Reilingen. Sämtliche Plätze in der fünften Jahrgangsstufe in Reilingen sind für das nächste Schuljahr 2025/2026 bereits belegt. In Zahlen ausgedrückt entspricht das zwei Klassen mit jeweils 28 Kindern. Auf der Warteliste stehen fünf junge Reilinger, 18 auswärtige Interessenten, die aus den anderen Horan-Kommunen Hockenheim, Alt- und Neulußheim stammen, wurde nach Angaben der Gemeindeverwaltung schon abgesagt. Derweil habe die Theodor-Heuss-Realschule in Hockenheim eine zusätzliche Klasse geöffnet, wodurch sie im kommenden Schuljahr sechszügig werde.
Angesichts dieser Anmeldesituation in der Sekundarstufe I sei Schulamtsdirektor Heiko Mail an die Reilinger Verwaltung mit dem Vorschlag herangetreten, an der Friedrich-von-Schiller-Gemeinschaftsschule eine dritte fünfte Klasse einzurichten und so die Lage zu entspannen. Die nötigen Räumlichkeiten stünden wegen des Weggangs der SRH Stephen-Hawking-Schule zur Verfügung, da durch diesen zwei Klassenzimmer und ein Differenzierungsraum frei geworden seien.
Das Klassenzimmer in den Containern benötige zwar die Grundschule, das andere im Haupthaus könne jedoch für eine dritte Klasse in Jahrgangsstufe fünf verwendet werden. Die Schulleitung wäre damit einverstanden und sehe neben der angestrebten Entspannung bei den Anmeldungen die Chance, Kapazitäten für die nächsten Jahre vorzuhalten. Sollten Schüler aus anderen Schulen zurückwechseln wollen, könne es sonst passieren, dass sie künftig ebenfalls an auswärtige Schulen verwiesen werden müssen – selbst, wenn es sich um Reilinger handele, da auch sie keinen Anspruch auf einen Schulplatz vor Ort hätten.
Geldsorgen spalten die Gemüter in Reilingen
„Die Gemeindekasse ist leer. Wir können uns eigentlich keine weiteren Schüler leisten“, erklärte Bürgermeister Stefan Weisbrod hierzu in der jüngsten Gemeinderatssitzung. Gleichwohl sei der Kommune bewusst, dass die Friedrich-von-Schiller-Schule die einzige Gemeinschaftsschule in der Verwaltungsgemeinschaft mit Hockenheim, Altlußheim und Neulußheim ist, an der folglich nicht nur Reilinger Kinder unterrichtet werden. Die Schulträgerschaft für die Sekundarstufe I (fünfte bis zehnte Klasse) und II (Oberstufe) teilten sich Hockenheim und Reilingen.
Die Entscheidung über eine zusätzliche fünfte Klasse in der Reilinger Lehreinrichtung obliege den Ratsmitgliedern. Denen gab der Rathauschef mit auf den Weg: „Sie können die Eröffnung einer weiteren Schulklasse auch ablehnen.“ Zudem erinnerte er daran, dass die Reilinger einst, als sie die Gemeinschaftsschule haben wollten, „einen Megastress hatten wegen der Zweizügigkeit“. „Uns wurde nie geglaubt, dass unser Dorf diese mit Leben füllen kann“, sagte Weisbrod. Und jetzt komme die Schulbehörde und rege eine Dreizügigkeit an.
Schulamtsdirektor Mail hob hervor: „Die Dreizügigkeit in Klasse fünf wäre eine einmalige Möglichkeit, weil die Nachfrage in Reilingen so groß geworden ist.“ Die Veränderungen in der Schulleitung hätten sicher dazu beigetragen, dass der Name der Friedrich-von-Schiller-Schule deutlich besser sei als noch vor einigen Jahren. Auch in den Klassenstufen acht, neun und zehn seien bereits drei Klassen pro Jahrgang vorhanden. Aufgrund der Anmeldungen für das nächste Schuljahr seien die fünften Klassen in Reilingen momentan schon am Limit. Ab mehr als 28 Kindern pro Klasse müsse aufgeteilt werden, sodass mehr Klassen mit weniger Kindern entstehen. Das wiederum erlaube eine bessere pädagogische Arbeit.
Darüber hinaus zeige die Erfahrung, dass es jedes Jahr eine beachtliche Anzahl an Rückläufern aus den sechsten und siebten Klassen der Gymnasien gebe. Deswegen habe Mail mit Schulleiterin Alexsandra Misra überlegt, ob eine dritte fünfte Klasse möglich wäre, um betroffenen Schülern aus Reilingen in ein oder zwei Jahren die Aufnahme im Heimatort zu ermöglichen. Die Verantwortung werde innerhalb der Horan-Gemeinschaft auch an anderer Stelle wahrgenommen, ergänzte der Bürgermeister in Hinblick auf die hergestellte Sechszügigkeit an der Hockenheimer Realschule.
