Schwetzingen. Im Jahr 2004 beginnt mit dem Kauf eines „nackten“ Kasko, vergleichbar mit einem Haus im Rohbau, die Verwirklichung eines Traums. 17 Jahre lang baut Adam Kus mit größter Sorgfalt an der Segelyacht „Vixen“, der „Füchsin“, die 14 Meter lang und 3,90 Meter breit ist, sowie 120 Quadratmeter Segelfläche aufweist. Innenausbau, Elektrik, Mast – jeder Farbstrich, jede Schweißnaht, jeder Hammerschlag wird von Kus selbst getätigt. Die Werft in Speyer wird zu seinem Refugium, fernab der Arbeitswelt. Hauptberuflich arbeitet er in dieser Zeit beim Fahrradhaus Fender in Schwetzingen und finanziert alle Baukosten selbst. Inzwischen sind Kus und seine Freundin Judith bereits seit zweieinhalb Jahren auf See. Aber alles auf Anfang.
Bevor Kus auf die lange Reise geht, trennt er sich von seinen Besitztümern – Schrank, Bett, Bilder, Bücher. Ein übriggebliebenes kleines, altes Regal aus Metall stellt er in den Eingang zum Marstallhof und füllt es mit bunten Büchern sowie Geschichten über große Abenteuer, die ihm zu schade zum Entsorgen sind. Das Regal wird sofort gut angenommen, Bücher werden entnommen und neue kommen hinzu.
Dass das Gestell später für Aufsehen sorgen wird (wir berichteten) kommt ihm nicht in den Sinn. Er erfährt von Freunden, dass sein altes Regal nach zwei Jahren durch einen neumodischen und konformen gläsernen Bücherschrank ersetzt wurde. Dieser steht jetzt nicht mehr im Eingang, sondern im Hof. Die neue Version jedoch kommt nicht an die Beliebtheit und an die Geschichte des Originals heran, denn die ist abenteuerlicher und realer als jedes Buch.
Adam Kus aus Schwetzingen auf großer Tour: Die Vorbereitungen laufen
Im Herbst 2021 ist der große Tag gekommen: Die „Vixen“ ist fertig, die letzte Schraube angezogen, das letzte Seil gespannt. Die drei Monate vor der Weltreise nutzt der Segler, um sich vorzubereiten, und übt dafür auf dem Rhein. Er packt Essen und Ersatzteile ein: „Zu viel Vorbereitung bremst aus“, sagt Kus, der stets auf das Gute hofft.
Von Speyer aus geht es den Rhein entlang bis nach Holland. Am 4. Oktober bricht das Paar dann von Warns am Ijsselmeer auf in die Welt. Die Reise führt durch den Ärmelkanal über die Biskaya, wo die Segler von Delfinen begleitet werden, nach Portugal, Madeira auf die Kanaren. Die Überquerung des unberechenbaren Atlantiks ist dann hart und körperlich sehr anstrengend. Meterhohe Wellen schwappen über Bord. Die Folgen: rostige Konservendosen, zerbrochenes Glas und eine immerzu nasse „Füchsin“.
Am Heiligen Abend erreichen Kus und seine Freundin dennoch die Karibik und werden von sonnigem Wetter und Traumstränden belohnt. Nach einer langen, dringend notwendigen Erholungspause segeln sie durch den Panama-Kanal zu den Galapagos-Inseln. In drei Wochen durchqueren sie die Pazifik-Passage, die sich in die Länge zieht und Zeit zum Reparieren und Kochen bietet. Jede mögliche Reparatur erledigt der Schwetzinger selbst.
Wirbelsturmsaison und Reparaturen – aber malerische Buchten sind der Lohn
Nach 21 Tagen erreichen sie die Marquesas-Inseln, ankern an malerischen Buchten und genießen den Kontakt mit Einheimischen. Nach der Hälfte der Reise sind sie auf Tahiti, eine verspätet ankommende Zylinderkopfdichtung läutet eine kleine Pause ein. Um der bevorstehenden Wirbelsturmsaison zu entfliehen, kehrt das Paar ein halbes Jahr zu den Familien nach Deutschland zurück. Die „Vixen“ bleibt mit einem „Babysitter“ in der Werft. Nachdem die Reparaturen abgeschlossen sind, folgt laut Adam Kus der schönste Teil der Reise: der Südpazifik.
