntesaison. Die Futtergräser sind reif, das Sommergetreide beginnt seine Reifezeit. Mit dem Beginn der Heuernte wurde der Begriff des Johannisschnitts geprägt. „Wenn die Johanniswürmer glänzen, darfst richten du deine Sensen“ und „Vor dem Johannistag, man Gerst’ und Hafer nicht loben mag“ wussten die Bauern.

Einige Pflanzen wie Rotbuche, Eiche und einige Ahornarten treiben um Johannis zum zweiten Male aus, was den Begriff Johannistrieb prägte. Darunter versteht man auch scherzhaft eine übersteigerte Sexualität älterer Männer.

Wie dem auch sei, und ob es mit der heutigen Wetterrealität noch übereinstimmt, sei dahingestellt. Trotzdem freuen sich viele, wenn die Prophezeiungen einigermaßen zutreffen, denn damit ist der Beweis geliefert, dass unsere Vorfahren auch ohne technische Hilfsmittel eine gute Beobachtungsgabe hatten.

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