Am Ende eines außergewöhnlichen Jahres hat der Gemeinderat den Haushaltsplan für 2021 verabschiedet (wir berichteten). Darin finden sich einige Investitionen für interessante Projekte, von denen eine ganze Menge auf der Agenda der Stadt stehen – vom Pfaudler-Gelände über das Rothacker’sche Haus bis zur ehemaligen Hof-Apotheke. Wir haben bei Oberbürgermeister Dr. René Pöltl nachgefragt, wie denn der Planungsstand ist und auch den Blick auf Entwicklungen während der Corona-Zeiten gerichtet.
Herr Dr. Pöltl, Thema Sanierung Bruchhäuser Straße – wann passiert etwas? Gibt es schon Pläne?
Dr. René Pöltl: Wir wissen noch nicht, wann die Sanierung – sehr wahrscheinlich in drei bis vier Abschnitten – erfolgen wird. Ich schätze, dass die Gesamtsanierung uns bis zu 15 Millionen Euro kosten wird – trotz Beteiligung des Landes, dem die Straße gehört. Wie die Sanierung erfolgen soll, hängt auch von mehreren noch offenen Entwicklungen ab: Zum einen von der Einrichtung des Radschnellwegs Schwetzingen –Heidelberg, der die Bruchhäuser Straße in der Kurfürstenstraße quert. Bei einem Radschnellweg darf es eigentlich keine Ampeln geben, sodass wir an dieser Stelle eine neue Kreuzungslösung finden müssen, wir würden einen Kreisverkehr ähnlich Südtangente/Scheffelstraße bevorzugen, dies wird aber erst klar sein, wenn wir nächstes Jahr an das Planungsgutachten gehen. Hier sehe ich auch den ersten Bauabschnitt bis zur Brückenauffahrt und gegebenenfalls bis zur Lessingstraße. Zum anderen ist grundlegend, ob die Oststadt noch baulich in Richtung Plankstadt erweitert wird, weil dies vielfache Erschließungsfragen aufwirft, vor allem für die Kreuzung Odenwaldring/Bruchhäuser Straße, die aktuell ebenfalls beampelt ist. Würden wir zu früh sanieren beziehungsweise umbauen, könnte dies bereits kurze Zeit später falsch sein. Das sollten wir uns ersparen.
Wie weit sind die Planungen für den Umbau des Rothacker’schen Hauses? Gibt es schon einen Zeitplan? Stimmt es, dass es teurer wird als erwartet?
Pöltl: Wir erwarten für Anfang 2021 den ersten belastbaren Planungsvorschlag des inzwischen nach europaweiter Ausschreibung beauftragten Architekturbüros. Dann werden wir auch die voraussichtlichen Kosten kennen. Es wird sicherlich teurer als die Machbarkeitsstudie, die nahe an zehn Millionen Euro lag, davon allein fünf Millionen für die Kernsanierung des Gebäudes, weil wir nunmehr eine belastbare Durchplanung des gesamten Gebäudes erhalten werden und wir auch großen Wert auf eine umfassende Nutzbarkeit legen. Wir sind alle auf die Vorschläge gespannt. Zunächst wird sich der Gemeinderat damit befassen, es wird aber auch wieder eine unmittelbare Information der interessierten Bürgerschaft geben.
Wann kann die ehemalige Hof-Apotheke als Rathauserweiterung erfolgen?
Pöltl: Wir wollen nächstes Jahr die Planung abschließen und in die bauliche Umsetzung gehen. Wir hoffen auf einen Abschluss der Bauarbeiten bis spätestens im Jahr 2023, da wir die Räumlichkeiten dringend benötigen. Die Platznot im Rathaus ist schon enorm.
Zum Pfaudler-Gelände: Wie ist der Stand der Planungen? Gibt es einen Zeitplan?
Pöltl: Nach Durchführung der sehr positiv gelaufenen virtuellen Bürgerbeteiligung müssen wir nunmehr noch einige Detailfragen für den ersten Bauabschnitt abarbeiten. Unser Ziel ist es, mit Zustimmung des Gemeinderats für die Grundplanung in der ersten Jahreshälfte 2021 die erforderliche Baugenehmigung für den ersten Bauabschnitt zu erteilen, die Bauarbeiten würden dann in der zweiten Jahreshälfte 2021 beginnen. Bereits zuvor wird der Abbruch des alten Verwaltungsgebäudes erfolgen. Der erste Bauabschnitt ist auch „Blaupause“ beziehungsweise „Muster“ für das übrige Baugebiet, für das wir dann zeitnah einen Bebauungsplan erstellen wollen, der auch den ersten Bauabschnitt mit einbezieht.
