Noch schlimmer hätte das Chaos nicht sein können, das die Landesregierung von Baden-Württemberg mit ihrer viel zu spät am Freitag nach 22 Uhr erlassenen und dann am Wochenende zweimal nachgebesserten Landesverordnung in Sachen Corona angerichtet hat. Die Wirte und deren Mitarbeiter wurden kurzerhand zu Corona-Beratern umfunktioniert, die am Telefon und an der Eingangstür über die Teilnahme oder Nichtteilnahme am Frühstück oder gemeinsamen Abendessen mit Freunden oder der Familie zu entscheiden hatten.
Thomas Armbruster vom „Brauhaus zum Ritter“ beschrieb das so: „Den ganzen Samstag stand das Telefon nicht mehr still. Tische wurden abgesagt vor lauter Unsicherheit, was jetzt gilt und was nicht, die Anrufer wussten nicht, ob sie speziell jetzt einen Test vorweisen müssen oder nicht – es war das perfekte Chaos. Pascal Seidel und sein Team vom Ordnungsamt mussten drei verschiedene Briefe mit den geltenden Regelungen verschicken – und die können ja nichts für das Chaos aus Stuttgart. Viele Gäste waren sauer am Telefon“, erzählt er uns.
Freitagnachmittag hieß es noch, dass alle Gäste einen zusätzlichen Test brauchen, dann machte zuerst Rheinland-Pfalz die Einschränkung, dass bereits geboosterte, also zum dritten Mal geimpfte Menschen, den Test nicht brauchen, Baden-Württemberg zog da nach und gab das um 22.30 Uhr bekannt. Gültig sollte das aber schon am Samstagmorgen sein. Im Laufe des Wochenendes wurden die Ausnahmen dann erweitert. Jetzt ging man bei den Ausnahmen sogar weiter als Rheinland-Pfalz, obwohl man höhere Inzidenzwerte aufweist. Denn nun dürfen auch Personen ungetestet ins Lokal, deren vollständige Impfung nicht älter als sechs Monate ist und jene, die innerhalb der letzten sechs Monate genesen oder die länger genesen und inzwischen einmal geimpft sind, denn das zählt bei Genesenen als vollständig geimpft.
2G hätte mehr Klarheit gebracht
Komplizierter geht’s kaum. Und eigentlich bleiben – abgesehen von den Ungeimpften, die eh ganz ausgeschlossen wurden – kaum noch Menschen, die jetzt einen zusätzlichen Test brauchen. Da stellt sich dann schon die Frage, warum nicht gleich 2G gemacht wurde, so wie das bis heute noch immer in Hessen gilt.
Robert Nürnberger, der in Schwetzingen Geschäftsführer des „Welde-Brauhauses“ und des „Grünen Baums“ ist, spricht von einer „Vorgehensweise, die grenzwertig ist“. „Am Freitag war noch recht gutes Geschäft, weil alle nochmals raus wollten. Am Samstag und Sonntag dann eine sehr, sehr schlechte Auslastung. Wir hatten einen riesigen Kontrollaufwand und mussten Leute wegschicken, die die neue Regelung gar nicht kannten. Einer saß nur am Telefon, um Stornierungen entgegenzunehmen und die grad gültige Regelung zu erklären, die sich ja ständig geändert hat.“ Wenigstens seien die Leute diesmal nicht auf die Wirte sauer gewesen, sondern hätten eher mit Frust und Resignation auf das von der Landesregierung angerichtete Chaos reagiert“, sagt Nürnberger.
Kopfschütteln auch im Kaffeehaus bei Inhaber Bernd Lehnert. „Wir hätten jetzt gerade unsere Hochzeit, aber Weihnachtsfeiern und Tischreservierungen werden komplett abgesagt. Das Frühstücksgeschäft am Wochenende war gerade noch in Ordnung. Aber abends ist in Schwetzingen quasi gar nichts mehr los. Die Leute sind total verunsichert, was sie noch dürfen und was nicht. Und dann noch mehrere Änderungen an einem Wochenende, das geht doch nicht. Das macht uns das Geschäft vollends kaputt, da muss man überlegen, ob man überhaupt noch offen lassen kann.“
Das sind die Regeln für die Gastronomie, die derzeit gültig sind
In geschlossenen Räumen und im Freien gilt in Baden-Württemberg für die Gastronomie 2Gplus. Das heißt eigentlich, dass Geimpfte und Genesene zusätzlich einen negativen Test vorweisen müssen.
Aber in Baden-Württemberg wurden jetzt mehrere Ausnahmen erlassen: Die Testpflicht entfällt für Geboosterte – also für alle genesenen und geimpften Personen, die eine Auffrischungsimpfung gegen Corona erhalten haben. In der Regel ist das die dritte also die Boosterimpfung. Wer zuerst Johnson & Johnson bekommen hat braucht nur eine zweite als Boosterimpfung.
Ohne Boosterimpfung werden bezüglich ihres Immunzustandes Personen mit der Boosterimpfung gleichgestellt: Geimpfte mit abgeschlossener Grundimmunisierung, wenn seit der letzten erforderlichen Impfung nicht mehr als sechs Monate vergangen sind. Genesene, deren Infektion maximal sechs Monate zurückliegt – Nachweis durch Labordiagnostik. Wer länger als sechs Monate genesen ist und eine Impfung bekommen hat, ist ebenfalls von Tests befreit, da er so stark geschützt ist wie mit Boosterimpfung.
Ausgenommen von der PCR-Testpflicht und dem Zutritts- und Teilnahmeverbot sind: Schüler einer Grundschule, eines sonderpädagogischen Bildungszentrums, einer auf der Grundschule aufbauenden Schule oder einer beruflichen Schule bis einschließlich 17 Jahre. Aber auch Personen bis einschließlich 17 Jahre, die nicht mehr zur Schule gehen. Also auf deutsch: Alle Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren. Sie sollten einen Schülerausweis dabeihaben.
Zudem brauchen keine Tests Personen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Hier ist ein ärztlicher Nachweis vorzuzeigen. Personen, für die es keine allgemeine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) gibt. Schwangere und Stillende – aber nur noch bis zum 10. Dezember.
Wichtig ist bei allen Regelungen: Der gelbe Impfpass genügt nicht mehr, weil zu viele Fälschungen im Umlauf sind. Man braucht einen ausgedruckten oder digitalen QR-Code und muss immer auch den Personalausweis dabeihaben.
Mit Kontrollen und empfindlichen Bußgeldern bei der Feststellung von Verstößen ist nach Ablauf der laufenden Woche zu rechnen. Bis dahin gilt eine Art Eingewöhnungsphase.
In Rheinland-Pfalz gilt laut Sprecher des Gesundheitsministeriums David Freichel: Wird in der Verordnung geregelt, dass in den Fällen, in denen geimpfte Menschen in Innenräumen ohne Maske zusammenkommen – wie in Restaurants und Bars – grundsätzlich zusätzlich zu 2G noch ein Test vorgelegt werden muss. Davon haben wir eine Ausnahme gemacht im Hinblick auf die Geboosterten, die sich nach einem Vollschutz bereits ein weiteres Mal haben impfen lassen. Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter dieser Regelung werde die Situation genau beobachtet, aktuell gibt es keine Notwendigkeit für weitere Ausnahmen. jüg
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