Friedhof - Wie Bestatter in Zeiten von Corona arbeiten und mit welchen Belastungen sie zu kämpfen haben / Peter Straub und Erich Gaa kritisieren Stadtverwaltung

„Das bleibt das ganze Leben hängen“

Von 
Andreas Lin und Sarah Wallner
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Schwetzingen. Trauer ist ein Prozess, der enorm wichtig ist, um den Verlust eines geliebten Menschen zu verarbeiten. Dabei muss man sich auch darauf einlassen und sich die Zeit zum Trauern nehmen. Wie und wie lange man für diese Trauer braucht, ist personenabhängig. Jedoch gibt es auch viele, die sich nicht auf diesen Prozess einlassen wollen, weil der Schmerz im ersten Moment zu groß ist. Das ist ein Fehler, denn dieser Schmerz wird meist nicht weniger, er kann vielleicht anfangs ignoriert oder verdrängt werden, allerdings schleicht er sich früher oder später wieder an und trifft den Trauernden dann meist viel schlimmer. Aber wie trauern wir in Zeiten, in denen es keine normalen Bestattungen im klassischen Sinne geben kann? Und was bedeutet es für die Bestatter, wenn sie ihre Arbeit nicht mehr wie gewohnt ausüben können?

Bestatter ist generell kein leichter Beruf, in Zeiten von Corona ist es noch schwieriger. Die Vorschriften und Auflagen sind so umfassend, dass sie eine große Belastung für alle Beteiligten darstellen, erzählen Erich Gaa und Peter Straub. Es fing schon damit an, dass sie anfangs keine Masken, Handschuhe und Desinfektionsmittel bekommen haben. „Das war ein Drama“, erinnert sich Straub. Der Schwetzinger ist wie sein Plankstadter Kollege Gaa schon lange im Geschäft – dementsprechend viel haben sie erlebt.

Glück mit dem Wetter

Aber die Situation der vergangenen Wochen hat auch sie an die Grenzen gebracht. Vor allem fühlen sie mit den Hinterbliebenen mit, die doppelt leiden mussten. „Man kann jemanden nur einmal im Leben beerdigen“, sagt Gaa und Straub ergänzt: „Wenn man nicht trauern kann, gibt das einen seelischen Schaden. Das bleibt das ganze Leben hängen.“ Anfangs durften ja nur maximal zehn bis 15 Leute zur Trauerfeier, da durften zum Teil nicht einmal alle der engsten Familienangehörigen dabei sein. „Und wir hatten einige Beerdigungen, da wären sehr viele gekommen“, weiß Erich Gaa.

Zudem mussten alle Zeremonien im Freien stattfinden, die Friedhofshallen waren gesperrt. „Wir alle, die Angehörigen und die Bestatter, hatten einfach nur Glück, dass das Wetter mitspielte, sonst wäre vieles in dieser Form nicht machbar gewesen“, blickt Peter Straub zurück.

Mittlerweile sind wieder 50 Personen zugelassen, 25 dürfen in die Halle, der Rest muss draußen stehen. „Ich muss es dann dem 26. sagen, dass er nicht rein darf“, erklärt der Schwetzinger. Immerhin sei es ihnen in Absprache mit den Pfarrern gelungen, die Abschiedszeremonien würdevoller zu gestalten – nicht wie andernorts, wo Sarg und Urne schon im Boden versenkt waren, wenn die Trauergesellschaft kam. „Kein Sand, kein Weihwasser, keine Blüten – wie gestalten die ihren Abschied?“, ergänzt Erich Gaa. „Wer darf mit ans Grab, wem müssen wir mitteilen, dass er aufgrund der maximalen Anwesendenzahl nicht kommen darf? Denn am Grab sollen nach Auflagen nicht mehr als 15 Leute stehen. Wissen wir, ob die Person zehn Meter weiter noch zur Trauergemeinde gehört oder einfach nur das Grab eines Verwandten besucht?“, schildert Peter Straub die Problematik.

Die Hygienevorschriften seien insgesamt eine Belastung. „Einige Gemeinden haben die Verantwortung auf die Bestatter abgewälzt“, ärgert er sich, weil er in diese Orten für die Desinfektion der Friedhofskapelle sorgen muss – und zwar durch eine Fachfirma, die er erst einmal suchen und finden muss. Dazu kommen die Kosten „Da muss man mit 400 bis 500 Euro rechnen, die ich an die Angehörigen weitergeben muss, so leid es mir tut“, sagt der Plankstadter. „Und dafür erhalten die Leute eine Sparbeerdigung.“

Er würde sich wünschen, dass die Gemeinden sagen, welche Firma nach jeder Beerdigung beauftragt werden muss, damit diese Arbeit wenigstens wegfalle. „Oder die Hallen sperren und alles draußen machen, dann kommen wir spätestens bei einem längeren Sturm oder Regenzeit an neue Grenzen“, meint Straub und ergänzt: „Wo setze ich dann eine 80-jährige Witwe hin?“ Schwetzingen sei da übrigens ein lobenswerter Vorreiter: „Das ist die einzige Gemeinde, die die Hallendesinfektion in Kooperation mit den Bestattern zulässt.“ In diesem Zusammenhang loben sie die beiden Friedhofsaufseher Steffen Harzer und Hans Reißfelder: „Die machen einen sehr guten Job.“

