Reilingen. Die Lehrerin steht vorne, die Schüler sitzen in mehreren Reihen vor ihr, blicken sie erwartungsvoll an und lauschen im Idealfall ihren Erläuterungen: Frontalunterricht heißt diese klassische Methode, mit der Jungen und Mädchen jahrhundertelang Wissen vermittelt wurde. Diese Unterrichtsform gilt inzwischen als veraltet und verschwindet zusehends aus den Klassenzimmern. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die pädagogischen Konzepte weiterentwickelt und mit ihnen die räumlichen Ansprüche für modernen Unterricht. Oder wie es Bauamtsleiterin Ramona Drexler in der Gemeinderatssitzung am Montag formulierte: „Die Anforderungen an den zeitgemäßen Schulbau haben sich in den letzten Jahren massiv geändert.“
Für die Friedrich-von-Schiller-Schule in Reilingen bedeutet das vor allem eins: Sie muss saniert, umgebaut und erweitert werden – ein Vorhaben, das mit mehreren Millionen Euro zu Buche schlagen und die ohnehin klamme Gemeindekasse erheblich belasten wird. Denn es würden immer mehr Räume benötigt für kooperative Lernformen, projektorientiertes Arbeiten oder individuelle Lernprozesse, die jeder Schüler für sich brauche, erläuterte Drexler. Dafür genüge ein einziger Klassenraum nicht mehr, zusätzlich seien Differenzierungsräume nötig, die sich jeweils zwei Klassen teilen. Dazu komme die Ganztagsschule: „Das heißt, die Kinder sind teilweise bis 15.45 Uhr hier und brauchen daher auch mal einen Ruheraum, wo sie sich erholen können von dem ganzen Stress am Tag.“ Auch die Lehrer benötigten einen Ruheraum, außerdem ein größeres Lehrerzimmer und Besprechungsräume.
Ein Anbau ist unverzichtbar
Darüber hinaus sollten die Flure so gestaltet werden, dass sie als Garderobe dienen – „damit mehr Platz im Klassenzimmer ist“ – und Lernnischen bieten. Wer tagsüber durch die Schule laufe, sehe selbst während der Unterrichtszeiten überall Kinder. „Sie verteilen sich in der Aula, in den Gängen und so weiter, um individuell arbeiten zu können. Das gibt unser Raumprogramm einfach nicht mehr her“, stellte die Bauamtsleiterin klar. Wenn ab dem Schuljahr 2026/2027 der stufenweise Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler gelte, benötige die Reilinger Grundschule 14 Klassenzimmer und sieben Differenzierungsräume. Die aktuelle Größe der Klassenräume liege mit 60 Quadratmetern unter den neuen Vorgaben des Landes, das mittlerweile mindestens 70 Quadratmeter fordere.
Ein weiteres Problem bestehe darin, dass die Grundschule derzeit auf drei Häuser verteilt ist: Zwei Klassen sind im Hauptgebäude, sechs im E-Gebäude und sechs in den Containern untergebracht. Letztere Lösung sei zudem nur vorübergehend zulässig. „Die Container können nicht ewig stehen bleiben, das heißt, wir brauchen irgendwann Klassenzimmer für die ganzen Schüler“, betonte Drexler. Nicht zuletzt sehe das Ganztagskonzept eine Bibliothek für die Kinder, ein offenes Klassenzimmer und einen überdachten Schulhof vor, damit die Jungen und Mädchen sich zwischendurch auch mal bewegen können.
„Im bestehenden Gebäude bekommen wir das so nicht hin“, erklärte sie. Deshalb schlage die Verwaltung einen Anbau vor, der das Haupt- mit dem E-Gebäude verbindet. Das hätte zusätzlich den Vorteil, dass die Lehrer, die allen drei Gebäudeteilen arbeiten, kürzere Wege hätten und zum Beispiel bei schlechtem Wetter überallhin gelangen könnten, ohne dass sie selbst und etwaige Arbeitsmaterialien nass werden.
Doch welche Möglichkeiten gibt es, das alles umzusetzen? Und wie viel würden diese Varianten kosten? Das solle eine Fachfirma bei der Vorplanung herausfinden und den Ratsmitgliedern dann ausführlich erläutern, schlug Bauamtsleiterin Drexler vor. Auf diese Weise sollten die Kommunalpolitiker eine ordentliche Entscheidungsgrundlage für das weitere Vorgehen auf den Tisch bekommen. Das ortsansässige Architekturbüro Vögele habe angeboten, diese Aufgabe für rund 58.000 Euro zu übernehmen. Diese Grundlagenermittlung sei ebenfalls wichtig, um später Fördermittel für das Projekt beantragen zu können, ergänzte Bürgermeister Stefan Weisbrod. Über die Anpassungsbedarfe in der Schule habe sich der Rat bereits bei einer Haushaltsklausur Gedanken gemacht. „Wir machen uns das Thema gerade im Hinblick auf die knappen finanziellen Ressourcen wahrlich nicht leicht“, betonte er.
