Ausflug

Auf "Eiszeit-Safari" in den REM: Spannende Ausstellung für die ganze Familie

Von 
Peter W. Ragge
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Beeindruckende Szenerie aus der „Eiszeit-Safari“-Ausstellung mit rekonstruiertem Steppenbison sowie seinem Skelett. © REM/Rebecca Kind

Mannheim. Beeindruckende Tierrekonstruktionen und wichtige Knochenfunde zeigen in der Ausstellung „Eiszeit-Safari“, wie das Leben in unserer Region während der letzten Eiszeit war. Diese Safari macht Spaß, ist aber auch eine Warnung vor den Folgen des Klimawandels.

Weiß sieht als Farbe selten bedrohlich aus. Doch hier, an diesem Globus am Eingang der Ausstellung, ist das anders. Nur ein schmales Band rund um den Äquator ist grün und blau, der Rest alles mit Eis bedeckt. „Die Schneeballerde“ nennt ihn Wilfried Rosendahl, Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen. Doch das sei „zig Millionen Jahre her. Danach explodierte das Leben“. Die „Eiszeit-Safari“ ist dagegen einer Epoche der Erdgeschichte gewidmet, die nur 40 000 bis 15 000 Jahre zurückliegt, „mit deutlich geringerer Ausdehnung von Eisflächen“, wie Rosendahl betont, der die Ausstellung initiiert hat und leitet.

Fünf bis acht Tonnen schwer: ein Mammut. Die zahlreichen Tiere der Eiszeit sind sehr lebensecht nachgebildet worden. © REM/Rebecca Kind

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Sabine Maurer
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Etwa bis zur Linie Düsseldorf – Dresden hätten sich die vom Norden kommenden Gletscher erstreckt, im Süden bis zum Chiemsee oder dem Bodensee, die beide aus Gletscherwasser entstehen. „Der Feldberg ist die einzige Stelle im heutigen Baden-Württemberg, wo es Eis gibt“, erläutert Rosendahl die Situation. Unsere Region dagegen sei „kein lebensfeindlicher Raum“ gewesen, „ohne Eis, ohne ständige Schneestürme, mit viel blauem Himmel, satten Wiesen, Wind und bis zu 25 Grad, mit vielfältiger Tier- und Pflanzenlandschaft – eine Art Serengeti“.

Viele Mitmachstationen

Diese Landschaft kann man sehen – in einem sehr eindrucksvollen, durch Computeranimation erstellten virtuellen Flug über das Deutschland während der Eiszeit. Er reicht von Eiskante zu Eiskante, erstreckt sich über weite Savannen, wo man große Mammutherden ebenso entdeckt wie Höhlenlöwen, die Rentiere angreifen – eindrucksvoll gemacht! „Das war bisher in keiner Stadt zu sehen“, betont Rosendahl.

Schließlich ist die von ihm konzipierte Ausstellung „Eiszeit-Safari“ nicht neu. Schon 2016 hatte sie in der Festung Ehrenbreitstein Koblenz Premiere, seither ging sie mit sechs 40-Tonnern auf Tournee. Doch nun, in der Heimat angelangt, ist sie nicht nur größer denn je. Wer die Koblenzer Version gesehen hat, merkt sofort, wie sehr die Sonderschau inhaltlich und optisch gewonnen hat.

Zog zur Eiszeit durch unsere Region: das Wollhaarnashorn, ein dicht behaarter Pflanzenfresser, mit Nachwuchs in der Szenerie der „Eiszeit-Safari“-Ausstellung. © REM/Rebecca Kind

Der Film ist dafür nur ein Beispiel. Neu ist ebenso die Einstimmung der Besucher, dass schließlich der gebürtige Mannheimer Karl Friedrich Schimper (1803-1867) den Begriff „Eiszeit“ prägte und später sogar die Paläo-Klimaforschung begründete. Sehr anschaulich, nämlich anhand von vielen Mitmachstationen, erfahren Kinder wie Erwachsene, wie das Mannheimer Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie anhand der Isotopenanalyse von Erdablagerungen, darin eingeschlossenen Pollenresten, Funden alter Werkzeuge oder Knochen sowie anderen Methoden all das erforscht, was in der Ausstellung präsentiert wird. „Man kann die Forschung schwer verstehen, weil sie ja in den Maschinen passiert, aber hier gibt es etwas zum Anfassen“, sagt Rosendahl dazu.

Und nicht nur das macht die „Eiszeit-Safari“ zu einem Erlebnis für die ganze Familie. Einmal gibt es zahlreiche Mitmachstationen, wo man Tierzähne anfassen, neun verschiedene Tierfelle erfühlen oder sein Wissen unter Beweis stellen kann. Ob modern per App oder auf herkömmliche Weise per Beschriftung – zwei Figuren von damaligen Menschen, Urs und Lena genannt, nehmen die Besucher auch mit auf die Tour durch die Szenerie.

