Reilingen. Im November ging im Rathaus der Gemeinde Reilingen der Antrag eines Landwirts auf einen „Bauvorentscheid für die Errichtung eines landwirtschaftlichen Betriebs und den Bau einer Maschinenhalle mit Lager und Unterkunftscontainer“ ein. Entstehen soll der Betrieb im Spitzgewann, am Herrenbuckel. Ein Ansinnen, das vom Technischen Ausschuss in seiner Sitzung Ende November positiv beschieden wurde – das gemeindliche Einvernehmen wurde erteilt.
Seitdem herrscht bei den landwirtschaftlichen Betrieben, die vor über 50 Jahren an den Herrenbuckel aussiedelten, großes Entsetzen, sie sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Bei zwei Protestveranstaltungen im Januar haben die Bauern ihre Sorgen der Bevölkerung mitgeteilt. Flächenverbrauch und Zerstörung des Naturraums sind die Hauptargumente, die gegen die geplante Ansiedlung am Herrenbuckel ins Feld geführt werden.
Argumente, die nicht bei allen Menschen auf Verständnis stoßen, manche von ihnen, darunter auch Leser dieser Zeitung, vermissen bei den vorgebrachten Gründen, die gegen die Ansiedlung sprechen sollen, die Schlüssigkeit. Mit anderen Worten, sie leuchten ihnen nicht ein, werden von ihnen hinterfragt. Weshalb wir uns einmal mit dem Für und Wider näher befassen.
Gebot der Bündelung
Mit ein Grund für den Ausschuss, dem Vorhaben zuzustimmen, war, dass es sich dabei gleichfalls um eine Aussiedlung handelt. Das ins Auge gefasste Grundstück liegt im Außenbereich, das Vorhaben nach den entsprechenden Vorgaben des Baugesetzbuches zu beurteilen. Nach diesen ist ein Vorhaben zulässig, wenn es einem landwirtschaftlichen Betrieb dient und keine öffentlichen Belange entgegenstehen.
Was im Fall des landwirtschaftlichen Betriebs zu bejahen ist. Dieser hat bisher seinen Sitz am Kleinen Hertenweg, was bei den Anwohnern für Unmut sorgt, da die Erschließung über eine Wohnstraße erfolgt, in der Nachbarschaft Kindertagesstätte und Seniorenheim ihren Sitz haben. Probleme, die mit der Aussiedlung gelöst wären.
Verlagerung oder Erweiterung
Errichtet werden soll am Herrenbuckel eine Maschinenhalle mit den Maßen 60 auf 25 Meter samt Vordach. Daneben sollen fünf Wohncontainer für die Erntehelfer aufgestellt werden, zwei weitere für die Küche und die sanitären Einrichtungen. Die Erschließung soll über die des Herrenbuckels erfolgen, noch geprüft werden muss, ob die vorhandenen Leitungen ausreichen.
Mit seinem Ja folgt der Ausschuss dem Gebot der Bündelung und dem Verbot der Zersiedlung. Der von ihm gebilligte Bauvorbescheid wird derzeit durch die Fachbehörden geprüft, die unter anderem die öffentlichen Belange bewerten. Die wiederum von den örtlichen Landwirten, wie Gemeinderat Peter Schell (FDP) in der Ausschusssitzung in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Bauernverbandes betonte, „in gravierendem Maße“ tangiert werden.
Was die am Herrenbuckel residierenden Landwirte genauso sehen. Bei ihrer Protestveranstaltung am Samstag, 21. Januar, stellten sie unter anderem die Frage, „woher soll die Fläche für den neuen Landwirt kommen“ und unterstellten diesem als neuen Betrieb einen „sehr großen Flächenhunger“. Eine Frage, die sich eigentlich von selbst beantwortet, schreiben die Landwirte doch von einem „Betrieb, der Flächen in der ganzen Region bewirtschafte“. Mit anderen Worten, der Betrieb verlegt seinen Sitz vom Kleinen Hertenweg an der Herrenbuckel, was jedoch keinen Einfluss auf die von ihm bewirtschafteten Felder haben dürfte. Auch das Argument des Flächenverbrauchs für die Ansiedlung scheint nicht schlüssig. Der Standort am Kleinen Hertenweg, auf landwirtschaftlichen Böden, wird aufgegeben, die Fläche am Herrenbuckel besiedelt. Für Außenstehende wohl eher ein Nullsummenspiel.
In dem Bericht der Landwirte zum Protest gegen die geplante Aussiedlung wird zugleich ein Horrorszenario gezeichnet: „Die Ansiedlung erhöhe den Konkurrenzdruck der Betriebe, es entstehe ein Verdrängungswettbewerb, so die Vermutung. Um konkurrenzfähig zu bleiben, folge oft eine Erhöhung der Intensität – mehr Dünger, mehr Pflanzenschutz. All das beschleunige den Artenschwund und schade der Fruchtbarkeit der Böden. Am Ende verblieben noch zwei, drei Betriebe auf der Gemarkung, die Vielfalt sei dahin, befürchten die Landwirte.“ Doch wie gesagt, der Landwirt betreibt seine Flächen schon, es geht um die Verlagerung des Betriebssitzes – woher soll der Konkurrenzdruck kommen?
Äcker sind teilweise verpachtet
Und weiter befürchten die Landwirte am Herrenbuckel: „Wie dynamisch sich florierende Betriebe entwickelten, wisse man in Reilingen.“ In ein paar Jahren sehe man sich einem mittleren Industriebetrieb mit alltäglichen Konfrontationen ausgesetzt, sorgen sich in dem Bericht die Landwirte und spielen damit auf einen großen Gemüsebauer in der Gemeinde an.
Gegen die Darstellung der Landwirte schreibt uns ein Leser, dass zwei der Betriebe auf dem Herrenbuckel ihre Ackerflächen an die von ihnen als natur- und artenschutzgefährdend bezeichneten industriellen Großbetriebe verpachtet hätten – an den besagten Gemüsebauern und an einen Rollrasenhersteller. Um was auch immer es bei dem Protest gehe, der Natur- oder Artenschutz könne es nicht sein, schlussfolgert der Leser.
Auch das Argument der möglichen Gefährdung von Reitern, Radfahrern oder Fußgängern durch den zusätzlichen Verkehr auf Feldwegen lässt er nicht gelten – der Großteil des Verkehrs auf den Reilinger Feldwegen werde eben von diesem großen Gemüsebauern verursacht, an den erhebliche Flächen verpachtet worden seien. Mit anderen Worten, am Status quo würde sich wenig ändern.
Kurzum, der Leser lässt kaum eines der vorgebrachten Argumente gelten und dürfte mit dieser Meinung in der Gemeinde nicht alleine sein. Doch welche Argumente stichhaltig sind, welche nur vorgeschoben, das wird die Erörterung des Vorgangs durch die Fachbehörden ergeben, bei der noch alle Fakten auf den Tisch gelegt werden können und bei der noch alle Beteiligten gehört werden.
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