Schwetzingen. Zwischen barocken Alleen und herbstlich blühenden Rabatten strömten Besucherinnen und Besucher bei strahlendem Spätsommerwetter am Wochenende herbei, um auf automobile Zeitreise zu gehen, Erinnerungen an vergangene Epochen aufleben zu lassen und Raritäten aus nächster Nähe zu bestaunen. Rund 160 Klassiker von 73 Automobilmarken aus aller Welt, mitgebracht von Ausstellern aus zehn Nationen, wurden auf dem Parkareal chronologisch aufgereiht – allesamt eine Augenweide.
Einmal mehr schafften es die Veranstalter Wolfgang Gauf, Johannes Hübner und Hans Hedtke, unter den Klassikern Sammlerstücke in der Welt aufzutreiben, die in Schwetzingen erstmals der Öffentlichkeit gezeigt wurden. Sie unterstreichen damit den vorzüglichen Ruf dieses internationalen Concours d‘Elegance, der Jahr für Jahr Maßstäbe in der Welt der Automobilveranstaltungen setzt.
Weltpremiere bei der Classic-Gala für einen 75-Jährigen
Ein Museum auf vier Rädern besitzt Chris Cachia aus Malta. Wenn er die Geschichte seines Triumph Roadsters TRX von 1950 erzählt, leuchten seine Augen. Der Wagen erlebte in Schwetzingen sein erstes weltweites Roll-out nach penibler, detailgenauer Restaurierung. „Im Juni war er noch nicht einmal lackiert“, berichtete Cachia von den letzten Arbeiten unter Hochdruck, um für Schwetzingen gerüstet zu sein. Der Malteser hatte den TRX in einer Autosammlung entdeckt. Nur zwei der insgesamt drei gebauten Wagen existieren noch. Cachia, das wird im Gespräch spürbar, lebt für seine automobile Leidenschaft. Zwei Jahre lang reiste er um die Welt, um Originalteile für das Fahrzeug zu besorgen. Was er nicht bekam, fertigte er nach. Das alles dokumentierte er in einem Buch, einschließlich der Geschichten zu den zehn Vorbesitzern, die, beziehungsweise deren Nachfahren, er aufsuchte. Darunter befindet sich auch Familie Linnartz aus Köln, die ebenfalls in den Schlossgarten kam.
Der Triumph Roadster TRX wurde 1950 als erstes britisches Auto mit Klappscheinwerfern, elektrischen Fensterhebern sowie elektrischem Verdeck auf dem Autosalon in Paris vorgestellt und stahl damals dem Jaguar XK120 die Schau. Die jüngere Schwester von Königin Elizabeth II., Prinzessin Margaret, nahm kurz darauf bei der Earls Court Motor Show in England im Wagen Platz. Bei der Vorführung der elektrischen Vorzüge verwechselte man versehentlich die Hebel, sodass sich nicht das Verdeck öffnete, sondern der Sitz mit der Prinzessin darauf nach vorne fuhr.
Rarität bei der Classic-Gala: Ein Sportwagen, den es nie gab
Stundenlang lässt sich den Geschichten rund um die Automobile lauschen – auch jenen von Lothar und Silvia Dauer aus Wiesbaden, die ihren BMW 501 A Serie 2, einem der ältesten „Barockengel“ (Baujahr 1954), mitgebracht hatten – ein Garagenfund, nun vollständig restauriert. Handgashebel, Winkearme (Blinker) und ein edles Interieur, zu dem eine originalgetreue Karostoff-Auskleidung gehört („aus dem BMW-Museum, nachgewebt“), machen den beige-graugrünen ehemaligen Polizeiwagen besonders. Beide sind erstmals in Schwetzingen und voll des Lobes für die Classic-Gala.
„Guck‘, das war Papas erstes Auto“, war vor manch Opel GT zu hören – der Jedermann-Sportwagen feiert dieses Jahr seinen 60. Geburtstag. In Sachen Sportwagen gab es dieses Mal viele einmalige Seltenheiten aus der Nähe zu sehen. Mit dem Alpine Renault A210 wurde ein Sportwagen-Prototyp ausgestellt, der von 1966 bis 1969 bei Langstreckenrennen wie in Le Mans gefahren ist. Ausgestattet mit Renault-Gordini-Motoren (Vierzylinder, bis zu 178 PS) und einer leichten Glasfaserkarosserie erreichte er Höchstgeschwindigkeiten bis 290 Kilometer pro Stunde (km/h). Im Kontrast dazu gesellten sich die leichten Zweitakter von DKW, die bis Mitte der 1950er-Jahre gebaut wurden. Dem F1 (für ersten Frontantrieb), dem F5 und weiteren genügten bis zu ein Liter Hubraum und mehr als 50 PS, um bis zu 150 km/h zu erreichen.