Wie sieht die Zukunft bei den Kasernen aus?
Pöltl: Das wissen wir derzeit noch nicht. In den historischen Gebäuden befinden sich aktuell befristete Zwischennutzungen durch die Bundeswehr und das Land Baden-Württemberg. Mit beiden Nutzungen sind wir als Kommune durchaus zufrieden. Wir haben Signale des Landes, dass es sich dort auch eine längerfristige Nutzung vorstellen könnte. Ob das kommt, wird von weiteren Gesprächen, Nutzungsbedingungen und der Zustimmung des Gemeinderats abhängen. Eins ist dabei klar zwischen Stadt und Land unstrittig: Es wird kein Ankunftszentrum wie in Heidelberg geben, auch keine Außenstelle. Grundsätzlich ist das Gelände der ehemaligen Tompkins Barracks nutzungstechnisch dreigeteilt: Etwa ein Drittel werden wir sehr wahrscheinlich der Natur zurückgeben beziehungsweise für die Natur erhalten – im Norden des Geländes, ein weiteres Drittel umfasst die historischen und unter Denkmalschutz stehenden Kasernengebäude und ein weiteres Drittel sind Flächen mit Nebengebäude im Südosten des Geländes. Sofern die historischen Gebäude weiterhin durch das Land genutzt werden könnten beziehungsweise würden, würde die Stadt dennoch das übrige Gelände erwerben und entsprechend nutzen. Denkbar wäre etwa eine künftige Nutzung des östlichen Teils als Gewerbepark. Beide Nutzungen würden sich durchaus vertragen.
Wie ist der aktuelle Stand beim S-Bahn-Ausbau?
Pöltl: Uns liegt seitens der Deutsche Bahn AG noch kein aktualisierter belastbarer und abschließender Bauplan vor. Vermutlich werden wir erst kurz vor Baubeginn informiert. Wir gehen davon aus, dass zuerst der S-Bahn-Haltepunkt im Hirschacker kommt, das dürfte 2021/22 passieren. Dann wird auch der Haltepunkt in der Nordstadt folgen, wir vermuten 2022/23. Wir zahlen nach wie vor fleißig unsere Beteiligungsraten und gehen davon aus, dass beide Haltepunkte zeitnah gebaut werden.
Ist die Stadt bei der Kinderbetreuung auf einem guten Weg?
Pöltl: Ganz klar: ja. Wenn alle weiteren Bau- und Entwicklungsmaßnahmen kommen, wie wir aktuell hoffen und planen, dürften wir bis zum Jahr 2023 in allen Altersbereichen ausreichende Kapazitäten haben und die erwarteten Zuwachsraten bei den Kindern vollständig abdecken können.
Die Ausschreibung des Linienbündels wird in den Nachbargemeinden heftig diskutiert? Wie ist da der Schwetzinger Standpunkt?
Pöltl: Ich kann hierzu keine detaillierten öffentlichen Aussagen machen, da wir uns unmittelbar im Vorfeld einer öffentlichen Ausschreibung befinden und die Vorabbekanntgabe von Details der geplanten Ausschreibung vergaberechtswidrig wäre. Ich kann nur so viel sagen: Die von den politischen Gruppierungen, den Bürgern und der Verwaltung gegenüber dem Vorhabenträger vorgebrachten Verbesserungsvorschläge sind zu einem großen Teil eingeflossen. Wir sind zufrieden und sehen viele Verbesserungen des ÖPNV-Angebots für die Schwetzinger Bürger. Wir werden auch deutliche Mehrkosten zu tragen haben, sehen diese in Relation zu den vorgesehenen Verbesserungen aber als gerechtfertigt an.
Welche Entwicklungen gibt es beim Capitol und dem Bereich drumherum?
Pöltl: Hier gibt es aktuell leider keine grundlegende Entwicklung. Es wird schwer werden, das Capitol zu erhalten. Es ist ein Spezialgebäude, war bereits beim Erwerb durch die Stadt in einem sehr schlechten Zustand und es wurde grundlegend baulich eingegriffen – Stichwort: Betonzwischendecke. Die Kosten einer Sanierung und Umnutzung sind immens, die möglichen Nutzungen aber eher eingeschränkt. Wir geben noch nicht auf, ich bin aber leider skeptisch, ob der Erhalt möglich sein wird. Als nächstes reißen wir 2021 das alte Gaststättengebäude ab.