Rektorin in Reilingen: Wird wohl ohnehin nötig
„Wir sind in den vergangenen Jahren unserer Verantwortung nachgekommen, weil wir uns als kleine Gemeinde getraut haben, mit dem Schulanbau einen wahnsinnig großen Schritt zu gehen“, kommentierte das Barbara Vogel (CDU). In dieses Vorhaben habe die Kommune rund 3,5 Millionen Euro investiert und sich diesen super Standort erkämpft. Bei der Klausurtagung hätten die Lehrkräfte die aktuelle Situation trotzdem als unheimlich eng beschrieben. „Deswegen mache ich mir sehr große Sorgen, wenn da eine weitere Klasse hinzukommt – und nicht, weil ich die Kinder da nicht haben will“, erläuterte die Christdemokratin.
Allein bei der Eröffnung der Klasse werde es zudem nicht bleiben, da diese bestimmte Folgen hätte. So bezahle die Gemeinde etwa alles, was mit Mittagessen zu tun hat. „Aufgrund der Konsequenzen, die in den nächsten Jahren auf uns zukämen, bin ich extrem skeptisch, eine weitere Klasse aufzumachen.“ Damit treffe sie den Nagel auf den Kopf, pflichtete ihr Weisbrod bei. Der Sachkostenzuschuss vom Land in Höhe von 1312 Euro je Schüler decke die anfallenden Kosten nicht ab. Für die gegenwärtig 700 Schüler leiste sich die Gemeinde ein jährliches Defizit von einer Million Euro. Peter Künzler (FW) verstand nicht, wieso eine zusätzliche Klasse eingerichtet werden sollte, wenn es doch ohnehin schon an Räumlichkeiten mangele.
Die fehlten in der Grundschule, weshalb es die Container und den Anbau gebe, stellte Rektorin Misra klar. Bei der fünften Klasse handle es sich nur um eine Verschiebung für ein Jahr. Im nächsten Schuljahr würden mit Sicherheit Schüler „von oben herunterkommen“, da sie zum Beispiel die Klassenstufe wiederholen. „Dann müssen wir die Klassen ohnehin teilen und dann wäre es für sie schöner, wenn wir bereits vorher teilen würden“, betonte sie. Durch den leider sehr unschönen Abgang der SRH in Reilingen seien die erforderlichen Räume nun frei. Darüber hinaus warnte sie davor, dass sich gute Lehrer bei Klassengrößen von 30 oder mehr Kindern weg versetzen lassen könnten.
Simon Schell (Grüne) gab zu bedenken, dass die Gemeinde als Arbeitgeber attraktiv bleiben müsse für die Lehrkräfte. Eine weitere fünfte Klasse wäre nicht nur für sie, sondern auch für die Schüler von Vorteil. Ausgerechnet bei der Bildung zu sparen, halte er nicht für sinnvoll. Das sah auch Jochen Lochner (Linke) so.
Patt im Reilinger Plenum
Geht die Schule weg, stirbt das Dorf: So habe damals die Prämisse gelautet, unter welcher der Gemeinderat sich entschlossen habe, in den Bildungsstandort zu investieren, erinnerte das erfahrene FW-Ratsmitglied Peter Geng. Ob das so eingetreten wäre, könne er nicht beurteilen. Doch in Reilingen die Schule zu besuchen, stärke zweifellos die Identifikation der Kinder mit ihrem Heimatort. Es könne nicht angehen, dass die Gemeinde mit einem noch größeren Minus im Haushalt bestraft werde, sollte sie noch mehr Schüler aufnehmen.
„Wer die Musik bestellt, soll sie auch zahlen“, spielte er auf stets neue Vorgaben und Wünsche des Landes sowie des Bundes im Schul- und Kita-Sektor an. „Hier möchten wir mal mehr dazu hören, wie man unsere Finanzlage entschärfen kann.“ Neben Reilingen stünden mittlerweile auch viele andere Kommunen mit dem Rücken an der Wand. Dazu merkte Mail an, das erforderliche Schulpersonal werde vom Land bezahlt.
„Wir müssen sparen, auch bei der Schule. Wir haben einfach das Geld nicht“, fand Dr. Stefan Reschke (FDP). Sozialdemokrat Dieter Rösch regte an, unter anderem die Sachkosten zu senken. „Wir müssen zum Beispiel nicht alle zwei Jahre die IT-Geräte erneuern“, sagte er.
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Bürgermeister Weisbrod betonte, Verwaltung und Rat seien der Schule nach wie vor sehr gewogen, an der weit mehr als 60 hoch motivierte Lehrkräfte arbeiteten. „Wir haben sogar Oberstudienräte, die an einer Dorfschule unterrichten“, hob er hervor. Nicht zuletzt weise der Stellenplan keine Vakanzen auf, was auch ein Verdienst der Rektorin und der Schulbehörde sei.
Nach der teils leidenschaftlichen Debatte stimmten sieben Ratsmitglieder für eine weitere fünfte Klasse und sieben dagegen. Aufgrund dieses Patts bleibt es bis auf Weiteres bei zwei fünften Klassen für kommendes Schuljahr, was Misra und Mail sichtlich enttäuscht zur Kenntnis nahmen.
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