Vor 150 Jahren lief der Deutsch-Französische Krieg schon einige Monate. Die Kampfhandlungen hatten am 2. August 1870 begonnen, wie wir bereits in unserer Veröffentlichung über die Rheintalbahn berichtet haben. Schwetzingen war damals Standort eines Reservelazaretts.
Bereits sechs Tage nach Kriegsbeginn hatten sich etwa 30 Frauen und Mädchen des Schwetzinger Frauenvereins für Arbeiten im Lazarett gemeldet. Dieses wurde schnellstmöglich in den Räumen des südlichen Zirkels eingerichtet. Gleichzeitig verpflegten die Damen des Frauenvereins wie auch die Männer der neu gegründeten Sanitätskolonne die durch Schwetzingen ins Feld marschierenden Truppen mit Brot, Wurst, Käse sowie mit Zigarren und Alkoholischem. Von Ende Juli bis Mitte August 1870 sammelten sich rund 42 000 Mann vor den Toren Altlußheims. So kann man sich ausrechnen wie hoch auch die Belastung für einen kleinen Ort wie Schwetzingen war, wenn hier an verschiedenen Tagen bis zu drei Regimenter durchmarschierten.
Großherzogin zu Besuch
Am 2. August erfolgte ein Besuch der Großherzogin im Schloss zur Besichtigung des Lazarettes. Hervorgehoben wurde hier besonders die kurze Einrichtungszeit durch die Tätigkeit des hiesigen Frauenvereins. Alle Frauen wurden der Großherzogin persönlich vorgestellt. Außerdem war zur Begrüßung der Großherzogin auch seine königliche Hoheit der Kronprinz von Preußen zugegen. Die durchschnittliche Belegung in den ersten Monaten lag bei ca. 228 Mann.
Ende August 1870 wurden zum Beispiel 320 Verwundete mit der Bahn angeliefert darunter auch 30 schwere Ruhr- und Typhusfälle. Durch die umsichtige Oberaufsicht von Clementine Bassermann sowie den Damen Seitz, Traumann und Van Wynder wurde ein Teil der Ansteckungsfälle in der Moschee sowie ein Teil in der Orangerie des Schlossgartens untergebracht. Betreut wurden diese von einem Dr. Rotter und zwei barmherzigen Schwestern, die auch für eine gewisse Zeit in der Moschee improvisiert wohnten, damit andere Verwundete nicht angesteckt wurden.
Außerdem wurde der südliche Zirkel in der Winterzeit mit gusseisernen Öfen versehen sowie der nördliche Zirkel durch Anbringung von Außenlampen bewohnbar gemacht. Weitere Räume zur Unterbringung von Verwundeten befanden sich in den oberen Stockwerken des südlichen Flügels vom Mittelbau des Schlosses. Bei gutem Wetter wurde die Betten mit den Kranken ins Freie gebracht, so konnte man in dieser Zeit auch die Säle besser reinigen und instand halten.
Bereits Ende September wollte die Großherzogin das Reservelazarett in Schwetzingen erneut inkognito besuchen, jedoch wurde die Depesche durch den Telegrafenbeamten an Freunde und Verwandte weitergegeben, so dass beim Eintreffen der Großherzogin bereits der ganze Ort Bescheid wusste.
560 Verwundete auf einen Schlag
Am 27. September 1870 wurden von den Schlachtfeldern 560 Verwundete nach Schwetzingen gebracht. Hierbei handelte es sich um 250 Deutsche, 308 Franzosen sowie zwei Tuareg aus Nordafrika. Zu diesem Zeitpunkt waren zehn tote Soldaten zu beklagen, der erste bereits am 13. August 1870 ein Georg Härtel aus Breslau an Wundstarrkrampf, dies war auch der erste Tote auf dem neuen Friedhof an der Mannheimer Landstraße (wir berichteten). Unter großer Beteiligung der Bevölkerung wurde er beerdigt, sein Grab ist heute noch auf dem Friedhof zu finden.
Auch durften sich die Soldaten (sowohl Deutsche wie auch Franzosen), sobald es die Genesung zuließ, in der Stadt frei bewegen, mussten sich aber nach einem Erlass des Chefarztes ab 18 Uhr wieder im Lazarett einfinden. Dieser Erlass war nötig geworden, da meist die einheimischen Wirtshausbesucher die deutschen Soldaten mit Getränken freihielten. Zu Weihnachten 1870 wurde im Grünen Saal des Schlosses durch den Lazarettvorstand sowie des Frauenkomitees eine Weihnachtsbescherung veranstaltet. Dieser Abend wurde durch ein Männerquartett mit Hauptlehrer Heinzerling sowie den Herren Kessler und Mechling mit Liedern untermalt.
Bürger spendeten fleißig
Zwei- bis dreimal in der Woche erschienen in den örtlichen Zeitungen Anzeigen mit den sogenannten Liebesgaben von Schwetzinger Bürgern. Dies waren sowohl Geldabgaben, aber auch Sachspenden von Obst, Wurst, Zigarren oder aber Verbrauchsmaterial an Binden und Stoffe zur Versorgung der Verwundeten, die sich hauptsächlich aus badischen und französischen Soldaten zusammensetzten. Das Reservelazarett Schwetzingen versorgte Verletzte und Verwundete bis zum Ende des Krieges im Mai 1871.
Interessant wäre noch wissen, ob das für diese Erläuterungen benutzte Kriegstagebuch eines Schwetzinger Bürgers, Teile der Auszüge waren mit OSch unterschrieben, noch existiert. Bekannt ist nur, dass Otto Schwarz ein Buchhändler vor Ort und Mitglied der Schwetzinger Sanitätskolonne war. Daher könnte das Kürzel OSch zu dieser Person gehören. Sollte einer der Leser des Artikels etwas über den Verbleib dieses Buches wissen, wäre dies für die Schwetzinger Geschichte sehr interessant.
Info: Weitere Bilder rund um das Reservelazarett gibt es unter www.schwetzinger-zeitung.de
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen_artikel,-schwetzingen-clementine-bassermann-fuehrte-aufsicht-_arid,1715870.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.schwetzinger-zeitung.de/dossiers_dossier,-jubilaeum-alles-rund-um-150-jahre-rheintalbahn-_dossierid,191.html
[2] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen.html
[3] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/altlussheim.html