Der Ortsverband der Partei Die Linke hatte zu seinem Jahresauftakt die Bundestagsabgeordnete Jessica Tatti eingeladen. Vorsitzender und Stadtrat Werner Zieger begrüßte zu der Diskussion in der Gaststätte „Blaues Loch“ etwa ein Dutzend Mitglieder.
Eines der Schwerpunktthemen war die Kommunalpolitik. „Heute beginnt der Wahlkampf“, ging Zieger auf die Bestrebungen in der Lokalpolitik gut ein Jahr vor der nächsten Kommunalwahl ein und skizzierte Forderungen und Vorstellungen der Linken und wie diese tatkräftig umgesetzt werden könnten. Im Gemeinderat könne er nur in Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen agieren und als Einzelkämpfer keine eigenen Anträge einbringen. Er sei aber fest entschlossen, das errungene Mandat von den Wählerstimmen her auszubauen oder noch mit einem anderen Sitz zu erweitern.
Zieger kam am Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine nicht umhin, auf das Kriegsgeschehen eingehen zu müssen. Auch bei der Linke-Aktion „Kaffee und Tee“, immer freitags in der Bahnhofsanlage, stelle sich immer wieder die Frage, wie viele Menschen noch sterben, verkrüppelt oder verwundet werden müssten, bevor endlich über einen Waffenstillstand und Frieden verhandelt würde. Die Zeiten würden nicht ruhiger, die Gesellschaft sei wohl in einer Dauerkrise, die Debatte werde rauer und die Diskussion aggressiver, pflichtete Jessica Tatti ihm bei. Die 41-jährige studierte Sozialarbeiterin, zuletzt im Flüchtlingssozialdienst der Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Esslingen tätig und seit 2017 Bundestagsabgeordnete für Die Linke im Wahlkreis Reutlingen, verurteilte den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, der viel Tod, Zerstörung und Flucht über das Land gebracht habe. Wer über die Vorgeschichte des Krieges sprechen wolle, sei aber nicht automatisch ein Putin-Versteher, erklärte sie. Es müsse alles getan werden, um einen sofortigen Waffenstillstand zu erwirken: „Der Krieg ist nicht zu gewinnen für die Ukraine, auch wenn weitere schwere Waffen geliefert werden. Verhandlungen sind auch keine Kapitulation. Man darf nicht einen Tag länger warten.“
Erster Schritt sei ein Waffenstillstand, dann müsse man mit Putin verhandeln, sagte die Bundesparlamentarierin, die Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales ist. Nach dem Termin in Schwetzingen fuhr die 41-Jährige mit dem Zug über Frankfurt nach Berlin, um am Samstagnachmittag an der Demonstration der Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht und der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer für „Frieden in der Ukraine“ am Brandenburger Tor teilzunehmen. Sie sei gegen Waffenlieferungen und habe deshalb das Friedensmanifest von Wagenknecht und Schwarzer unterzeichnet. Tatti echauffierte sich über die „unglaubliche Kriegsrhetorik, die derzeit auch in Deutschland an den Tag gelegt wird“. Sie habe nichts gegen Sanktionen, aber diese führten bei uns zu immensen Preissteigerungen, die die Leute nicht länger durchhielten, kam sie dann auf die Sozialpolitik zu sprechen.
„Politik des Sozialstaatabbaus“
Hohe Lebensmittelpreise und steigende Heizkosten hätten vor allem die Sozialhilfeempfänger mit voller Wucht getroffen. Tatti kritisierte die „Politik des Sozialstaatabbaus“ in den vergangenen Jahrzehnten. Die Ampelkoalition bleibe beim Arbeitsmarkt weitgehend untätig. Vor allem Menschen mit wenig Einkommen kämen so in eine prekäre Lage. Das Bürgergeld als „großangekündigte Wohltat“ habe weniger Kaufkraft als Hartz IV: „Die Armut wird dadurch nicht abgeschafft. Der Arbeitsmarkt wird krass zurückgespart.“
Bei dem kleinen „Vorwahlkampf“ zur Kommunalwahl im Mai nächsten Jahres kamen noch weitere Themen zur Sprache wie etwa das Müllproblem, die Gaspreisbremse oder die Handelsbeziehungen mit China. Mit Schurkenstaaten dürfe man keine Geschäfte machen, so Tatti. Bei der Künstlichen Intelligenz (KI) sei sie für Regulierung, sonst sei der Manipulation des Menschen Tür und Tor geöffnet. Die Linke-Politikerin, die ab 2014 im Stadtrat von Reutlingen als eine von zwei Mandatsträgern der dortigen Liste vertreten war und bei der Bundestagswahl 2017 über den Platz fünf der Landesliste ihrer Partei ein Mandat im Bundestag erlangt hatte, bat um Unterstützung für Werner Zieger und um möglichst viele Kandidaten auf der nächsten Wahlliste. Sie bat die Runde, auch in der Kommune die Stimme zu erheben „für eine Sozialpolitik für Menschen“. Dabei müsse man wieder zu einem respektvollen Umgang in der gesellschaftlichen Debatte kommen.
Zieger überreichte dem Gast einen Wimpel des Kreisverbands Rhein-Hardt und Spargelspitzen aus Schokolade. Eine Kaffeetasse mit Schwetzingen-Motiv findet einen Platz im Abgeordnetenbüro von Jessica Tatti in der Bundeshauptstadt.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen_artikel,-schwetzingen-buergergeld-hilft-nicht-gegen-armut-_arid,2055660.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen.html