Auf Fidschi verbringt das Paar fünf Wochen in wunderschöner Natur – das wird ihr Zuhause in der Ferne. Der Abschied wird zum berührendsten und gleichzeitig schönsten Moment der Reise, denn die Mitarbeiter des gesamten Marinehafens, die in dieser Zeit zu Freunden von Kus und seiner Freundin geworden sind, kommen zusammen und stellen sich vor die Segelyacht. Es wird gesungen und Musik gemacht. Als Abschiedsgeschenk gibt es Blumenketten. Ein Moment, der Kus bis heute Tränen in die Augen treibt und ihn tief gerührt hat. Über Papua-Neuguinea segelt das Paar nach Australien, Indonesien und schließlich nach Thailand.
Hier folgt ein Rückschlag: Ein Katzenbiss an der Hand führt zu einer schweren Wundinfektion, Entzündung und Blutvergiftung. Kus hat Glück im Unglück, das Bangkok Hospital auf Phuket unterstützt mit Bluttransfusionen, Wundreinigung, Infusionen und Antibiotika die Heilung. „An anderen Orten mit weniger medizinischer Versorgung hätte es schlimmer ausgehen können“, fällt Kus’ Fazit aus. Fremde Tiere streichelt er garantiert nicht mehr. Mit seiner noch verbundenen Hand segelt er über den Indischen Ozean nach Indien, zu den Malediven und schließlich nach Afrika.
Positive Überraschung in Dschibuti für Adam Kus aus Schwetzingen
Den Indischen Ozean bezeichnet Kus als das „verrückteste“ aller Meere – tagelang begegnet man niemandem. Die Seebehörden haben ihn aber auf dem Radar, sollte etwas passieren. Außerdem hat er die Möglichkeit, über sein Satellitentelefon mit der Außenwelt zu kommunizieren. Während des Gesprächs mit dieser Zeitung sitzt Kus auf dem Boot in Dschibuti, am Horn von Afrika, einem kleinen Land zwischen Somalia, Eritrea und Äthiopien.
Es ist das erste Mal nach 17 Tagen auf See und knapp 2000 Seemeilen, dass er wieder Land unter den Füßen hat. In Dschibuti gibt es kaum Tourismus, aber er hat viel Kontakt mit den Einheimischen. Da aktuell Ramadan ist, treffen sie sich am Abend zum leckeren Fastenbrechen, Kath kauen und Wasser oder Kaffee trinken. „Es ist sehr interessant, ich bin positiv überrascht“, so das erste Fazit.
Es geht allein weiter – die Vor- und Nachteile
Aktuell segelt er allein, da Judith familienbedingt nach Hause fliegen musste. Das sei absolut okay, so Kus, man solle nur segeln, wenn man sich danach fühle. „Es ist auch eine schöne Erfahrung, allein unterwegs zu sein”, sagt er. Judith wird in Griechenland zurück an Bord kommen und Ersatzteile mitbringen.
Das Paar spart damit zusätzlich die Kosten für Visa und das Einklarieren in Ägypten. Gemeinsam mit einem Lotsen wird Kus die Route nur im Transfer überqueren und nicht an Land gehen. In diesem Abschnitt ist die Segelyacht gleichgestellt mit einem Frachtschiff. Aktuell werden an der „Vixen“ sämtliche nötigen Wartungsarbeiten durchgeführt, bevor sie das Rote Meer durchsegelt. Dann wird es abenteuerlich: Vor dem Seefahrer liegen die eritreische Miliz, die Huthi und der Suezkanal, die es zu bezwingen gilt. Echten Piraten ist er auch schon begegnet, diese hatte er beinahe im Schlaf gerammt, erinnert sich Kus lachend.
Trotz aller Gefahren bleibt für ihn das abenteuerlichste Stück der Reise der Rheinabschnitt zwischen Speyer und Holland, der gar nicht einfach mit seiner 20 Tonnen schweren Segelyacht zu befahren war. Das Boot, so versichert Kus, ist sicher und zuverlässig, Komfort kam bei seiner Planung immer an letzter Stelle. „Die Füchsin ist tapfer, das Boot verträgt mehr als der Mensch und ist unbeeindruckt von schlechtem Wetter.“ Wichtig sei, die Natur zu respektieren und sich an die Regeln zu halten.