Zur Pandemie: Welche Maßnahmen der vergangenen Monate würden Sie mit dem heutigen Wissen anders wählen?
Pöltl: Keine. Wir haben das in Deutschland bislang über alles hinweg gut hinbekommen. Jetzt war es zwar höchste Zeit für den großen Lockdown, man kann aber den Versuch mit einem kleinen Lockdown nicht als völlig falsch bezeichnen. Vielleicht hätte er mit mehr Disziplin von uns allen sogar geklappt. Letztlich muss man aber ehrlich sein: Niemand auf dieser Welt hat diese Situation in dieser Dimension jemals erlebt – die letzte große Pandemie dieser Art liegt mit der Spanischen Grippe mehr als 100 Jahre zurück. Wir wissen schlicht nicht, was richtig und falsch ist, haben es aber bis heute gut hinbekommen. Bisher hatten wir keine totale Überlastung des Gesundheitssystems wie in anderen Ländern und versuchen, die Wirtschaft und andere Bereiche mit viel staatlichen Subventionen durch diese Jahrhundertkrise zu bringen. Fehler werden sicher gemacht, sind meines Erachtens aber in Teilen nicht zu vermeiden. Grobe Fehler sehe ich aber nicht.
Gefährdet Corona geplante Projekte? Müssen Steuer- und Gebührenerhöhungen kommen?
Pöltl: Bislang sehe ich keine Projekte grundlegend gefährdet. Möglicherweise werden Zeitabläufe anders sein, aber auch das wissen wir aktuell nicht. Investitionen werden weiterhin möglich und wichtig sein. Allein wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie werden auch keine Steuer- und Gebührenanpassungen kommen müssen, wir müssen darüber vielmehr deswegen nachdenken, weil unsere Kosten – vor allem im Bereich der Kinderbetreuung und der Bildung, teils auch in der Kultur – in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen sind, ohne dass unsere Einnahmen dies hätten vollständig auffangen können. Wir waren auch großzügig, etwa bei den Kita-Gebühren, die wir seit zehn Jahren nicht erhöht haben, und die im Umkreis mit Abstand die günstigsten sind. Das war immer eine bewusste Entscheidung zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das werden wir aber nicht mehr länger durchhalten können, weil uns schlicht das Geld ausgeht. Am Ende können wir bei den laufenden Kosten nur das Geld ausgeben, das uns über den Staat oder direkt durch die Bürger zur Verfügung gestellt wird. Eigenes Geld besitzen wir als Kommune nicht – einzige größere Ausnahme: Die Einnahmen der Stadtwerke, die unser Freizeitbad Bellamar finanzieren. Wir kennen das auch alle privat: Wir können monatlich nicht mehr Geld ausgeben, als wir an Einnahmen erhalten. Wir werden aber versuchen, die möglichen Einnahmeanpassungen ab dem Jahr 2022 mit Augenmaß vorzunehmen.
Mit Blick auf die Pandemie: Welche Situation hat Sie hier an Ihre persönlichste Grenze gebracht?
Pöltl: Die gesamte Entwicklung seit März 2020 fordert nicht nur mir, sondern vielen Mitarbeitern der Stadtverwaltung sehr viel ab. Wir haben es mit ständigen Änderungen zu tun, die wir in der Regel erst kurz vor Inkrafttreten kennen, die aber alle von uns vor Ort kommuniziert, umgesetzt und überwacht werden müssen. Über die vergangenen Monate hinweg hat dieses Dauerfeuerwerk, das letztlich sieben Tage die Woche andauert, uns allen viel abverlangt. Wir managen die Krise hier vor Ort, das ist unsere Aufgabe, die wir auch gerne annehmen und mit viel Engagement umsetzen. Ich bin aber auch sehr stolz – und das können die Schwetzinger auch sein, dass die Mitarbeiter des Rathauses diese Krise im Griff haben. Was mir persönlich zusetzt, sind die Auswirkungen der Pandemie auf die örtliche Wirtschaft – Gewerbe, Handel, Gastronomie – und die Kultur. Hier sind Menschen betroffen, die ich alle persönlich kenne und schätze, und das tut mir sehr leid und weh. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir alle durch diese Krise kommen werden, aber die Unsicherheit und das „Leiden“ anderer setzen zu.
Wenn Sie drei Wünsche für 2021 frei hätten, welche wären das?
Pöltl: Pandemie bald vorbei, Schwetzingen wieder Treffpunkt der Menschen aus der Region und die Zuversicht der Menschen wieder zurück. Alles soll wieder gut werden.
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