Eine zusätzliche Hürde
Sobald der Gemeinderat eine Variante ausgewählt hat, gelte es, auf dieser Grundlage die weiteren Leistungen zu vergeben. Die erwartbaren Summen für die Architektenhonorare werden – so viel ist bereits klar – den Schwellenwert von 221.000 Euro für eine nationale Ausschreibung überschreiten. Deshalb muss die Gemeinde sie laut Gesetzgeber EU-weit ausschreiben. Theoretisch können sich für die Arbeiten, die in der Reilinger Schule anfallen, also Firmen von Rumänien bis Irland und von Malta bis Finnland bewerben. Diese Art der Ausschreibung bringt besondere Anforderungen und rechtliche Fallstricke mit sich. Da die Kommune damit bislang noch keine Erfahrung hat, empfahl Drexler, einen externen Experten zurate zu ziehen, um das Verfahren rechtssicher abzuwickeln.
Das war das Stichwort für Vergabeberater Ralf Crocoll. Von ihm erfuhren die Ratsmitglieder, dass die Ausschreibung zweistufig erfolgt. Zunächst werde öffentlich über das Projekt informiert – einschließlich der Eignungs- und Auswahlkriterien, die er gemeinsam mit Verwaltung und Rat ausarbeiten werde. Daraufhin könnten sich interessierte Büros für die Teilnahme bewerben. Die besten drei oder vier Bewerber kämen in die nächste Runde. Die Rangliste ergebe sich aus der Punkten, die die Bewerber anhand der vorher festgelegten Kriterien erreichen. Schaffen mehr als vier die volle Punktzahl, werde gelost.
In der zweiten Stufe würden die vier ausgewählten Unternehmen aufgefordert, ein Angebot abzugeben eine Präsentation vorzubereiten. Die Zuschlagskriterien würden vorher bekanntgegeben. Das Honorar fließen mit 50 Prozent in die Bewertung ein. Dem besten Bieter müsse der Rat schließlich zustimmen. Einzige Alternative wäre, „dass Sie sagen, wir machen das Projekt doch nicht“.
Fragen der Fraktionen
Betraut die Gemeinde nach der Vorplanung ein anderes Büro mit der weiteren Planung: Werden die bis dahin gewonnenen Erkenntnisse von der zweiten Firma übernommen oder muss diese vor vorne anfangen? Das interessierte Dieter Rösch (SPD) hinsichtlich der Kosten. „Es muss vereinbart werden, dass derjenige keine Rechte auf seine Vorplanung hat. Der anderer Planer macht dann aus Basis Ihrer Entscheidung weiter“, antwortete Crocoll.
Was passiert, wenn der Rat den Bestbieter ablehnt? Danach erkundigte sich Dr. Stefan Reschke (FDP). „Sie müssen schon einen Grund haben. Denn gehen Sie in so ein Verfahren rein, hat der Bieter Rechte. Wer zum Schluss der Beste ist, hat ein Zuschlagsrecht. Wenn Sie ihm das verweigern, müssen Sie das ganz genau begründen“, stellte der Experte klar. Einen möglichen Grund nannte er auch gleich: „Sie haben kein Geld mehr.“ Einfach ablehnen und von vorne anfangen, gehe aber nicht. Reschkes Nachfrage, ob private Träger ebenfalls die strengen Anforderungen einhalten müssen, bejahte er.
Barbara Vogel (CDU) wollte wissen, wie viele Bewerbungen erfahrungsgemäß von außerhalb Deutschlands kommen. Denn sprächen nicht alle Beteiligten Deutsch, gestalte sich die Kommunikation eventuell schwierig. Die Antwort: fast null. Bei den 140 Verfahren, die er begleitet habe, seien nur zwei Bewerbungen aus Österreich dabei gewesen. „Denn die Sprache wird vorgegeben“, sagte Crocoll. Nach Kostenvorteilen gefragt, berichtete er, dass die Gemeinde durch den enormen Konkurrenzdruck das beste Angebot bekommen werde. „Da gibt es teils große Preisnachlässe.“
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Können bei den Handwerksarbeiten Unternehmen aus der Region bevorzugt werden? Das fragte Simon Schell (Grüne) im Hinblick auf die Transportwege. Das lasse sich bei der entsprechenden Ausschreibung durchaus so handhaben, erklärte Vergabeberater Crocoll.
„Wer legt fest, was die Vorplanung umfasst? Ist es, was wir unbedingt brauchen, oder was schön wäre, zu haben?“, hakte Michael Lauer (FW) nach. „Was schreibt das Land vor? Die, die das vorschreiben, sollten auch einen großen Teil bezahlen“, fand er. Dazu sagte der Fachmann: Rat und Verwaltung müssten gemeinsam das Raumprogramm erarbeiten. „Wenn Sie kein Geld haben, müssen Sie einschränken.“ Es werde darum gehen, einen Mittelweg zu finden, merkte Rathauschef Weisbrod hierzu an. Bei den Vorberatungen sei zum Beispiel schon diskutiert worden, ob zwei Grundschulklassen sich vielleicht eine Toilette teilen könnten. Hier müssten Verwaltung, Rat und Schulleitung sich miteinander austauschen. „Wir haben auch engen Kontakt zum Elternbeirat“, berichtete er. Dieser wünsche sich unter anderem das Einrichten von Toilettenpaten.
Am Ende betrauten die Ratsmitglieder einstimmig das vorgeschlagene Architektenbüro mit der Vorplanung. Gegenüber Rektorin Alexsandra Misra, die mit mehreren Lehrerinnen die Debatte verfolgte, bekräftigte der Bürgermeister, dieses Votum zeige, der Rat und Verwaltung vom Kollegium überzeugt seien. „Deswegen wollen wir uns auf den Weg machen zu einem zeitgemäßen Raumkonzept für unsere Grundschule.“
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