Reilingen. Vor dem Schwurgericht des Landgerichts Mannheim begann am Donnerstag der Prozess gegen einen 23-jährigen Reilinger, dem die Staatsanwaltschaft versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vorwirft. Der Angeklagte, der sich seit der Tat in Untersuchungshaft befindet, soll in der Nacht von Montag, 30. Dezember, auf Dienstag, 31. Dezember 2024, in der Speyerer Straße in Reilingen gegen 2 Uhr mehrmals mit einer Schreckschusswaffe in die Luft geschossen haben. Als ein 42-Jähriger, der auf dem Weg von einer Kneipe nach Hause war, sich über den dadurch verursachten Lärm beschwert habe, soll der Angeklagte mit einem Messer mit einer Klingenlänge von 40 Zentimetern auf ihn zu gerannt sein und ihm mit bedingtem Tötungsvorsatz fünf Stiche im Bereich des Rumpfes und der oberen Extremitäten versetzt haben. Anschließend soll der 23-Jährige seine Freundin mit sich gezogen und sich vom Tatort entfernt haben. In der Wohnung seiner Oma soll er dieser mitgeteilt haben, er habe jemanden getötet, „weil ich es wollte“.
Das Opfer war wegen der Messerstiche in akute Lebensgefahr geraten. Der 42-Jährige hatte nur durch eine achtstündige Notoperation gerettet werden können. Er leidet heute noch an den Folgen der Messerattacke. Der Angeklagte machte ausführliche Angaben zu seiner Person und zum Tatvorwurf. Der gebürtige Schwetzinger ist „sehr behütet“ bei den Großeltern in Oberhausen-Rheinhausen aufgewachsen. Er besuchte die Schule in Reilingen. Die Eltern hätten Drogenprobleme gehabt, erzählte er der Strafkammer unter dem Vorsitzenden Richter Dr. Boos.
Im Alter von 13 Jahren sei er erstmals mit Cannabis und Alkohol in Berührung gekommen. Danach folgten Amphetamin, Ecstasy und weitere chemische Substanzen, wenig später auch noch LSD, Kokain und schließlich Heroin: „Ich war für alle Drogen offen.“ Zeitweise habe er psychotische Schübe gehabt und sich auch einmal in die Psychiatrie einweisen lassen. Zuletzt sei er ins Methadon-Programm aufgenommen worden. Der 23-Jährige, der den Hauptschulabschluss besitzt, keine Ausbildung gemacht und keinen Beruf ausgeübt hat, war zuletzt Bürgergeldbezieher. Der Tod seines Vaters und seines Opas habe ihm zu schaffen gemacht, mit seiner Mutter habe er sich gut verstanden. Zeitweise habe er Reptilien und Spinnen gehalten. Zudem habe er Schwerter und Messer gesammelt.
Erinnerungslücken bis zur Beichte bei der Oma
Am Vormittag des Tattags hatte er sich in Mannheim seine Dosis Methadon abgeholt, sagte der Beschuldigte. Danach hatte er noch Bier und Whisky eingekauft. Abends waren seine Freundin, die an diesem Tag Geburtstag hatte, und ein Kumpel bei ihm zu Besuch gewesen. Später war man gemeinsam in eine Kneipe gegangen. Beim Verlassen der Bar habe er ein paar Mal in die Luft geschossen. Er habe gedacht, der Geschädigte wollte seine Freundin angreifen: „Da sind alle Sicherungen bei mir raus.“ An mehr könne er sich nicht erinnern. Auch nicht daran, dass er in jener Nacht mit einem Samurai-Schwert zum Asylantenheim in Reilingen gehen wollte. Dort habe er immer sein Heroin geholt, manchmal aber auch nur mit den Bewohnern gechillt. Völlig aufgelöst habe er seiner Oma die Tat gebeichtet. Das sei ein „ekeliges Gefühl“ gewesen. Die Frau hatte dann die Polizei gerufen. Erst bei der Vorführung beim Haftrichter sei ihm bewusst geworden, was er gemacht hat, sagte der Beschuldigte dem Vorsitzenden.
Das Gericht fragte nach der politischen Einstellung des Angeklagten. Er sei „eher rechts“, aber kein Nazi, auch wenn er die Polizisten gefragt habe, „ob sie Moslems erschießen dürften“. Die Kripo hatte einen Laptop und einen Computer sowie mehrere Schreckschusswaffen, Messer und Schwerter bei dem 23-Jährigen sichergestellt. Im Internet soll er unter anderem die Suchbegriffe „Hitler“, „Himmler“, „Nigger“, „Machete“ und „I hate Muslims“ eingegeben haben. Als ihm vor Gericht der Browser-Inhalt vorgehalten wurde, habe man bei ihm ein Lächeln sehen können, meinten die Vertreterinnen der Nebenklage in der Verhandlung. „Ich weiß, dass ich zugestochen habe, mehr nicht“, gab der 23-Jährige zu.
Das Opfer leidet noch immer unter Folgen der schweren Verletzungen
Der Geschädigte war der erste Zeuge. Beim Verlassen der Kneipe habe er einen Knall gehört. Von irgendwo her habe jemand „Hurensohn“ gerufen. Plötzlich habe er eine Schwungbewegung wahrgenommen, dann sei er mit dem Hinterkopf auf dem Boden aufgeschlagen. Eine weibliche Stimme habe gerufen: „Was hast du getan?“. Der Angeklagte und sein Opfer hatten sich nicht gekannt. Das Gericht nahm ein Video aus einer Überwachungskamera in Augenschein. Darauf sind fünf Schüsse und mehrere Schreie zu hören. Der 42-Jährige war schwer verletzt worden. Ein Nerv am linken Bein war durchtrennt, durch den Stich in den Rücken war der Darm durchstochen worden. Er könne nicht mehr richtig gehen und wegen einer Handverletzung seinen Beruf als Koch nicht mehr ausüben, führte der Mann aus. Er sei in Physiotherapie und in psychologischer Behandlung: „Ich wollte in der Nacht nur nach Hause gehen.“
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Die 27-jährige Ex-Freundin des Angeklagten wurde ebenso vernommen. An jenem Abend sei man in der Kneipe zusammengesessen. Der Beschuldigte habe ihr zum Geburtstag eine Schreckschusspistole geschenkt. Er selbst habe in der Kneipe wohl zwei Schreckschusswaffen und ein Messer, vermutlich die Tatwaffe, dabeigehabt. Die Frau hatte nach der Attacke versucht, ihrem Freund das Messer wegzunehmen und sich dabei leicht an der Hand verletzt. An den genauen Tatablauf könne sie sich nicht erinnern, meinte die 27-Jährige. Der 23-Jährige habe eine „Drogenvergangenheit“ gehabt, sie habe aber nur von Cannabiskonsum gewusst. Ihr Freund, das feste Verhältnis bestand seit rund einem Monat vor der Tat, habe ab und zu von „Untermenschen“ geredet. Sie wisse auch, dass er keine Moslems mag und „was gegen Ausländer hat“.
Die Strafkammer hat insgesamt acht Verhandlungstage angesetzt. Die Nebenklage-Vertreterinnen werden Schmerzensgeldansprüche geltend machen. Für das Verfahren wurde ein psychiatrischer Gutachter bestellt. Der Prozess wird an diesem Freitag, 18. Juli, um 9.30 Uhr vor der Strafkammer des Landgerichts Mannheim fortgesetzt.
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