Schwetzingen. Der Lack des schwarzen Rolls-Royce Phantom 1 glänzt in der Sonne, als läge eine Brillantenschicht über ihm. Die hintere Außenverkleidung ist aus beigefarbenen Rattan. Die bekannteste Luxuswagen-Firma der Welt wird 120 Jahre alt – und bei der 20. Classic-Gala im Schlossgarten Schwetzingen versammeln sich daher an diesem Wochenende 40 dieser edlen Karossen ab Baujahr 1923. Sie zeigen die Vielfalt des britischen Automobil-Adels auf, angefangen vom Silver Ghost bis hin zu den lautlosen Phantom-Modellen mit mehr als sieben Litern Hubraum.
Dabei erfahren Interessierte von Mitgliedern des Rolls-Royce-Enthusiasts-Clubs RREC und „The Other Club“, dass man zum Beispiel bis in die 1960er-Jahre nie über die Leistung eines solchen Wagens sprach, Kunden wurde versichert, diese sei in jeder Beziehung ausreichend.
Classic-Gala in Schwetzingen: Im Rolls-Royce steckt viel Liebe zum Detail
Apropos Beziehung: Der genannte Phantom 1 trägt übrigens den schönen Beinamen „Phantom of love“ – Phantom der Liebe. Der Chef der Woolworth-Kaufhäuser schenkte diesen seiner Frau Maud zur Hochzeit im Jahr 1926. Im Inneren gleicht der Wagen einem Salon mit Teppich, Vorhängen, einem barocken Deckengemälde, welches Putten zieren, dazu kobaltblau-goldene Minivasen und eine Uhr auf einem Aufbau auf der Rückseite der Fahrerkabine.
Es gibt so viel zu entdecken bei dieser Oldtimerschau: Da wären die legendären Veritas-Sportwagen, die zwischen 1946 und 1953 gebaut wurden, der Fiat 850-Club hat Kleinwagen dabei, die mit Sonderkarosserien aufwarten, oder auch der US-Concours, der sich dem Motto 60 Jahre „Baby-Boomer“ sowie 100 Jahre Chrysler verschrieben hat.
Die knuffigen Kleinen aus der Wirtschaftswunderzeit verzücken bei der Classic-Gala in Schwetzingen
„Schau mal, Papa, Kinderautos!“ Emilio (7) stürmt in Richtung des NSU-Fiats 500 Weinsberg, einem Coupé in rotorange (Baujahr 1960). Der 15-PS-starke Kleinwagen, der zwischen 1959 und 1962 genau 6228 Mal produziert wurde, reiht sich bei der 20. Classic-Gala im Schlossgarten Schwetzingen (wir berichteten online und im „Digitalen Sonntag“) in eine herrlich anzuschauende Linie mit weiteren „Zwergen“ wie dem Fend RSM KR 175 (1953), einem Dreirad-Kleinstwagen, oder dem FMR Tg 500 Tiger, den Messerschmitt aus dem genannten Fend-Flitzer entwickelte. Dieser fuhr sich mit seinen 20 PS wie ein Rennauto.
Aber richtig hin und weg ist Emilio vom Peel P 50 (1963). Der feuerrote Einsitzer ist genauso hoch wie der Knirps. Papa Frank Werner aus Hockenheim macht ein Foto mit Vehikel und Sohn, eines von sehr vielen an diesem Tag. Denn die legendäre Oldtimerschau ist am Wochenende trotz sengender Hitze ein Besuchermagnet – und der Peel nur einer von vielen tollen Ausstellungstücken, die Kurator Hans Hedtke zusammen mit dem Veranstaltungsteam um Johannes Hübner und Wolfgang Gauf nach Schwetzingen gebracht hat. Um die 200 Fahrzeuge sind zu sehen.
Übrigens: Der Peel ist genauso wenig ein „Kinderauto“ wie die oben genannten „Zwerge“ aus der Wirtschaftswunderzeit. Er wurde zwischen 1962 und 1965 nur in England als Versehrtenauto angeboten, steuerfrei und ohne Führerschein lenkbar.
Georg Probst und sein Karmann bei der Classic-Gala
Das Schöne an der Classic-Gala in Schwetzingen ist, dass sie eben nicht nur Anlaufpunkt für Automobilenthusiasten ist, sondern ein leistbares Angebot für die ganze Familie darstellt. Allein an den Geschichten, die hinter den Fahrzeugen stecken, kann man sich nicht satthören. Dabei vergehen Stunden, in denen man gerade mal wenige Autos weit kommt, weil so viel Interessantes zu erfahren ist. Wer zum Beispiel bei Georg Probst aus Ladenburg und seinem cremeweißen VW Karmann Ghia Cabriolet mit roten Ledersitzen stehenbleibt, erfährt, dass Probst hier sein absolutes Traumauto ausstellt, „den ich nie verkaufen würde“. Er hat ihn selbst in drei Jahren von Grund auf restauriert.
