Schauspiel

Bina Blumencron verzaubert bei Heidelberger Theatertagen-Eröffnung

Zur Eröffnung der Heidelberger Theatertage hat Bina Blumencron das Solo-Stück „Tinder – a fucked up Night“ gezeigt – mit einem zeitgemäßen Blick auf das Leben.

Von 
Nora Abdel Rahman
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Bina Blumencron in „Tinder – a fucked up Night“, das bei den Heidelberger Theatertagen 2024 den Publikumspreis gewonnen hat. © Benjamin Blaikner

Heidelberg. Man kann der Musikerin und Schauspielerin Bina Blumencron zur Eröffnung der Heidelberger Theatertage im Karlstorkino nur beipflichten. „Well, it’s a marvelous night for a moondance“, singt sie den Van Morrison-Evergreen mit unglaublichem Gespür für Akzente und sensationellem Stimmvolumen. Begleitet wird sie dabei von Oliver Kuka, der seiner Gitarre ebenso meisterhafte Klänge hervorzulocken weiß.

Wie sich die Nacht nach dem Auftakt in die kommenden Theaterereignisse der Freien Szene anfühlt, weiß man zwar erst hinterher, aber die in Salzburg ansässige Blumencron lässt erahnen, wie geballt die kreative Energie hier zusammenkommt. Sie gestaltet als Publikumspreisträgerin des vergangenen Jahres den ersten Theaterabend des Festivals.

Die Heidelberger Theatertage sind Urgestein und Zukunftswerkstatt in einem

Das Solo-Stück „Tinder – A fucked up Night“ von Benjamin Blaikner und dem Theater der Mitte aus Österreich zeigt die ganze Wucht an Theaterkunst in einer One-Woman-Show. Denn Blumencron ist ein Multitalent. „Ich bin gescheitert“, spricht die Protagonistin, nachdem sie den zarten Song „I am just a poor boy“ von Simon & Garfunkel in neuer Version erstrahlen lässt, nur umgedeutet auf das schlichte Mädchen. Schlicht ist diese weibliche Figur nicht, vielmehr sind es ihre Liebschaften. Davon kündet die Performerin in einem Schlagabtausch aus Gesang, Text und Körpersprache sowie den lebensgroßen irrwitzigen Puppen, die als ihre männlichen Pendants herhalten.

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Man muss es einfach betonen: Die Heidelberger Theatertage sind Urgestein und Zukunftswerkstatt in einem. Seit drei Jahrzehnten geben sie der freien deutschsprachigen Theaterszene eine Bühne, die längst international wahrgenommen wird. Wer hier einen Preis gewinnt, verleiht der Karriere einen Sprung in ungeahnte Möglichkeiten. Da ist man schon mal nebenan auf dem Heidelberger Stückemarkt wiederzufinden. Aus über 50 Bewerbern der Freien Szene haben der Freie Theaterverein Heidelberg und das Theater im Karlstorbahnhof (TiK) unter der Leitung von Matthias Paul neun aufregende Produktionen für den Wettbewerb ausgesucht.

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Dazu gibt es ein Rahmenprogramm, das abwechslungsreicher kaum sein kann. Workshops von Theaterpädagogen der Heidelberger Hochschule für jeden, der mal selber spielen will; Amateurtheater im Möbelhaus oder an anderen Orten der Stadt und eine uns in Abgründe führende Lesung in Kooperation mit dem Heidelberger Literaturherbst von Jennifer Teege, der Enkelin des KZ-Kommandanten Amon Göth. Das alles zeugt von guter Vernetzung und großer Offenheit der Heidelberger Theatertage. Und so steht auch die Jury derselben für die Vielfalt der Perspektiven, die sich aus jungen studentischen Nachwuchstalenten ebenso zusammensetzt wie aus Profis aller Bereiche der Theaterkunst.

Inzwischen beweist Bina Blumencron, warum die Dating-Plattform Tinder das Lebensgefühl zu einer „fucked up night“ zerrütten kann. Wäre ihr Fazit „gescheit, gescheiter, gescheitert“ nicht so komisch, könnte es traurig stimmen. Aber die Performerin lässt nicht locker, uns mit flammenden Liedern und spitzen Sätzen zu versorgen, die dem kollektiven Gedächtnis einen ironisch-witzigen Hieb versetzen. Das muntert auf und macht Lust auf noch viel mehr Theater wie dieses – danach lässt sich gut im Mondschein tanzen.

Freie Autorin

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