Das Thema scheint die Menschen zu beschäftigen. Zumindest kamen zum ADHS-Vortrag der Psychologin Cordula Neuhaus in die Aula der Schimper-Schule mehr als 120 Interessierte. 90 Minuten lang trug sie den neuesten wissenschaftlichen Stand vor und breitete das Wissen rund um Ursachen, Symptome und Behandlung auf.
Keinen Zweifel ließ sie am Leidensdruck. Menschen, die von Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung betroffen sind, hätten es sehr schwer. Hinzu komme, dass das Leiden meist eher spät erkannt werde. Oft würden die Kinder Sätze, wie „pass einfach besser auf“ oder „wenn du dir nur Mühe geben würdest“, zu hören bekommen, was bei Kindern mit ADHS nichts bringe. Im Gegenteil, es erhöhe den Druck und verschlimmere die Situation. Ziemlich schnell befinde sich das Kind in einer fatalen Spirale, die niemandem helfe.
Laut „ADHS Deutschland“, eines Selbsthilfevereins, ist ADHS die häufigste psychiatrische Erkrankung von Kindern und Jugendlichen. Aktuellen Schätzungen zufolge sind in Deutschland rund fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter von drei bis 17 Jahren von ADHS betroffen. Jungs übrigens bis zu viermal so oft wie Mädchen. Und anders als lange geglaubt, verwächst sich ADHS bei vielen Betroffenen nicht. Bei etwa 60 Prozent bleiben wesentliche Symptome auch im Erwachsenenalter bestehen.
Erfahrene Ärzte hinzuziehen
Charakteristische Symptome sind laut Cordula Neuhaus Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit und Impulsivität, hier verstanden als unüberlegtes Handeln. Wichtig ist ihr, dass nicht jedes Kind, das unruhig oder unaufmerksam ist, automatisch an ADHS leide. Auch das Bundesgesundheitsministerium betont auf der Homepage, dass die Diagnostik eine differenzierte Untersuchung durch erfahrene Ärzte oder Therapeuten erfordere. Dabei gelte, die Auffälligkeiten müssen über einen längeren Zeitraum (mindestens sechs Monate) und in verschiedenen Lebensbereichen des Kindes – Schule, Familie und Freizeit – auftreten.
Auffallend sei immer, dass die Aufmerksamkeitskurve durchweg meist schnell abfalle und auch sämtliche Motivationsversuche ins Leere laufen. Neurologisch, so sagt es Neuhaus, die in Esslingen eine Praxis mit Schwerpunkt ADHS leitet, könne man davon sprechen, dass der Arbeitsspeicher beeinträchtigt sei. Der Botenstoff Dopamin sei disreguliert und es falle den betroffenen Kindern schwer, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Gerade auf der zeitlichen Schiene könne Kindern mit ADHS keine Priorisierung gelingen. Sie nannte ein Praxisbeispiel: „Vor Kurzem war ich in einer Apotheke. Die Apothekerin überreichte zwei fünf bis sieben Jahre alten Kindern einen Lolli. Die Mutter erklärte, dass die Kinder die Lollis doch für später aufbewahren sollten, mache die Oma doch gerade Abendessen. Nach kurzer Überlegung überreichten die Kinder ihrer Mutter die Lollis. Das war für mich ein Beleg, dass die Kinder garantiert kein ADHS haben.“
Verdachtsmomente für ADHS fänden sich aber nicht nur im Verhalten. Nicht selten sei die Thermoregulation gestört. Menschen mit ADHS hätten oft wenig Gespür für Temperaturverhältnisse und seien dann falsch gekleidet. Ausgeprägt sei das Schmerzempfinden. Auffallend seien häufige Kopfschmerzen und Magenprobleme. Nicht zielführend seien die üblichen Entspannungstechniken. Oft würden sie sich sogar kontraproduktiv auswirken. Bei einem Verdacht sei eine ärztliche Diagnose unverzichtbar und die Therapie müsse zwingend von Spezialisten flankiert werden. Die Therapiesei „multimodal“. ADHS gehöre zu den eher schwierigen Krankheitsbildern, da die Diagnose nicht einfach sei. Aber die Therapie lohne sich, denn eine gezielte Behandlung mache einen großen Unterschied.
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