Historie - 70 Jahre war das Bundesbahn-Ausbesserungswerk einer der großen Arbeitgeber in der Stadt / Nur noch wenige Gebäude sind verblieben

1988 wurde hier der letzte Wagen repariert

Von 
Andreas Lin
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Die Geschichte der vor 150 Jahren eröffneten Eisenbahnstrecke Mannheim – Karlsruhe wäre ohne das Ausbesserungswerk (AW) Schwetzingen nicht komplett. Vor knapp 32 Jahren – am 10. Oktober 1988 – verließ der letzte reparierte Güterwagen die „Werkstatt“, wie sie im Volksmund hieß. Zuvor war sie rund 70 Jahre lang ein prägendes Element in der Stadt und lange Zeit der größte Arbeitgeber. Wir blicken auf die Geschichte zurück, wobei diese Erinnerungen im Wesentlichen auf Siegfried Borns Dokumentation aus dem Jahr 1996 zurückgeht.

Das Werk wurde in den Jahren 1913 bis 1917 auf der Gemarkungsgrenze Schwetzingen/Plankstadt errichtet und am 1. Januar 1918 in Betrieb genommen. Es lag seinerzeit noch weit von der Wohnbebauung weg. Zuerst hieß es Eisenbahn-Betriebswerkstätte, ab den 1920er Jahren dann Eisenbahn-Ausbesserungswerk, Reichsbahn-Ausbesserungswerk (in den 1930er Jahren), Bundesbahn-Ausbesserungswerk (ab 1949) und schließlich Bundesbahn-Ausbesserungswerkstätte (ab 1986). Bis 1930 wurden dort Dampflokomotiven sowie danach Güterwagen, Eichgeräte- und Sondernutzungsfahrzeuge gewartet und ausgebessert.

Bis zu 1100 Beschäftigte

Weil die existierenden Werkstätten für die vorhandenen Fahrzeugbestände nicht mehr ausreichten, wurde der Bau eines Eisenbahnausbesserungswerkes im Raum Mannheim/Heidelberg angeregt. Die Wahl fiel auf Schwetzingen, der Bürgerausschuss der Stadt genehmigte die Errichtung am 14. Oktober 1912.

Aufgrund des Ersten Weltkriegs gab es einen hohen Bedarf an Ausbesserungsarbeiten an den Fahrzeugen, was zur Folge hatte, dass das Werk 1919/1920 etwa 1100 Beschäftigte hatte. Von da an war das AW auf Jahrzehnte hinaus der größte Arbeitgeber im Raum Schwetzingen. Es umfasste zwei große Wagenrichthallen, mehrere Werkstätten mit einer eigenen Ausbildungswerkstatt und weitere Einrichtungen wie Schweißereien oder eine Werksfeuerwehr.

In den 1960er Jahren ging die Zahl der Beschäftigten zurück, da die Arbeitskräfte aufgrund besserer Verdienstmöglichkeiten in die private Industrie abwanderten. Der Bedarf wurde durch Gastarbeiter gedeckt, die aber bald schon wegen des geringeren Arbeitsaufkommens in den Rangier- und Verladedienst versetzt wurden. Ab 1974 begann eine stetige Reduzierung der Arbeitsleistung, was auch am sinkenden Verkehrsaufkommen bei Güterwagen lag. Schon damals drohte die Schließung. Personalvertretung und Werksleitung unternahmen große Anstrengungen, um dies zu verhindern, was auch gelang – vorerst.

Denn am 11. Oktober 1983 wurde die Schließung des Ausbesserungswerks Schwetzingen mit einem Erlass des Bundesministers für Verkehr genehmigt. 1985 wurde allerdings nochmals die Einbeziehung des Werks in die Leistungsplanung der Güterwageninstandsetzung erreicht, aber lange hatte dies nicht Bestand.

Im April 1987 wurden weitere Arbeitskräfte in das AW Karlsruhe versetzt, im September des gleichen Jahres verfügte die Zentralstelle Mainz den weiteren Abbau von Arbeitskräften bis zur völligen Stilllegung am 31. Dezember 1989. Über 70 Jahre Eisenbahngeschichte in Schwetzingen gingen damit zu Ende.

Wie geht es wohl im Süden weiter?

Die meisten Bauten blieben auf dem Werksgelände lange erhalten, verfielen aber über die Jahre mehr und mehr. Das Verwaltungsgebäude diente als Übergangsheim für Aussiedler und Asylbewerber. Zu diesem Zweck wurden auch noch zusätzlich kleinere Gebäude auf dem Werksgelände errichtet.

Eigentümerin blieb zunächst die Deutsche Bahn, dann die, ursprünglich als Tochterunternehmen gegründete, Aurelis. Im Mai 2011 wurde mit den Abrissarbeiten der nicht unter Denkmalschutz stehenden Teile begonnen.

Auf dem nördlichen Teil des Geländes eröffnete der französische Sportartikelhersteller Decathlon 2013 ein Logistikzentrum.

Was mit dem kleineren Südteil geschieht, der der Stadt kostenfrei überlassen wurde und in dem sich auch die unter Denkmalschutz stehenden und langsam verfallenden Bauten der ehemaligen Wagenrichthalle II und des Pförtnerhauses befinden, steht derzeit in den Sternen.

Redaktion Stv. Redaktionsleiter + Lokalsportchef Schwetzinger Zeitung

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