Reilingen. Mächtig Getöse verursachten die Wissenschaftlerinnen der Universität Hohenheim letzten Sommer mit ihrem Insektensauger auf den Reilinger Getreidefeldern. Im Rahmen der Forschungsreihe „NOcsPS – Landwirtschaft 4.0 ohne chemisch-synthetischen Pflanzenschutz“ waren die Mitarbeiterinnen der landwirtschaftlichen Fakultät auf der Suche nach Insekten im Weizenfeld. In der mehrjährigen Studie möchte man die Zusammenhänge zwischen Blühangebot-Nützling-Agrarschädling verstehen lernen, heißt es in einer Pressemitteilung.
Alles dreht sich um die „Nützlings-Performance“, sprich die Leistungsfähigkeit der „hilfreichen“ Insekten. Wie weit wandern die Nützlinge vom Blühstreifen am Feldrand ins Weizenfeld hinein? Wie schnell passen sich Nützlingspopulationen an das Schädlingsaufkommen an? Gelingt es den Nützlingen die Agrarschädlinge im Zaum zu halten? Wie lassen sich Nützlinge fördern? All das sind Fragen, auf die man Antwort finden möchte.
Entlang eines Transekts, einer definierten Strecke im Weizenfeld, wurden mit einem Sauggerät punktuell Insekten entnommen und bestimmt. Bis zur Ernte wurde diese Beprobung mehrfach durchgeführt. Dabei geht es nicht um Biene, Schmetterling und andere, es geht um die winzig kleinen, unscheinbaren Lebewesen. Larven von Florfliege, Schlupfwespe, Schwebfliege, Blattlausarten, Käfer und Spinnen sind die Zielarten. Mit bloßem Auge oft schwer zu bestimmen.
Auf den ungespritzten Getreidefeldern der Kraichgaukorn-Bauern finden die Biologinnen optimale Bedingungen vor. Die Felder werden bereits nach den Zielvorstellungen bewirtschaftet, unter Praxisbedingungen gelingen so aussagekräftige Forschungsergebnisse. „Gerne haben wir die Wissenschaft zu Gast auf unseren Feldern“, betont Kraichgaukornbauer Jürgen Schell aus Reilingen. „Dadurch können wir noch mehr Bauern und Verbraucher von unserem Weg des naturfördernden Getreideanbaus überzeugen. Diesen Wandel wollen wir forcieren. Die Insekten haben ein Recht auf den ,Fast Change‘. Viele Bauern haben die Zusammenhänge verstanden und sind bereit. Konsumenten geben mit ihrem Kaufverhalten den Takt vor und haben die Chance diesen Wandel zu beschleunigen“, erklärt Landwirt Schell.
Im Verbundprojekt „NOcsPS“ forschen Wissenschaftler aller relevanten Bereiche der Agrarwissenschaften an der Konzeption eines neuen Anbausystems für Ackerkulturen bei dem unter Einsatz von Mineraldünger auf chemisch-synthetischen Pflanzenschutz verzichtet wird. Es werden die Chancen und Auswirkungen einer Umstellung analysiert und aus ökologischer, ökonomischer und sozialer Perspektive beurteilt. Beteiligt sind die Universitäten Hohenheim, Göttingen und das Julius Kühn-Institut in Dahnsdorf, Brandenburg.
Eingebunden ist das Verbundprojekt „NOcsPS“ in den „Zukunftsprozess Agrarsysteme – Ideen und Strategien für eine lebenswerte Zukunft“, einer Fördermaßnahme des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Ausrichtung einer zukünftigen Agrarproduktion. zg
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