Fast eineinhalb Jahrzehnte ist es mittlerweile her, dass Johannes Hübner auf die Idee kam, den Schwetzinger Schlossgarten als Prunkstück südwestdeutscher Architektur mit jenem Charme zu bereichern, den Automobile von den Jahren ihrer Erfindung bis in die Jetztzeit einmal jährlich ausstrahlen sollten. Das Ergebnis dieser Idee wirkt als Internationaler Concours d’Elegance längst über Schwetzingen hinaus – und kultiviert auch bei der 14. Auflage in der Spargelstadt eine Atmosphäre, die sich unnachahmlich potenziert.
Zum einen ist es die schiere Vielfalt der 180 ausgestellten Exponate: Sie vibriert wortwörtlich zwischen historischem Dampfwagen und Lamborghini Ghibli, einem zauberhaften Fafnir Doppelphaeton von 1904 und originalen Elvis-Cadillacs, um Neugier zu wecken und im Zusammenspiel der Epochen im Gartenrund des Schlossparks ein Paradies motorisierter Edelkünste freizulegen, wie es mittlerweile über Deutschland hinaus mit großen Augen betrachtet wird. Dabei ist es längst nicht der neugierige Blick allein, der die Faszination perfekt restaurierter Prachtstücke antreibt: Es sind die Gespräche mit den Oldtimer-Besitzern, die oft nur darauf warten, von tausenden Gästen angesprochen zu werden.
Aerodynamik eines Flugzeugs
Es sind Geschichten wie die von Rudi Lapoehn, die sich unvermittelt in der Erinnerung festsetzten und nachwirken. Aus dem brandenburgischen Borkheide bei Potsdam ist der 79-Jährige nach Schwetzingen gekommen, um ein Unikat einzigartigen Ursprungs zu präsentieren. Dass sein Rennwagen des Herstellers Hans Grade in seiner schwarz-weißen Streifenlackierung an die Aerodynamik eines Flugzeugs erinnert, kommt dabei keineswegs von ungefähr.
Denn Grade baute im Osten nicht nur den ersten Motorflieger, sondern verstand sich auch auf eine stromlinienförmige Bauweise, die dem Wind wenig Angriffsfläche bot und für Rennen als geradezu prädestiniert galt. Dass der 18 PS starke Zweitakter daher nicht nur auf der Straße für Aufsehen sorgte, sondern sogar Rennikone Rudolf Caracciola beim Berliner Avus-Rennen 1923 mächtig ins Schwitzen brachte, ist ein Teil der Geschichte dieses Wagens, die erst Dekaden später in den 80er Jahren ihre Fortsetzung finden sollte.
Als der Zweite Weltkrieg nahte und Fahrzeuge zu Kriegszwecken eingezogen wurden, sicherten sich in seinem 800-Seelen-Ort zwar etliche Familien Bauteile des dekonstruierten Rennmobils. Doch diese über die Jahre hinweg anzukaufen und so weit zu vervollkommnen, dass heute ein derart funkelndes Exemplar deutscher Rennhistorie zu bewundern ist, „hat mit meiner Sturheit und der endlosen Leidenschaft für diese alte Kunst zu tun“, erklärt Lapoehen.
Dass es diese präzise Leidenschaft ist, von der die Classic-Gala in Schwetzingen entscheidend lebt, zeigen Menschen wie Juror Bernd Schultz, der historische Fahrzeuge eben nicht nur mit einer nativen Begeisterung auf Patina und Originalzustand beurteilt, sondern sich nicht dafür schämt, vom Autos als „Kulturgut“ zu sprechen, das uns als „Zeitgeist-Dokument Auskunft über die Welt erteilt“ – und damit recht behält.
Kaffee im Transporter serviert
Denn wo immer das Auge an diesen drei Tagen hinblickt: Von zeitgenössisch kostümierten Eigentümern wie Petra und Michael Velling, die mit einem ganzen Picknick-Service neben ihrem Ford Modell T Platz genommen haben, über Chansonniers wie Gabrielle Draudt, die im besten Piaf-Stil soliert, bis hin zu den Kaffeekünstlern Michaela Mann und Deniz Özmen, die selbst ihre frisch gebrühten Kreationen direkt aus einem alten Transporter heraus servieren, umweht diese Liebhaberschau ein Flair, das immer nobel daherkommt, ohne dabei jemals die neugierigen Familien vertrieben zu haben, die sich dem Thema Oldtimer ganz frisch und unbefangen widmen wollen.
Vielleicht ist es genau jener Zauber, der zunehmend mehr Aussteller zu einem Aufenthalt in Schlossgarten bewegt – und damit auf eine Tradition einzahlt, die sich Jahr für Jahr thematisch ausweitet. Denn selbstverständlich setzt sich der automobile Gedanke auch im kunstsinnigen Handwerk weiter fort. Zwischen Tom Aarons Elvis-Imitationen und den zarten Harmonien des Schwetzinger Orgelbauers Martin Keßler macht die neue „Nuvolari Legend“ des Schweizer Uhrenbauers Eberhard & Co. auf sich aufmerksam.
Kaum ein paar Meter weiter warten Taschen der Marke Schreif, die aus abgenutzten Radschläuchen modische Accessoires mit höchsten Ansprüchen fertigt, auf ihre Betrachter. Gäbe es da nicht die über drei Meter große Arbeit des Künstlers Curd Armin Reich, mit der er die Legende Enzo Ferrari anlässlich des 70-jährigen Jubiläums des Herstellers auf 70 Rohleinen-Paneele bannte: Man wüsste gar nicht, wohin der Blick nun fallen soll.
Feuerrote Imposanz
Und vielleicht ist genau das auch heilsam so. Dass es bei allen Autoparaden, die von der schneidigen Corvette bis hin zu Dursun Aydins 6,80 Meter langen Plymouth Fury in Feuerrot Worte für die optische Imposanz finden, noch immer dieses unerklärlich Mysteriöse gibt. Das macht nicht nur den frisch zum Patron avancierten Allgemeinen Schnauferl-Club um den Regionalpräsidenten Hans-Gert Schweigert stolz. Von rostigen Scheunenfunden bis zum strahlenden Mercedes Corsica schafft die Classic-Gala eine Neugierde, die in Schwetzingen unverwüstlich auflebt – und Begeisterung weckt.
Info: Weitere Bilder gibt’s unter www.schwetzinger-zeitung.de
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