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Flüchtlingsunterkunft in Reilingen: Ghettoisierung soll vermieden werden

Der Gemeinderat versagt der Wiederinbetriebnahme des alten Penny-Gebäudes trotz guter Voraussetzung seine Zustimmung - auch wegen der Container auf dem angrenzenden Grundstück.

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Andreas Wühler
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Das alte Penny-Gebäude soll als Flüchtlingsunterkunft reaktiviert werden. Was der Rat wegen der direkt angrenzenden Containeranlage ablehnt. © Lenhardt

Reilingen. Gemeinderat Simon Schell (Grüne) brachte es auf den Punkt: Hätte der Rat zuerst über die Wiederinbetriebnahme der Flüchtlingsunterkunft in der Wilhelmstraße entscheiden müssen und dann über die Containeranlage in der Carl-von-Drais-Straße – das zwischenzeitlich als Corona-Testzentrum genutzte ehemalige Penny-Gebäude wäre anstandslos akzeptiert worden. Doch so, in Verbindung mit dem direkt angrenzenden Grundstück, auf dem Container für 178 Menschen stehen, warnt Bürgermeister Stefan Weisbrod vor einer Ghettoisierung und lehnt, wie die Mehrheit des Gemeinderates, das Vorhaben ab.

Ende September war die geplante Wiederinbetriebnahme bereits Thema im Technischen Ausschuss, der das Vorhaben ablehnte. Die Baurechtsbehörde in Hockenheim kam hingegen zu dem Schluss, dass die Flüchtlingsunterkunft zu genehmigen sei. Weshalb nun der Gemeinderat gehört werden musste.

Als Corona-Testzentrum genutzt

Das ehemalige Discounter-Gebäude wurde bereits seit 2016 als Flüchtlingsunterkunft durch den Rhein-Neckar-Kreis betrieben. Die Betriebserlaubnis war auf fünf Jahre befristet und lief 2021 aus. Zwischenzeitlich war das Gelände als Corona-Testzentrum vom Rhein-Neckar-Kreis betrieben worden, doch endete dieses Zwischenspiel, Ende Oktober wurde das Testzentrum vom Kreis eingestellt. Bis Frühjahr 2023 sollen die noch auf dem Gelände stehenden Container zurückgebaut werden.

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aw
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Womit das Gebäude wieder zur Nutzung als Flüchtlingsunterkunft dienen kann, doch muss dazu die Betriebserlaubnis erneuert werden. Angedacht zwischen Bauherr und Rhein-Neckar-Kreis ist eine erneute Nutzung auf fünf Jahre, bis 2027 befristet. Wie die Baurechtsbehörde ausführt, ist das Vorhaben, auch wenn es mit seinem wohnähnlichen Charakter in einem Gewerbegebiet liegt, zu genehmigen, da das öffentliche Interesse überwiegt.

Vorgesehen ist eine Belegung des Gebäudes mit bis zu 68 Personen, womit den dort unterzubringenden Flüchtlingen pro Person durchschnittlich sieben Quadratmeter zur Verfügung stehen. „Die Unterkunft weist demnach die erforderlichen Wohn- und Schlafflächen auf und ist daher baurechtlich nicht zu beanstanden“, stellt die Baurechtsbehörde fest und betont, dass die Baugenehmigung zur Wiederinbetriebnahme der Flüchtlingsunterkunft zu erteilen ist.

Wie Bürgermeister Weisbrod anmerkte, ist das Vorhaben bereits mehrfach beraten worden, „wir haben unsere Sicht der Dinge vorgetragen“. Er sprach sich deutlich für die Integration von Flüchtlingen aus und gegen eine Ghettoisierung und die Dichte der Bebauung. Letztlich geht es für den Bürgermeister auch um den Schutz des ansässigen Gewerbes und um die Abwehr von befürchtenden Gefahren für die Bewohner durch den Quell- und Zielverkehr. Auch halte die Gemeinde an ihren Forderungen fest – ein 24-Stunden-Sicherheitsdienst, ausreichend Sozialarbeiter und eine ordentliche, baurechtliche Abnahme des Vorhabens.

Containeranlage übergeben

Wie Weisbrod als Information hinzufügte, ist die Containeranlage in der Carl-von-Drais-Straße mittlerweile an den Rhein-Neckar-Kreis übergeben worden, doch sei noch keine Belegung erfolgt.

Wie gesagt, Simon Schell hätte mit einer Zustimmung kein Problem gehabt, wäre die Reihenfolge umgekehrt gewesen. Für die Nutzung des ehemaligen Penny-Gebäudes spreche die große Not in der Ukraine und der Bedarf an Unterkünften für Geflüchtete. In dem Gebäude könnten Geflüchtete würdevoll in Wohnungen untergebracht werden, 68 Menschen könnten hier ein vorübergehendes Zuhause finden, hätten ein wirkliches Dach über dem Kopf. Weshalb man dem Vorhaben eigentlich nicht widersprechen könne. Doch in Verbindung mit den Containern auf dem Nachbargrundstück entstünde von der Zahl her ein kleines Dorf auf engstem Raum, mitten im Gewerbegebiet. Schell sprach von einer nicht würdevollen Gesamtsituation für die Geflüchteten.

Letztlich, so der Grüne, sei die Entscheidung der Gemeinde durch die Vorgabe der übergeordneten Behörde ohnehin nur symbolischer Natur. Dennoch, das Problem bleibe die Containeranlage, nicht die Inbetriebnahme des alten Penny, sah Schell seine Fraktion im Zwiespalt. Die Gesamtanlage könne man nicht gutheißen, doch gegen die Wiederinbetriebnahme des alten Pennys zu sein, sei zugleich zynisch.

Sabine Petzold (FW) konnte sich den Ausführungen des Grünen nur anschließen, sprach von einer Farce, da das Votum der Gemeinde ohnehin nicht gehört werde. Das Nein gegen das Vorhaben sah sie im Widerspruch zu der eigentlich vom Rat gewollten Willkommenskultur. Dieter Rösch (SPD) äußerte sich ähnlich, verwies auf die von der Gemeinde vorgetragenen Argumente. Doch diese könnten noch so gut sein, schloss er, sie würden nicht berücksichtigt. Peter Kneis (CDU) sah in der Wiederinbetriebnahme den einzigen Vorteil, dass die Leute dort vernünftig untergebracht würden, jeder ein Zimmer erhalte und nicht wie Legehennen in Container gesperrt würden.

Forderungen sind bekannt

Jens Pflaum (FDP) schloss sich den Aussagen seiner Vorredner an und wollte vom Bürgermeister wissen, ob die Forderungen der Gemeinde dem Kreis schon schriftlich übermittelt worden seien. Mehrfach, so Weisbrod, zuletzt auch mündlich beim Besuch der Ministerin, doch habe er noch keine abschließende schriftliche Antwort auf die Forderung der Gemeinde.

Der Rat stimmte mehrheitlich gegen die Wiederinbetriebnahme der Flüchtlingsunterkunft im alten Penny. Lediglich die Grünen waren mit zwei Stimmen für das Vorhaben – Lisa Dorn enthielt sich der Stimme.

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