Schwetzingen. Angekündigt war eine Lesung aus seinem neuen Krimi „Die sizilianische Akte“. Doch der Autor, Richter und Hochschuldozent Dr. Alessandro Bellardita ging an diesem Abend in der Trattoria Sicilia in Schwetzingen viel weiter. In der knappen Stunde entstand vor dem geistigen Auge der rund 25 Zuhörer ein brillant gefasstes Kaleidoskop der Mafia, die in Italien und weit darüber hinaus ein Biotop fand, das das Wachstum dieses kriminellen Netzwerkes begünstigte. Ganz vorneweg Deutschland, das nach wie vor als europäisches Geldwäscheparadies gilt. Bellardita ermöglichte den Zuhörern einen bemerkenswert tiefen Blick in das System Mafia, inklusive philosophischer Implikationen, die den Kampf gegen dieses menschenverachtende Netzwerk tragen.
Wie viel Realität steckt in Alessandro Bellarditas "Die sizilianische Akte"?
Angelehnt ist die Geschichte seines ermittelnden Staatsanwaltes Francesco De Benedetti aus Heidelberg, thematisch in den 1980er- und 1990er-Jahren rund um den legendären Untersuchungsrichter Giovanni Falcone und die Prozesse gegen die Cosa Nostra. De Benedetti bekommt aus Sizilien ein Amtshilfeersuchen, in dem er aufgefordert wird, den in Mannheim einsitzenden Mafiaboss Vito Macaluso zu verhören. Reine Formsache, die aber zu sich überstürzenden Ereignissen führt, die ein Licht auf das verborgene Gefüge der italienischen Mafia im Rhein-Neckar-Gebiet wirft.
Es ist auch eine verborgene Welt, in die der Untersuchungsrichter Falcone ab den 1980er-Jahren erstmals Licht brachte. Von ihm stammt übrigens der Satz: „Wer die Mafia verstehen will, muss auch nach Deutschland blicken“. Denn die Mafia hatte ein großes Problem: Sie hatte enorme Mengen Bargeld, das sie nicht ohne Weiteres in den wirtschaftlichen Kreislauf einfließen lassen konnte. Die Mafia musste ihre illegal erworbenen Gelder irgendwie legalisieren, umgangssprachlich spricht man von Geldwäsche. Und genau dafür bot sich Deutschland geradezu an, das bis heute auf zahlreichen Ebenen die Geldwäsche nur halbherzig bekämpft.
Darüber hinaus wurde Deutschland eine Art Parkraum für Auftragsmörder der Mafia. Bellardita sprach von einem Fall, bei dem zwei Mafiamörder in Mannheim lebten, für etwaige Aufträge nach Sizilien gebracht wurden und anschließend wieder in die Quadratestadt zurückkehrten. Mittlerweile gebe es auch in Deutschland mit dem Paragrafen 261 ein Geldwäschegesetz. Aber der Richter sieht darin ein Beispiel für den Sprung eines Tigers, der aber als Bettvorleger landete: Freiheitsstrafen bis maximal fünf Jahre. Und meist auf Bewährung. Damit, so Bellardita, würde man der Mafia nicht Herr werden.
Roman-Richter Falcone wusste das. Mehrmals war er hier und versuchte, auf diese Lücke im Kampf gegen die Mafia hinzuweisen. In Italien selbst gelang ihm dank Tommaso Buscetta, einem hochrangigen Mitglied der sizilianischen Cosa Nostra, der das Gebot der Omertá (Schweigepflicht) missachtete, ein tiefer Einblick in die mafiösen Strukturen. Es folgte 1986 der sogenannte Maxi-Prozess mit über 400 Angeklagten, der mit Haftstrafen von weit über 2000 Jahren endete. Die Bestätigung der Urteile war dann das Todesurteil für den Untersuchungsrichter. Am 23. Mai 1992 löste die Mafia in der Nähe Palermos eine 500 Kilogramm schwere Bombe, der Falcone, seine Ehefrau Francesca Morvillo und drei seiner Leibwächter zum Opfer fielen.
Wenn Unrecht zu Recht wird... Alessandro Bellardita über Philosophie
Es war nicht zu übersehen, dass Bellardita diesen Juristen, seine Überzeugungen und seinen Mut bewunderte. Für Immanuel Kant seien die Würde und die Freiheit aufs Engste miteinander verknüpft. Falcone ergänzte diesen Gedanken in einem Interview, dass sich die Essenz von Würde und Freiheit in der Erfüllung der Pflicht fände. Und frei nach Bertold Brechts Diktum, „wenn Unrecht zu Recht wird, ist Widerstand Pflicht“, sah sich Falcone in der Pflicht, sich gegen die Mafia zu stellen.
Ähnlich, so Bellardita, wie die Afroamerikanerin Rosa Parks, die sich am 1. Dezember 1955 weigerte ihren Sitzplatz für einen weißen Fahrgast zu räumen. Ein Aufbegehren gegen Unrecht, das bis dahin als Recht verbrämt wurde. Es war der Anfang der schwarzen Bürgerrechtsbewegung.
Am Ende, und damit endete Bellardita seine ungewöhnliche wie aufsehenerregende Lesung, brauche es Menschen, die sich bei allen Widerständen ihre Freiheit bewahrten und sich ihrer Pflicht stellten. Das gelte in der Welt der Romane wie in der wirklichen Welt.
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