Zeitzeuge im Gespräch

Plankstadter teilt seine Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg

Der 98-Jährige Gerhard Frank teilt seine Erinnerungen an die Zeit des Zweiten Weltkriegs

Von 
Henrik Feth
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Der Plankstadter Gerhard Frank hat mit seinen 98 Jahren einiges erlebt und zeigt stolz die Bilder aus seiner Jugendzeit als deutscher Offizier im Zweiten Weltkrieg. © Lenhardt

Plankstadt. Ob in Bosnien, dem Irak oder Vietnam, in den vergangenen Jahrzehnten tobten weltweit einige Kriege. Doch seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gab es keinen Konflikt mehr, der so nahe am Herzen Europas aufbrannte wie der russische Überfall auf die Ukraine. Für Gerhard Frank aus Plankstadt ist das Gefühl, in Kriegszeiten zu leben nichts Neues, im Gegenteil: Der 98-Jährige war selbst Teil der deutschen Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs und teilt nun als Zeitzeuge seine Erfahrungen aus dem wohl dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte.

Der 1924 geborene Frank wuchs in bescheidenen Verhältnissen in Thüringen auf. Als die NSDAP 1933 nach der Macht in Deutschland griff und die Schreckensherrschaft von Adolf Hitler begann, schloss sich seine Familie nicht dem Hakenkreuz an, wie er betont: „Mein Vater war Arbeiter und Mitglied der SPD, mit den Nazis wollten wir nichts zu tun haben“.

Während die politische Lage in Europa immer mehr auszuarten drohte und die Nationalsozialisten für den Blitzkrieg gegen Polen aufrüsteten, ging Frank abseits der Geschehnisse zur Handelsschule und entwickelte sich durch hartes Training zum Leistungssportler. So fuhr er täglich 30 Kilometer mit dem Fahrrad.

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Talentiert in einigen Sportarten wie Geräteturnen, Leichtathletik oder Schwimmen, erhielt er im Alter von 17 Jahren das Sportabzeichen der Hitlerjugend (HJ) . Besonders dabei ist vor allem, dass Frank niemals der HJ beigetreten ist und nur an einem Sportlehrgang teilgenommen hatte. Gleichzeitig absolvierte er eine kaufmännische Lehre und machte den Führerschein, was damals nicht Jedem vergönnt war. All diese Attribute sollten später dazu beitragen, dass er zum Offiziersanwärter der Wehrmacht ernannt wurde.

Arbeitsdienst in Russland

Doch zunächst weigerte er sich dem Heer beizutreten und wurde deshalb mit 18 Jahren zum Arbeitsdienst geschickt. Hier musste er nach Russland und seinen Dienst beim dort stationierten Generalstab ableisten, bevor ein Hepatitisausbruch im deutschen Lager für seine vorzeitige Heimreise sorgte. Nach der Rehabilitation musste Frank nochmals zum Arbeitsdienst, dieses Mal nach Polen, bevor er dann im Januar 1943 endgültig in die deutsche Wehrmacht eingezogen wurde.

Seine Bildung und seine Fähigkeiten sorgten dafür, dass er eine Offiziersausbildung in Erfurt absolvieren durfte. Dort lernte er den Umgang mit sämtlichen Infanterie-Waffen und gab seine Erfahrungen anschließend im französischen Orléans an deutsche Rekruten weiter. Erst danach musste er im November 1943 zur Frontbewährung nach Italien.

Showdown im Hochgebirge

Drei Wochen verschanzt in einem italienischen Hochgebirge und vom Feind belagert, erinnert sich der 98-Jährige an ein besonderes Ereignis: „Ich hatte Wache und die Amerikaner lauerten unten in einer Mulde. In diese Richtung lag der einzige Weg aus dem Hochgebirge und plötzliche fingen sie an, uns mit Granaten zu beschießen. Aus reiner Intuition zog ich mich zu meinen Kameraden weiter hinten zurück und nur wenige Sekunden später schlug eine Granate genau auf meinem alten Platz ein. Ich konnte mein Glück nicht fassen.“

Die Situation verbesserte sich für Frank und seine Kameraden anschließend nicht und sie gerieten in US-amerikanische Gefangenschaft. Bis zum Kriegsende blieb Frank dann in Gewalt der Amerikaner – zunächst im algerischen Oran und dann im Lager „Camp Pickett“ in den Vereinigten Staaten.

Der Veteran beschreibt die Zeit allerdings als angenehm: „Bei den Amerikanern wurden wir wie Menschen behandelt. Wir durften uns frei im Lager bewegen, bekamen sogar täglich einen kleinen Lohn für unsere Arbeit, den wir in der Lagerkantine für amerikanische Waren ausgeben konnten. Trotz des Krieges zwischen unseren Nationen herrschte immer Respekt zwischen Aufsehern und Gefangenen.“

Während seiner Zeit in den USA hatte Frank sogar eine Hündin, die er „Butch“ nannte, und die Soldaten hatten Zugang zu Sportanlagen und Zeitungen. Mit der Kapitulation der Nationalsozialisten endete seine Zeit in den Vereinigten Staaten etwas später im Jahr 1946. Doch Frank blieb ein Gefangener: „Die Amerikaner haben uns dann an die Engländer weitergegeben, wo ich nochmals für eineinhalb Jahre in einem Arbeitslager verbrachte. Dort gab es schlechtes Essen und extrem harte Arbeitskommandos. Das war kein Vergleich zu der Zeit in Amerika.“

Seine Erfahrungen während des Zweiten Weltkriegs sieht er aus heutiger Sicht ambivalent: „Ich habe viel Leid und Schmerz gesehen, auf beiden Seiten. Das bleibt auch etliche Jahrzehnte danach in Erinnerung. Doch gerade während der Zeit in den USA konnte ich Erfahrungen für mein späteres Leben mitnehmen.“

Redaktion Verantwortlicher Redakteur für die Gemeinde Ketsch

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