Aufgrund der dramatischen Situation deutscher Staatsangehöriger, afghanischer Ortskräfte und zahlreicher Rückfragen grüner Mitglieder hatte der Grüne Landtagsabgeordnete Dr. Andre Baumann zu einer virtuellen Konferenz einladen.
„Die Bilder aus der Hauptstadt Kabul erschüttern mich“, berichtete zu Beginn der Sitzung die Schwetzinger Stadträtin, Dr. Susanne Hierschbiel. Sie sei schockiert, wie Tausende Menschen um ihr Leben fürchteten und wie überrascht die Bundesregierungvon der Machtübernahme der Taliban sei.
„Alle Frauen, die sich dort für die Rechte von Frauen und Mädchen eingesetzt haben und dadurch in der Öffentlichkeit standen, sind jetzt im Stich gelassen und werden zur Zielscheibe. Sie alle sollten dieses Land mit sicherem Ziel verlassen können. Wenn wir nicht schnell handeln, bedeutet das einen enormen Vertrauensverlust“, so Hierschbiel weiter.
Die Bundestagskandidatin der Grünen, Nicole Heger, nahm ebenfalls an der Sitzung teil. Heger kritisierte die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD scharf: „SPD und CDU/CSU haben sich noch im Juni gegen ein vereinfachtes und unbürokratisches Aufnahmeverfahren afghanischer Ortskräfte ausgesprochen, das die Grünen im Bundestag beantragt hatten“.
Monika Schroth, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Neulußheimer Gemeinderat, kritisierte ebenfalls die Bundesregierung. Sie wollte von Baumann wissen, was das Land Baden-Württemberg tun könne, heißt es in der Pressemitteilung weiter. „Ich bin über die klaren Worte von Ministerpräsident Kretschmann angesichts der dramatischen Situation sehr dankbar. Das Land Baden-Württemberg hat sich außerdem bereit erklärt, Flüchtlinge aus Afghanistan aufzunehmen“, sagte Baumann. „Für Außen- und Verteidigungspolitik ist das Land nicht zuständig, das ist ganz klar die Aufgabe der Bundesregierung. Wir können Flüchtlinge aufnehmen. Und das tun wir.“ Hierschbiel wollte wissen, warum noch Anfang August das baden-württembergische Innenministerium Flüchtlinge nach Afghanistan abschieben wollte. Baumann erklärte, dass im August aus Baden-Württemberg keine Personen nach Afghanistan abgeschoben worden seien. Die Initiative des Innenministeriums habe auf einer Lageeinschätzung des Bundesaußenministerium beruht. Die Landtagsfraktion der Grünen habe sich jedoch Anfang August in Sachen Abschiebungen deutlich und kritisch geäußert. Insbesondere forderte der Fraktionsführer der Grünen im Landtag, Andreas Schwarz, die Bundesregierung dazu auf, den veralteten Bericht an die aktuelle Lage anzupassen. „Um es klar zu sagen: Ich bin dafür, dass Gefährder und Straftäter aus Deutschland ausgewiesen werden. Aber das Aufnahmeland muss eine sichere politische Lage aufweisen. Und das war und ist bei Afghanistan offensichtlich nicht der Fall“, so Baumann.
Nicole Heger sah wie alle Teilnehmenden an der Diskussion dringenden Handlungsbedarf: „Die Taliban sind religiöse Fundamentalisten, die im Zweifelsfall die Menschen ermorden, die mit dem verhassten Westen in den vergangenen Jahren zusammengearbeitet oder sich für Demokratie, die Rechte von Frauen und Minderheiten eingesetzt haben. Diese Menschen haben nun Angst um ihr Leben und wir können sie nicht einfach im Stich lassen“.
Der Antrag der Grünen vom Juni habe eine pragmatische Gruppenaufnahme afghanischer Ortskräfte statt einer aufwendigen Einzelfallprüfung zum Ziel gehabt. „Aber die Regierungsfraktionen haben den Antrag der Grünen abgelehnt und mitgeteilt, dass nur wenige Distrikte Afghanistans unter der Kontrolle der Taliban seien und eine Einzelfallprüfung erforderlich sei.“ zg
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