Brodelnde Lava und Druckwellen – Das Abenteuer am Kraterrand
Zu seinen bisher größten Abenteuern zählt, am Rande eines aktiven Vulkans auf Tanna in Vanuatu im Südpazifik gestanden zu haben. Die brodelnde Lava zu sehen und die Druckwellen zu spüren – da habe er sich gedacht: „So sieht die Hölle aus.“ Ein anderes spannendes Erlebnis sei gewesen, mit einem Häuptling durch den Wald zu laufen und einer Dorfversammlung und Kala-Zeremonie beizuwohnen. Das Besondere? Es wird ihm nachgesagt, dass dort lange Jahre Kannibalismus betrieben wurde und angeblich noch heute ab und an Leute verschwinden.
Kus und seine Freundin haben viel erlebt und die Länder intensiv kennengelernt. Besonders bewegend ist die Zeit in Papua-Neuguinea. Die Menschen dort haben keinen Arzt, kein Geld, kein Werkzeug, viele nicht mal Kleidung. Die Weltreisenden wollen helfen und geben alles, was sie haben: Medikamente, Kleider, Küchenutensilien und Werkzeug. Auf ihrer Reise haben sie schon mehrfach Schulen mit Stiften, Heften und Spielzeugen unterstützt.
Das Leben auf dem Meer für Adam Kus aus Schwetzingen – mit Höhen und Tiefen
„Es rüttelt einen wach, wie gut es uns geht und dass dann trotzdem gejammert wird. Die Menschen hier haben nichts und sind glücklich. Man kann sagen, weniger ist mehr.“ Statt großer Boote setzen die Menschen auf Kanus aus Baumstämmen, ohne Licht, was besonders im Dunklen gefährlich ist. Geld hat hier keinen Wert, das Gemüse wird selbst angebaut. Das Paar hat aber auch das komplette Gegenteil in Australien erlebt: ein Leben im Überfluss.
Auf ihrer zweieinhalbjährigen Reise hat das Paar viel übers Leben gelernt. Sitten heißt es zu respektieren. „Deutsche Tugenden zur Seite zu schieben, macht vieles einfacher. Pünktlichkeit nicht so ernst, nicht alles so wichtig zu nehmen, sich nicht in kleinen Dingen zu verbeißen. Auf dem Ozean merkt man, wie klein man ist.“ Er sei sich den Gefahren auf See stets bewusst, nochmals mehr, seit er allein segelt. „Wir haben verlernt, zu scheitern. Treiben Unfug mit unserem Körper, statt auf unsere Gesundheit zu achten. Die Reise öffnet einem die Augen, man wird fähig, aus Fehlern zu lernen. Jeder Tag ist eine Lektion.“
Der Abschied und die Rückkehr
Adam Kus mag die andere Art des Segelns – sich an den schönsten Orten der Welt „zu reparieren” und an Flecken zu kommen, die die meisten Touristen niemals sehen werden. Es sind „die Menschen und nicht die Plätze, die die Reise bemerkenswert und wertvoll machen“. Die lange Zeit auf dem Meer sei auch herausfordernd – belastend, kräftezehrend, mit vielen Höhen und Tiefen. Aber Kus genießt es, er hat Lust auf das, was auf ihn zukommt. Das Boot lässt er nie unbeaufsichtigt, auch nachts nicht – es ist jetzt sein ganzer Besitz.
Aber er freut sich auch auf Europa. Er stellt sich vor, wie er die Menschen mit einer großen Portion Sarkasmus bei ihren Bagatellproblemen beobachten kann – zum Beispiel länger als fünf Minuten in der Schlange zu stehen. Der Plan ist, Mitte April das Mittelmeer zu durchqueren und im August zurück in Schwetzingen zu sein, pünktlich zu Mamas Geburtstag. „Das wird sportlich, aber man braucht ein Ziel vor Augen.“ Das Wiedersehen hat er fest versprochen.
Nach all den Abenteuern freut er sich aber vor allem auf einen geregelten Alltag und Tagesablauf, Routine, Job und die Freunde und Familie, die schon jetzt auf ihn warten. Sein Fazit: Um die Welt zu umsegeln, muss man als Mensch dafür gemacht sein. Er würde niemandem dazu raten. Und was das neue Bücherregal betrifft, das wird er sich mit Sicherheit genau anschauen, wenn er zurück ist. Vielleicht stellt er ja auch ein Reisebuch ins Regal.
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