Schwetzingen. Die Stadt als Herzschrittmacher der Verkehrswende zu beschreiben, führt vielleicht etwas zu weit. Aber in den Augen des baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann kommt Schwetzingen an diesen Status doch ziemlich nah ran.
Bei seiner Begrüßung zur achten Eco-Mobil-Gala auf dem Schlossplatz ließ der Schirmherr jedenfalls keinen Zweifel daran, dass die kurfürstliche Residenz mit der Ausrichtung dieser Gala „großartige Pionierarbeit“ im Bereich der nachhaltigen Mobilität geleistet habe. „Als sie 2011 mit der Eco-Mobil-Gala starteten, war Glück von Nöten, um ein Elektroauto auf der Straße zu entdecken.“
Heute sei das Bild ein anderes und an dieser Entwicklung habe auch die Eco-Mobil-Gala ihren Anteil. Aber, und auch das gehört zur Wahrheit, es ist immer noch ein weiter Weg bis zu einer Verkehrswende, die ihren Namen verdient. Bis dato, so konstatierte Hermann, seien wir im Bezug zur Mobilität immer noch zu abhängig vom Auto.
Eco-Mobil-Gala in Schwetzingen zeigt eine erstaunliche Statistik auf
Wie abhängig, machen ein paar Zahlen deutlich. 2011, dem Jahr mit der ersten Eco-Mobil-Gala in Schwetzingen, waren in Deutschland laut Kraftfahrt-Bundesamt 42,3 Millionen Pkw unterwegs. Zum ersten Januar 2023 erreichte der Bestand in der Republik mit fast 48,8 Millionen ein Allzeithoch. Ein Plus von 6,5 Millionen in zwölf Jahren.
Die Bevölkerung nahm im gleichen Zeitraum von 80,2 Millionen auf 84,4 Millionen Menschen zu. Ein Plus von nur 4,2 Millionen. Der Fahrzeugbestand in Deutschland wächst schneller als die Bevölkerung. Und es war ein Anstieg vor allem im Verbrenner-Segment. Zum Jahresanfang 2023 verzeichnete das Statistische Bundesamt 30,5 Millionen Benziner und 14,4 Millionen Diesel. Macht zusammen fast 45 Millionen der 48,8 Millionen Autos. Hinzu kommen noch 1,17 Millionen reine Elektrofahrzeuge, 2,3 Millionen Wagen mit Hybridantrieb und einige andere Antriebe, wie Wasserstoff.
Dass mit dem ordentlichen Stück Weg für die Verkehrswende ist also keineswegs übertrieben. Und die Uhr tickt, verdeutlicht der Verkehrsminister. Der Klimawandel nehme Fahrt auf und es bliebe nicht mehr viel Zeit, um die meteorologischen Eckdaten für unsere Nachkommen im Zaum halten zu können.
Zugleich hält Hermann aber auch fest, dass sich das Land auf den Weg gemacht habe. Dabei gehe es bei der Verkehrswende um weit mehr als eine Antriebswende. Die bleibe wichtig, zentral sei aber die Vernetzung und das Sharing. Mobilität bedeutet hier das Zusammendenken von zu Fuß unterwegs sein, über das Fahrradfahren und den öffentlichen Nah- und Fernverkehr bis zum Elektroauto und der jeweils notwendigen Infrastruktur. Natürlich sei da noch lange nicht alles gut, aber es wurde auch nicht Nichts erreicht. Mehr Züge seien im Land unterwegs, Ladestationen würden gefördert sowie Fahrradwege aus- und neugebaut. Mittlerweile gebe es im Ländle 16 000 Ladepunkte.
Eco-Mobil-Gala in Schwetzingen für E-Mobilität: Es könnte vieles schneller gehen
In Schwetzingen, betont Wolfgang Leberecht, Leiter der Stadtentwicklung und Vertreter des Oberbürgermeisters, der auf dem Städtetag weilt, habe sich einiges geändert: Die B36 wurde aus der Stadt verlegt, der Schlossplatz verkehrsberuhigt, die S-Bahn-Haltepunkte verwirklicht, das Leihfahrradsystem Nextbike von VRN installiert und vor allem die Fahrrad-Infrastruktur ausgebaut, nennt er Beispiele.