In der Eiszeit lebten nur wenige Menschen: die Scouts Urs und Lena. © REM/Rebecca Kind

„Es gab damals sehr wenige Menschen – aber sehr, sehr viele Tiere“, beschreibt Rosendahl die regionale Landschaft der Eiszeit. Sie wird in der Ausstellung, unter anderem mit insgesamt 100 Meter Panoramawänden, sehr wirklichkeitsgetreu nachempfunden. Überall sind aus Papier und Kunststoff hergestellte Pflanzenpräparate drapiert, die zeigen, welche Vegetation damals herrschte – und dass es viele der Pflanzen, die Preiselbeere etwa oder den Löwenzahn, noch heute gibt.

Die meisten Tiere, die einem hier begegnen, sind indes ausgestorben. „Der Oberrheingraben war wie eine Tierautobahn, hier entlang gab es eine große Wanderungsbewegung“, macht Rosendahl deutlich. Diese Vielfalt, aber auch die auf wissenschaftlicher Basis erstellten, sehr aufwendigen Rekonstruktionen der mehr als 100 tierischen Exponate sind beeindruckend, wirken äußerst lebensecht. Da schaut einen ein riesiger Steppenbison an, steht man plötzlich vor einem Höhlenlöwen – ein Drittel größer als heutige Löwen – oder einem Wildpferd, zum Wisent gesellen sich das Wollnashorn, Auerochsen und einige Mammuts, ergänzt mit dem kleinsten Mammutskelett der Welt, welches erstmals außerhalb der Schweiz, wo es gefunden wurde, gezeigt wird.

Zeiten und Preise

Zeiten: Die Ausstellung im Museum Weltkulturen D 5 ist bis 13. Februar 2022 dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Öffentliche Führungen gibt es ab 11. Juli jeweils sonntags um 15 Uhr.

Eintritt: Erwachsene 13,50 Euro, Kinder und Jugendliche (6-18 Jahre) 4,50 Euro, Begünstigte 11,50 Euro (inkl. ständige Sammlungen in D 5).

Corona-Regeln: Besuch derzeit ohne Test und Voranmeldung, aber mit Erfassung der Kontaktdaten sowie Maskenpflicht. Alle Mitmachstationen werden desinfiziert, es gibt Geräte zur Luftreinigung.

Zusatzangebote: kostenlose App mit zahlreichen Multimediainfos und Spielen, Begleitbuch (10 Euro) und gesondertes Begleitheft für Kinder (4 Euro) sowie Faltkarte mit Eiszeit-Ausflugstipps in der Region (kostenlos), dazu im Internet unter digital.rem-mannheim.de Podcast und Videos.

Macher: Wilfried Rosendahl, Gaelle Rosendahl, Doris Döppes, Sarah Nelly Friedland mit Hilfe von Hauptförderer Klaus Tschira Stiftung. pwr

Schließlich sind zum ersten Mal Exponate der „Sammlung Reis“ öffentlich zu sehen. 2016 hatte der Seniorchef der Sektkellerei Deidesheim, Klaus Reis, seine komplette Privatsammlung mit mehr als 20 000 meist eiszeitlichen Knochen, Schädeln, Gebissresten und Stoßzähnen als Zustiftung den Reiss-Engelhorn-Museen übertragen. Die Funde werden passend zu den Tierrekonstruktionen von Rentier, Braunbär, Hyäne und Elch gezeigt. Dabei wirkt der Riesenhirsch mit seinem enormen Geweih von einer Spannweite von bis zu vier Metern und bis zu 40 Kilo Gewicht besonders gewaltig.

Kölner Dom am Strand

Doch als sich das Klima wandelte, die Wälder wuchsen und dichter wurden, da kam er nicht mehr durch – und starb aus, wie so viele der damaligen Tiere, erläutert Rosendahl: „Überlebt hat da nur, wer anpassungsfähig war!“ Aber nun sei es der Mensch, der reagieren müsse. Das ist seine Botschaft. Denn neben Unterhaltung und Information wollen die Reiss-Engelhorn-Museen mit der Ausstellung eindrücklich, aber ohne Zeigefinger vermitteln, was Klimawandel einst bewirkte – und was er heute bedeutet, wo sich die Erde zunehmend erwärmt und die Gletscher schmelzen.

Wenn das so weitergeht, so zeigt eine Extrem-Simulation, werden Amsterdam und Venedig, sogar Berlin im Meer versinken. „Der Kölner Dom steht dann am Strand“, warnt der Museumschef. An der letzten Station der Ausstellung erfährt jeder, was er dagegen tun kann. Eine Zettelwand lädt zu Diskussion und Ideensammlung ein. „Es soll ja niemand hier resigniert ’rausgehen“, ist Rosendahl wichtig.

Redaktion Chefreporter

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