Schwetzingen. Jörg Halubek, geboren 1977 in Beckum, studierte an der Musikhochschule Stuttgart, der Musikhochschule Freiburg und der Schola Cantorum Brasiliens Kirchenmusik, Historische Tasteninstrumente und Historische Aufführungspraxis. Heute arbeitet er als Dirigent, Cembalist und Organist.
Seit 2011 ist er Professor für Orgel und Historische Tasteninstrumente an der Musikhochschule Stuttgart. Der Spezialist für vergessene musikalische Schätze bringt am Samstag und am Sonntag, 24. und 25. Mai, im Rahmen der SWR-Festspiele von Johann Christian Bach „Amor Vincitore“ auf die Bühne des Schlosstheaters.
Sie sind ein Fachmann für alte, musikalische Schätze. Wie muss man sich ihre Schatzsuche vorstellen?
Jörg Halubek: Das Suchen ist gar kein Problem. Es gibt unzählige vergessene Opern. Allein hier bei der Forschungsstelle Südwestdeutsche Hofmusik liegen zahlreiche Werke, die seit hunderten von Jahren nicht mehr gehört wurden. Und ein anderes Beispiel zu nennen: Von Pietro Alessandro Gaspare Scarlatti, geboren 1660 auf Sizilien und gestorben 1725 in Neapel, existieren über 100 Opern, nur drei kennt man. Oder die Oper „Ercole amante“, gewidmet dem französischen Sonnenkönig Ludwig der XIV, von der italienischen Komponistin Antonia Padoani Bembo (1640 bis 1720), völlig unbekannt, aber ein Traum. Weit schwieriger ist die Auswahl. Was funktioniert heute, mit den Musikern und natürlich vor allem beim Publikum.
Was ist für sie der Zauber dieser Musik ganz jenseits von Mozart, Puccini und Händel?
Halubek : Erst einmal findet sich ein Teil dieses Zaubers in dem Umstand, etwas zum ersten Mal zu machen. Bei vielen Stücken, die schon oft aufgeführt wurden, prägen diese Bilder und Töne das Machen. Bei den unbekannten Stücken ist man freier und kann von Klang bis Tempo viel Einfluss nehmen. Und dann sind etwaige Reaktionen des Publikums kaum abzuwägen. Es kann dafür aber auch schiefgehen. Ich habe schon entrüstetes Publikum erlebt.
Warum gehen manche Werke eigentlich unter und andere wiederum gehören seit hunderten Jahren zum zivilisatorischen Canon?
Halubek: Das ist schwer zu sagen. Bei Komponistinnen war es sicher die Zeit, die ihnen den Erfolg verwehrt hat. Bei anderen Werken war es vielleicht das Timing. Und manchmal ist es vielleicht das Bestehen neben Giganten. Neben Bach „Die Kunst der Fuge“ ist es nicht ganz leicht zu reüssieren.
Schwetzingen ist für mich ein Paradies. Klein, ja fast dörflich, dann dieses gigantische Schloss mit dem in meinen Augen schönsten Garten überhaupt, und als Krone das Kulturleben.
In Schwetzingen präsentieren sie von Johann Christian Bach und Patrick Schäfer das Hörtheater „Amor Vincitore“. Worauf dürfen sich die Zuhörer freuen?
Halubek: Auf ein unglaubliche Gesangs-Virtuosität und ein farbenreiches Orchester, das dieses Werk zum erblühen bringt. Und das ist hier kein Moment zu blumig, denn es geht um die großen Fragen rund um die Liebe und die Frage, was ist Nähe und wie stellt man sie her. Es wird ein Ereignis.
Gibt es Stücke, die sie gerne mal dirigiere würden?
Halubek: Ganz klar die H-Moll Messe und die Matthäus Passion von Johann Sebastian Bach. Zwei Stücke, die mit Worten nicht beschrieben werden können. Große Ehrfurcht meinerseits wäre garantiert. Ersteres ist übrigens völlig zurecht in das Weltdokumentenerbender UNESCO aufgenommen worden.
Sie kennen Schwetzingen gut, was macht diese kleine Stadt zu etwas Besonderem?
Halubek: Schwetzingen ist für mich ein Paradies. Klein, ja fast dörflich, dann dieses gigantische Schloss mit dem in meinen Augen schönsten Garten überhaupt, und als Krone das Kulturleben. Gerade musikalisch spielt die kurfürstliche Residenz ganz weit oben mit.
Was bedeutet ihnen Musik eigentlich ganz grundsätzlich?
Halubek: Für mich ist Musik eine Art Vergewisserung der Menschlichkeit. Die Musik kann uns offenbaren, dass wir alle Teile eines großen Ganzen sind. Und dieses Ganze, frei nach Aristoteles, größer und schöner ist, als die Summe seiner Teile. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Abwesenheit von Kultur das Konfliktpotenzial vergrößert. Ja, das Fehlen von Kultur führt in den Krieg. Weshalb der Kulturförderung in meinen Augen eine immense Bedeutung zukommt.
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