Aber wo das Gespräch auf Schwetzingen fällt, verändert sich bei Peter Straub die Stimmung. Er meint die Sanierungsmaßnahmen in der Trauerhalle neben der Friedhofskapelle, die Ende 2019 umgesetzt wurden. „Alles, was sie umgebaut haben, funktioniert nicht.“ Erich Gaa nickt zustimmend. Das fange schon damit an, dass die sogenannten Katafalk-Wagen zum Transport der Särge veraltet seien und das Schienensystem nicht kompatibel mit der Kühleinrichtung. Zudem sei das Schienensystem, mit dem die Särge in die Kühlzelle befördert werden, fehlerhaft. Dass das Kühlwasser mit einem Eimer aufgefangen werde und ein Abwasserrohr an der Decke viel zu tief befestigt sei, komme noch hinzu. Was aber Peter Straub besonders ärgert, ist, dass die Stadt („bis an die oberste Stelle“), seine Angebote zu Gesprächen und Ortsbegehungen weit vor Planungsbeginn abgelehnt oder ignoriert habe. „Die schieben unser ganzes Wissen beiseite“, ärgert sich Straub, der wie Gaa nicht nur schon ewig im Geschäft ist, sondern auch – was in diesem Berufszweig interessanterweise überhaupt nicht notwendig ist – eine fundierte Ausbildung gemacht hat. „Jetzt dürfen wir entscheiden, welche Bilder an die Wand kommen, aber die Technik funktioniert noch immer nicht.

Auch die Beschallung der Trauerhalle sei seit Jahren ein Thema. „Trotz mehrfachen Nachhakens, auch seitens der Pfarrer – nichts verändert sich.“ Die Technik sei 30 Jahre alt, habe ihre Tücken und sei nicht mehr zeitgemäß.

Wir haben deswegen bei der Stadtverwaltung nachgefragt. „Vertreter der Bestatter Firmen Straub, Gaa, Klein und Feuerstein – es handelt sich hier um die Bestatter, die überwiegend auf dem Schwetzinger Friedhof tätig sind – wurden, nachdem die ersten Ideen zur Veränderung der Leichenhalle in Abschiedsräume von unserem Bauamt durchdacht waren, eingeladen, um ihnen diese Ideen vorzustellen, deren Ideen aufzunehmen und um die Bedürfnisse der Bestatter soweit es möglich ist zu berücksichtigen“, heißt es seitens der städtischen Pressestelle.

Es soll nachgebessert werden

Es habe seit dem Januar 2019 mindestens fünf Besprechungstermine gegeben, in denen auch Details mit den Bestattern abgestimmt worden seien – wie zum Beispiel genereller Entfall der Kühlräume durch Ersatz mit separaten Kühlzellen (ähnlich in einer Pathologie), Anzahl und Größe der Kühlzellen, Anordnung der größten Kühlzellen, Transportwagen für die Kühlzellen, Einrichtung von Abschiedsräumen, Entfall der Leichenkühlräume, Gestaltung der Abschiedsräume, Ausschmückung der Abschiedsräume mit zum Beispiel Pflanzen, Einrichtung eines Raums in dem die Sargdeckel, Stühle und Tische gelagert werden können, eventuelle Beheizung der Abschiedsräume.

Die Stadt habe auch den nachträglichen Wunsch der Bestatter, ein Handwaschbecken im „Lagerraum“ zu installieren, aufgenommen, die Firma sei aktuell mit der Installation beauftragt. „Nachdem die wesentlichen Veränderungen vorgenommen waren, gab es einen Termin mit den Bestattern vor Ort um die Kühlzellenanlage vorzustellen, die wesentlichen Funktionen zu zeigen und zu erklären, ebenso den Transportwagen mit Hubvorrichtung für die Kühlzellenanlage. Damit eine durchgängige Verschiebung des Rollgestells, auf dem der Sarg vom Transportwagen in die Kühlzelle befördert wird, wurde die Schienenanlage bereits optimiert,“ teilt die Verwaltung weiter mit.

Folgende Punkte sollen nochnachgebessert werden: Die Abführung des Kondenswassers der Kühlanlage in den Kühlzellen sei in der Tat nicht optimal ausgeführt. Zu dieser Sachlage stehe das Bauamt seit Wochen mit der Errichterfirma im Gespräch, um eine Veränderung zu erreichen. Durch die Entwicklung der Corona-Pandemie sei es erst möglich, in der ersten Juni-Woche einen Termin zu vereinbaren, um die weiteren Schritte zu besprechen.

Beim Vor-Ort-Termin am 13. Januar sei von den Bestattern der Wunsch geäußert worden, ein durchgängiges Transportsystem zu schaffen, das es ermöglicht, aus einem Fahrzeug den Sarg ohne umzuheben in die Kühlzellen zu transportieren. Dazu die Stadt: „Aktuell ist das noch nicht möglich. Auch zu diesem Sachverhalt benötigen wir die Errichterfirma der Kühlzellen, da der aktuelle Transportwagen von dieser Firma ist. Auch diese Sachlage wird Gesprächsthema im Juni sein. Ebenso die noch zu kurze Auflagefläche der Särge.“

Noch keinen Corona-Fall beerdigt

Zurück zur aktuellen Situation: Wie wirkt sich Covid-19 an sich auf die Bestattungen aus?, fragen wir die beiden Bestatter. „Bislang hatten wir selbst zum Glück noch keinen Toten, der aufgrund des Virus verstorben ist. Und obwohl wahrscheinlich auch einige denken, dass sich die Sterberate zurzeit sicher verschlimmert hat, haben wir tatsächlich weniger Sterbefälle als zu der Zeit im vergangenen Jahr“, sagt Erich Gaa.

Ist der Umgang mit den Leichen zur Zeit gefährlicher? „Bei unserer Arbeit setzen wir uns immer der Gefahr aus, uns mit einer Krankheit anzustecken. Ganz egal, ob es nun Corona, Influenza, Multisystematrophie oder etwas anderes ist. Darum tragen wir auch im Zweifelsfall immer volle Schutzanzüge, Masken, Handschuhe.“

Redaktion Stv. Redaktionsleiter + Lokalsportchef Schwetzinger Zeitung

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