Besonders stolz zeigte sich Kurator Hans Hedtke, den DKW F9 Sportwagen (Dreizylinder-Zweitakter, 30 PS, 500 Kilo, 160 km/h) ausstellen zu können – einen Wagen, den es eigentlich nie gab. Der Entwurf von Günther Mickwausch (Auto Union AG) und Arthur Kordewan (später VEB Barkas Karl-Marx-Stadt) aus den 1930er-Jahren wurde nie realisiert – wegen des Zweiten Weltkriegs. Frieder Bach, Gründer des Fahrzeugmuseums Chemnitz, fand jedoch die maßstabsgetreue Zeichnung. Das Fraunhofer-Institut IWU Chemnitz stellte durch ein neuartiges Blechumformungsverfahren die wichtigsten Teile für die stromlinienförmige Karosserie her, die an ein originales Fahrgestell angepasst wurden.
Experte bei der Classic-Gala: „Gute Zeit, um sich Oldtimer zuzulegen“
Apropos Nachbauten: Neben den originalen Messerschmitt-Kabinenrollern aus den 1950er-Jahren wurde die „Reinkarnation“ des legendären Dreirad-Kleinwagens vorgestellt – mit Elektroantrieb. Der KR 202 E erreicht mit seinem 12-kW-E-Motor und einem Hochleistungsakku laut Hersteller bis zu 115 Stundenkilometer und schafft 110 Kilometer Reichweite. Die Sportvariante mit Viertaktmotor kommt bis zu 160 Kilometer weit. Ein schöner Brückenschlag zur Eco-Mobil-Gala vor den Toren des Schlosses, die sich mit der automobilen Zukunft beschäftigt.
Staunen ließ ein 911er-Porsche, ein Unikat, aufgebaut vom US-Tuner Singer auf einem Originalmodell, das mit einem Kaufpreis von 1,25 Millionen Euro ausgezeichnet war. Apropos: Etliche Oldtimer waren mit Schildern „zum Verkauf“ garniert – nicht nur im Bereich des Ausstellungspartners Classicbid Automobile. „Es ist momentan eine gute Zeit, sich einen Oldtimer zuzulegen“, sagte Marktkenner Eberhard Honke in Bezug auf Angebote und Preise. Das hänge zum einen mit dem Alter der jetzigen Besitzer zusammen, zum anderen mit Kosten, die der Unterhalt und Erhalt eines Oldtimers mit sich bringt. Außerdem gebe es immer weniger Monteure, die die Klassiker in Schuss halten könnten: „Die Leute wollen ihre Fahrzeuge loswerden.“
Mit Classicbid war ursprünglich eine Live-Auktion auf dem Concours vorgesehen, von der das Auktionshaus kurzfristig wieder Abstand nahm. Das ehrliche Interesse an einem Kauf sah Honke beim Publikum in Schwetzingen nicht gegeben.
Zwölfjähriger stellt als Künstler bei der Classic-Gala aus
Gekauft wurde jedoch eifrig im Bereich der Kunstausstellung. Roger Graff aus Altenglan fertigte Drucke vor Ort an, die ausgestellte Oldtimer zeigten und die er auf seine Weise kunstvoll in Szene setzte. Viel Aufmerksamkeit erzeugte neben weiteren namhaften Kunstschaffenden wie Curd Achim Reich (CAR), Timon Stork oder Mauricio Franco Luque der Jüngste im Zirkelsaal: Paul Hoch, zwölf Jahre alt, fertigt aus Pappmaché originalgetreue Mini-Vespas und veredelt diese mit Ledersitzbezügen.
Ein weiterer Künstler war im Park anzutreffen: Michael Hartmann aus Langenlonsheim. Der Hobbyzeichner hielt vor Ort Fahrzeuge auf Papier fest - „einfach so, weil‘s mir Spaß macht“.
Die Classic-Gala im Schlossgarten Schwetzingen hielt drei Tage lang wieder eine Menge Hingucker bereit. Und nicht nur das: Im US-Car-Bereich ließ ein Elvis-Presley-Imitator den King of Rock‘n‘Roll aufleben, und eine Squaredance-Gruppe lud zum Mittanzen ein. Bands spielten als Walking-Acts an verschiedenen Stellen und wurden sogar musizierend durch den Park in einem Oldtimer chauffiert. Verpflegungsvans luden zum Verweilen ein und auch die Aussteller schenkten das ein oder andere ein Gläschen aus. Immerhin gab‘s ja einiges zu feiern: Beim Oldtimerstammtisch Brühl zum Beispiel 70 Jahre Mercedes-Benz 190 SL – ein echtes Symbol der Roadster-Kultur und technischer Eleganz – oder jeweils das 125-jährige Jubiläum bei den Adlerwagen und beim Allgemeinen Schnauferl-Club.
Und auch für das nächste Jahr können schon mal die Getränke gekühlt werden: Dann feiert unter anderem der BMW 328 seinen 90. Geburtstag bei der 22. Classic-Gala vom 4. bis 6. September 2026 im Schlossgarten Schwetzingen.
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