„Mit dem Auto verbinde ich viele Erinnerungen: Es war mein erstes Auto, damit habe ich meine Frau Karin kennengelernt und wir sind damit durch Europa gefahren“, erzählt er vom Wagen (Baujahr 1967). In einem Fotobuch zeigt er, wie er den „Schuppenfund“ in den jetzigen Topzustand versetzt hat, der ihn bei bis dato sieben Concours-Teilnahmen in Schwetzingen immerhin alle zwei Jahre Preise einbrachte. Dieses Mal sieht er klar die Konkurrenz von Opel in der gemeinsamen Wertungskategorie vorn: Zum 125-jährigen Jubiläum der Automarke aus Rüsselsheim sind europäische Raritäten vor Ort.
Die Mischung macht's bei der Classic-Gala
Es ist die Mischung, die es in Schwetzingen macht: Es gibt Modeschauen, Kunst und Eis von Fontanella sowie Livemusik. Die Fiat 600 Freunde Deutschland sind mit den Clubfreunden des Fiats 850 nebst seiner Varianten zum 125-jährigen Geburtstag der Marke dabei. Sie werben für Organspende – mit einem Unfallwagen. Die Teile, die von ihm noch verwendbar waren, konnten andere Fahrzeuge am Laufen halten, ist die Botschaft. Das Stadtmarketing Schwetzingen ist vor Ort, bietet kurfürstlichen Gin an und bekommt viel Lob für die schöne Aktion, mit dem Einzelhandel die Schaufenster in der Stadt passend zum automobilen Wochenende zu schmücken. „Das ist einfach ein schönes Gesamtbild“, sind sich zum Beispiel Peter Härtel und seine Frau Bianca Biehl einig.
Die beiden haben nicht nur einen Lincoln Continental Mark II mitgebracht, der einst Elvis Presley gehörte (wir berichteten), sondern auch noch Danny Wuenschel, den Gründer und Gitarristen von „Danny and the Wonderbras“, einer Rock‘n’Roll- und Country-Band. Dieser rockt vor der Elvis-Presley-Sonderausstellung und wird mit dem Auto genauso zum begehrten Fotoobjekt wie die Utensilien von Presley, die Andy Schröer aus Gelsenkirchen mitgebracht hat.
Mit der Armee-Kappe von Elvis Presley fing die Sammelleidenschaft an
Andy Schröer trägt seit Jahrzehnten mit Oskar Hentschel und Michael Knorr Kleidung, Accessoires, Instrumente, Schriftstücke, Tonbänder und vieles mehr aus dem Familienbesitz der Presleys zusammen. Er hat sogar mehrere Bücher über den weltbekannten US-Sänger und Entertainer geschrieben, unter anderem das in achtfacher Auflage und mehreren Sprachen verlegte „Private Presley“. Er zeigt in Schwetzingen zum Beispiel Schuhe und Blousons, die Elvis getragen hat. Mit einer Armee-Kappe begann die Sammelleidenschaft von Schröer. Die kaufte er als 17-Jähriger dem Neffen von Elvis’ Vermieterin in Bad Nauheim ab, dort war die Rock‘n’Roll-Legende während seiner Armee-Zeit stationiert. Auch die „Black Beauty“, die legendäre schwarze Gitarre von Elvis, ist in Schwetzingen zu sehen. Besonders stolz ist Andy Schröer, dass er den ersten Musikpreis, den Presley bei einem Gesangswettbewerb 1953 in seiner Highschool gewonnen hatte, in den USA ergattern konnte.
Ein einmaliger Pantera bei der Classic-Gala in Schwetzingen
So viele einmalige Stücke wie in Schwetzingen gibt es wahrlich nicht oft zu sehen – etwa den Foose Pantera, ein futuristisch anmutendes Fahrzeug. Auf der Basis des DeTomaso Pantera hat der Designer Sam Foose den Foose Pantera, einen Spider im Carabo-Stil, entwickelt. Das Auto verschwand nach seiner Premiere in Los Angeles 1975 für 50 Jahre und ist nun wieder aufgetaucht. Er hat einen V-8-Motor-OHV, 350 PS und fährt 280 Stundenkilometer.
Die nächste Classic-Gala in Schwetzingen ist vom 5. bis 7. September 2025.
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