Hier sehen aber einige Bürger noch deutlichen Nachholbedarf. Klaus und Rita Albert empfehlen allen Verantwortlichen, einfach Mal in die Niederlande zu fahren. „Das ist gelungene Infrastruktur für das Fahrrad.“ Deutschland sei davon noch sehr weit weg. Eine Sicht, die Jonas Bachmann vom Deutschen Fahrradmuseum teilt. „Für das Fahrrad muss noch viel mehr Platz geschaffen werden.“
Und ja, das gehe natürlich in Teilen zu Lasten der Autos. Zugleich gehört das Auto weiter zur Zukunft. Gerhard Stein von dem Elektrowagen-Beratungsverein „Electro Vehicles Rhein-Neckar“ räumt ein, dass es nachhaltige Mobilität in Reinform nicht gebe. Aber es mache einen Unterschied, zu versuchen es besser zu machen. „Und das Elektroauto ist besser als der Verbrenner.“
Tolle Mischung aus Information und Aktivitäten bei der Eco-Mobil-Gala
Es ist dieser Mix aus Informationen und zahlreichen Angeboten rund um Elektroautos, Fahrräder mit Batterie, den Laufrädern für Erwachsene der Firma „sollso“, Sharing-Modelle, eigener Energiegewinnung und vielem mehr, das die Besucher bei der Eco-Mobil-Gala einlädt, aktiver gegen den Klimawandel mitzuwirken. Denn nur gemeinsam ist das zu schaffen, wie auch Verkehrsminister Hermann in seiner Rede betont.
Dabei kann schon regenerative Energien helfen, die bei dem Mannheimer Unternehmen von „Blue Oak“ in allen Größenordnungen vorhanden sind. Das Team kocht sich sogar den Kaffee auf dem Schlossplatz während der Messe über Energie, die per Solarzellen auf dem Fahrzeug erzeugt wird. Bei der E-Mobilität ist der eigene Solarstrom für die Autobatterie in Sachen CO2-Emissionen eine Art Gamechanger ist. Ein E-Auto, betrieben mit dem derzeitigen Strommix, emittiert bei täglich 60 Kilometern rund 1,9 Tonnen CO2 im Jahr. Mit Ökostrom schrumpft diese Quote auf etwas über 0,1 Tonnen pro Jahr.
Zum E-Auto: Dank des Autohauses Bollack aus Bammental ist auch das erste Elektro-Auto aus chinesischer Produktion, der „Funky Cat“ von Ora, auf die Gala angekommen. Hier erkennt man sehr gut, dass bei der E-Mobilität etwas in Bewegung geraten ist. Die Dynamik deutlich zugenommen hat, auch beim Preis - und zwar nach unten. Design und Interieur machen zusätzlich Appetit auf den kleinen Flitzer. Auf der Charme-Skala von eins bis zehn bekommt der „Microlino“ aus der Schweiz, den das Autohaus Ebert dabei hatte, übrigens eine glatte zehn. Der Wagen, nachempfunden der BMW Isetta, dem Kultautor aus den 1950er Jahren, zog Blicke wie kein anderer Wagen auf sich, was auch an dem Fronteinstieg - wie bei der Isetta - lag.
Action kommt bei der Eco-Mobil-Gala auf dem Schlossplatz in Schwetzingen nicht zu kurz
Richtig gut kommt das Fahrrad als Smoothie-Mixer des Schwetzinger Klimabüros an. Ein paar kräftige Tritte in die Pedalen des umgebautes Fahrrades und der Mango-Smoothie war fertig.
Apropos Fah
rrad: Eindrücklich ist der Auftritt des Deutschen Fahrradmuseum mit einer Ausstellung der Fahrradkultur vom Laufrad eines Karl Drais aus dem Jahr 1817 bis zum legendären Bonanza-Fahrrad aus den 70ern des letzten Jahrhunderts. Vor allem das Probieren der verschiedenen Räder sorgt für Stimmung bei Kindern und Erwachsenen. Vom Hochrad mit seinem riesigen Vorderrad über ein Fahrrad mit Hinterradlenkung bis zu einem Rad, bei dem die Lenkung spiegelverkehrt funktioniert, gibt es einige Herausforderungen zu bewältigen. Weniger anspruchsvoll, dafür deutlich alltagstauglicher, sind die Elektro-Räder zum Beispiel von Tari Bikes und Decathlon.
Service vor Ort für Fahrradfahrer bei der Eco-Mobil-Gala in Schwetzingen geboten
Passend dazu bietet die regionale Abteilung des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) neben einer Helmberatung einen kostenlosen Fahrradcheck und eine Fahrradwaschanlage an.
Richtige Hingucker sind die Motorräder auf Elektrobasis. Bikerfeeling ohne „satten Sound“? Schwer vorstellbar, jedoch mit Blick auf eine Zukunft nicht von der Hand zu weisen. Das Freiheitsgefühl auf zwei Rädern bleibt ja trotzdem erhalten.
Ja, es ist noch ein Stück Weg, bis von einer Verkehrswende gesprochen werden kann. Aber die Eco-Mobil-Gala Schwetzingen macht Mut, dass dieser Weg bewältigt werden kann.
- Die nächste Eco-Mobil-Gala findet am Samstag und Sonntag, 31. August und 1. September 2024, statt. Parallel dazu gibt es dann auch wieder die beliebte Classic-Gala im Schlossgarten Schwetzingen.
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